Vatikan: Organspende auch von Patienten mit seltenen Krankheiten
Mario Galgano und Paolo Ondarza - Vatikanstadt
Eine seltene Krankheit ist kein Gegenargument für eine Organspende. Das geht aus einer italienischen Studie hervor, die in der Zeitschrift „Clinical Transplantation“ veröffentlicht wurde. 500 seltene neurologische Erkrankungen mit Todesrisiko wurden untersucht. Für jede wurde die Eignung für die Transplantation einzelner Organe geprüft: Niere, Leber, Herz, Lunge und Bauchspeicheldrüse. In 85 Prozent der Fälle wurde ein uneingeschränkt positives Urteil gefällt, in 5 Prozent ein teilweise positives. Ziel der Studie sei es gewesen, Medizinern eine Leitlinie für das Vorgehen bei Spendern mit einer seltenen Krankheit an die Hand zu geben.
An der Forschung waren das italienische Nationale Transplantationszentrum, das italienische Gesundheitsministerium (Consiglio Superiore di Sanità) und mehrere Transplantationszentren beteiligt, darunter das vatikanische Kinderkrankenhaus Bambino Gesù. Professor Bruno Dallapiccola, der wissenschaftliche Direktor des Krankenhauses, war der erste Unterzeichner der Studie. In einem Interview mit Radio Vatikan erklärt er:
„Es ist das erste Mal weltweit, dass dieses Thema angegangen wird: um zu sehen, inwieweit Patienten mit seltenen Krankheiten – die leider sehr zahlreich sind, man schätzt, dass es in Italien mindestens zwei Millionen gibt – als Organspender in Frage kommen. Diese Studie geht auf eine Anfrage des italienischen Nationalen Transplantationsinstituts zurück, in dem etwa ein Prozent der Spender von seltenen Krankheiten betroffen sind. Sie hat diese Studie in Auftrag gegeben, die wir über das Institut des italienischen Gesundheitsministeriums durchgeführt haben. Die Studie wurde vor zwei Jahren begonnen, um herauszufinden, ob es unter den seltenen Patienten, insbesondere jenen mit neurodegenerativen Erkrankungen, Pathologien gibt, die möglicherweise als Quelle für Spenderorgane dienen könnten, falls der Patient, der im Sterben liegt, an einer Spende interessiert wäre. Wir haben uns mit etwa 500 dieser Krankheiten befasst, bei denen es sich überwiegend um neurodegenerative Erkrankungen mit Todesrisiko handelt. Und wir haben ein Ergebnis erzielt, das wirklich wichtig und auch überraschend ist: Bei etwa 85 Prozent dieser Krankheiten gibt es Organe, die potenziell für eine Spende geeignet sind.“
Vielversprechend
Die Zahlen seien vielversprechend, betont der Professor der Vatikan-Klinik.
„Natürlich gibt es dann einen kleinen Teil dieser Krankheiten, die von Fall zu Fall bewertet werden müssen. Tatsächlich ist der Anteil der Krankheiten, die nicht für eine Transplantation in Frage kommen, sehr gering und beträgt weniger als 10 Prozent. Wenn wir also bedenken, dass in Italien über 8.000 Patienten auf der Warteliste für eine Transplantation stehen, können Patienten mit seltenen Krankheiten eine Ressource sein, falls sie als Organspender zur Verfügung stehen.“
Bislang sei das Verfahren für solche Patienten, die als Spender in Frage kommen wollten, jedoch sehr komplex gewesen, erklärt der Professor:
„Im italienischen Transplantationszentrum gibt es eine Arbeits- und Studiengruppe, die von Zeit zu Zeit, wenn ein potenzieller Spender mit einer komplexen seltenen Krankheit auftaucht, zusammentritt und Fall für Fall bewertet. Das geht so weit, dass in den Registern des Nationalen Transplantationszentrums von den 500 Krankheiten, die wir bewertet haben, etwa 150 bereits zuvor bewertet wurden. Es handelt sich also um allgemeine Leitlinien, die allgemeine Informationen liefern. Natürlich obliegt es dann den an der Transplantation Beteiligten, den Fall konkret zu beurteilen. Aber die wichtige Botschaft ist, dass wir festgestellt haben, dass eine außerordentliche Quote von Patienten mit diesen Krankheiten, die wir in Betracht gezogen haben, Kandidaten für eine Transplantation sein können.“
Dies sei also eine sehr wichtige Entdeckung aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht, aber auch eine Nachricht, die die Hoffnung derjenigen erhöhe, die auf eine Organtransplantation warten.
„In der Regel ist die Vorstellung, die wir von einem Patienten mit seltener Krankheit haben, die eines kranken Menschen, der alles braucht, der behandelt werden muss. In diesem Fall zeigen wir, dass es einen umgekehrten Weg gibt. Der Patient mit seltener Krankheit kann zu einem Spender von Gesundheit für andere Patienten werden.“
Viele Anträge
Bisher habe es viele Anträge als Organspender von Patienten mit seltenen Krankheiten gegeben, denen nicht entsprochen wurde, fügt er hinzu:
„Im Nationalen Transplantationszentrum weiß ich, dass etwa 1 Prozent der Anträge auf Organspenden in die Kategorie der seltenen Krankheiten fallen. Das ist zwar nur ein kleiner Prozentsatz, aber wenn man die Zahl der seltenen Patienten bedenkