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Pater Andreas Batlogg SJ Pater Andreas Batlogg SJ 

Buchtipp: „Aus dem Konzil geboren“

Vor 60 Jahren eröffnete Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil. Wie dieses Konzil der Kirche auch heute noch den Weg in die Zukunft weisen kann, damit beschäftigt sich ein Buch des österreichischen Jesuiten Andreas Batlogg.

Wir sprachen mit dem früheren Herausgeber der Kulturzeitschrift „Stimmen der Zeit“ – und wir empfehlen seine luzide Analyse des Konzils jedem, dem die Kirche am Herzen liegt.

Interview

Lieber Pater Batlogg, Sie sind doch gar kein „Konzils Kind“ – wie kommen Sie dann dazu, ein Buch über das Zweite Vaticanum zu schreiben?

„Das stimmt – und es stimmt auch wieder nicht. Ich bin acht Tage älter als das Konzil, insofern fühle ich mich als ‚Konzils-Kind‘. Doch ich habe natürlich nie die Enge vor dem Konzil mitbekommen, das, was ein Karl Rahner „pianischen Monolythismus“ nennt, sondern nur die Zeit danach. Und ich stelle jetzt fest: Ältere Priester bekommen wirklich feuchte Augen, wenn man vom Konzil redet, auch aus Frustration oder Enttäuschung, was daraus geworden ist; und Jüngere haben entweder gar keine Ahnung oder das Feindbild ‚Dieses Konzil war der Anfang vom Ende, das hat alles zerstört‘. Und die beten dann Klischees und Vorurteile nach, die leider geschaffen wurden…“

Mit dieser Bulle berief Johannes XXIII. das Konzil ein
Mit dieser Bulle berief Johannes XXIII. das Konzil ein

„Das war eine Denk-Werkstatt...“

Was ist denn Ihr Konzil? Wie haben Sie sich Ihren Blick auf das Konzil erkämpft bzw. erworben?

„Ich habe natürlich studiert; für uns war das ‚Kleine Konzils-Kompendium‘ von Rahner und Vorgrimler Pflichtlektüre. Ich habe viel über das Konzil gelesen, und ich hatte einfach das Glück, im Laufe meines Ordensleben Leute kennenzulernen, die direkt oder indirekt mit dem Konzil zu tun hatten. Karl Rahner – den habe ich noch gekannt. Und Wolfgang Seibel, meinen Vorvorgänger bei den ‚Stimmen der Zeit‘, der jetzt 94 ist: Der war Konzils-Berichterstatter von 1962 bis 1965… Und viele andere. Da habe ich einfach gemerkt: Das war eine Denk-Werkstatt, da haben Theologen Bischöfen zugearbeitet.

Es war natürlich eine Bischofsversammlung. Aber damals waren Bischöfe wie Döpfner, König und andere demütig genug zu merken: Wir brauchen theologische Expertise. Und ich denke, für heute wäre es sehr wichtig beim Synodalen Weg und bei anderen Formaten, die es in der Kirche gibt, dass es ein Miteinander gibt. So wie Kardinal Hollerich neulich hier in Rom bei einem Symposium sagte: Die Bischöfe sind auf Theologen, sind auf Lehre angewiesen, sonst kann sich die Lehre nicht entwickeln.

Bei der Eröffnung des Konzils 1962 in St. Peter
Bei der Eröffnung des Konzils 1962 in St. Peter

Ja, und das hat auf dem Vaticanum geklappt, auf dem Zweiten Vaticanum! Damals ist halt mal, wie Pater Rahner sagte, aus einer Kirche in aller Welt, aus einer europäischen, eurozentrischen Kirche mit Experten in aller Welt wirklich Weltkirche geworden…“

„Es war ein riesiger Aufbruch damals“

Wenn man  heute die Konzilstexte in die Hand nimmt, klingt das manchmal arg pathetisch. Das ist nicht immer mehr die Sprache von heute. Warum lohnt es sich trotzdem, sich damit zu beschäftigen?

„Weil diese Texte natürlich trotz allem gelten! Natürlich tragen die das Pathos der damaligen Zeit an sich, aber es war ein riesiger Aufbruch damals. Und diese 16 Texte (auch wenn man zwischen den vier Konstitutionen, den neuen Dekreten und den vier Erklärungen unterscheiden muss) waren das Programm der Kirche für das 20. und 21. Jahrhundert. Johannes XXIII. wollte ja einen Sprung nach vorn gehen und keine Verurteilung, keine Anathema haben. Er hat gesagt: Das Magisterium, die Lehre steht, aber wir müssen anders davon sprechen, das anders präsentieren, mit der Moderne ins Gespräch kommen.

Und das hieß ja schon etwas nach Jahrzehnten der Abgrenzung, der Abschottung! Ich darf nur daran erinnern: Nach dem Ersten Vaticanum hätte es ja gar kein Konzil mehr gebraucht, weil es den Primat und die Unfehlbarkeit gab. Und dieser Papst hat gesagt: Ich bin da anderer Meinung und möchte die Kirche wieder zu einem Thema machen.

Bei der Eröffnung des Konzils 1962 in St. Peter
Bei der Eröffnung des Konzils 1962 in St. Peter

So viel Ansehen wie während des Zweiten Vatikanischen Konzils hatte die Kirche danach nicht mehr, auch wegen mancher gegenteiliger Aktionen, eines gewissen Rückbaus. Ich verstehe da schon die Frustration derer, die dabei waren, auch wenn natürlich die letzten Konzils-Bischöfe und auch Theologen-Berater langsam aussterben.“

„Ich wäre vorsichtig mit einem dritten Vaticanum“

Brauchen wir ein neues Konzil, oder sollte das alte Konzil erst einmal rezipiert, aufgearbeitet, umgesetzt werden?

„Ich wäre vorsichtig mit einem dritten Vaticanum. Es ist sicher eine kürzere Reaktionszeit jetzt: Früher hatten wir mit 150 Jahren oder mit noch mehr gerechnet, und bis das Konzil von Trient 1563 bis in die hintersten Winkel der Weltgeschichte gedrungen ist, hat es gedauert. Nur, andererseits läuft uns natürlich die Zeit davon…

Bei der Eröffnung des Konzils 1962 in St. Peter
Bei der Eröffnung des Konzils 1962 in St. Peter

Aber diese Texte gelten, sie stehen. Es gibt natürlich verschiedene Metaphern, also die Kirche als pilgerndes Gottesvolk oder die Kirche als mystischer Leib. Aber dazu hat Michael Seewald, Dogmatiker in Münster, neulich auch in der ‚Herder-Korrespondenz‘ gesagt: Man darf Widersprüche nicht harmonisieren, aber man muss eben weiterentwickeln – und da ist das Konzil nach wie vor gültig. Es war natürlich eines von 21 ökumenischen Konzilien, aber es war wirklich die Repräsentanz von Weltkirche, und das macht es auch so spannend.

„Für mich ist Synodalität ganz, ganz eindeutig ein Erbe des Zweiten Vaticanums“

Wir haben ja jetzt andere Formate und auch diesen kirchlichen synodalen Prozess, der mich sehr optimistisch stimmt, weil Kardinal Mario Grech und Kardinal Jean-Claude Hollerich tolle Arbeit machen. Das ist ja nicht nur eine Synode, wo sich Bischöfe treffen, sondern vorausgeschaltet ein 2-jähriger Prozess, wo Erfahrungen aus den Diözesen eingespeist werden in einen weltkirchlichen Prozess – dann folgt erst das Arbeitsinstrument (instrumentum laboris) und dann die Synode der Bischöfe, die ja von Oktober ‘22 auf ‘23 verschoben wurde.

Batlogg vor ein paar Tagen im Radio-Vatikan-Studio
Batlogg vor ein paar Tagen im Radio-Vatikan-Studio

Für mich ist Synodalität, auch wenn es für manche ein Container Begriff ist, ganz, ganz eindeutig ein Erbe des Zweiten Vaticanums. Franziskus setzt ganz deutlich auf dieses Instrument. Nur: Aufeinander hören, wirklich und wirksam aufeinander hören, das ist ein mühsamer Lernprozess für Bischöfe, für Theologen und auch für Gläubige. Da sind wir dran, und das ist es mir wert.“

„Da hat schon ein Perspektiven-, ja ein Paradigmenwechsel eingesetzt“

Synodalität als ein Erbe des Konzils – was sind denn andere Erbschaften, die man heute wieder aufgreifen kann?

„Vom Stil her würde ich sagen: vor allem Dialog. Das ist das eine. Das andere ist: Die Knackpunkte sind ja nicht so sehr Zelebration mit dem Rücken zum Volk oder mit dem Gesicht zum Volk… Sondern Ökumene oder Dialog mit nichtchristlichen Religionen- das sind Knackpunkte! Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, das gab's bis zum Zweiten Vaticanum so nicht, und Demokratie und ein positives Verständnis der Demokratie gab es auf dem Ersten Vaticanum ausdrücklich nicht…

Da hat schon ein Perspektiven-, ja ein Paradigmenwechsel eingesetzt. Allerdings glaube ich: Wir sind da immer noch dran. Und deshalb wäre ich zurückhaltend, gleich ein Drittes Vaticanum einberufen zu wollen.

Zum Buch: Andreas R. Batlogg, Aus dem Konzil geboren, Tyrolia Verlag, ca. 18 Euro.

(vatican news – sk)
 

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10. Oktober 2022, 08:16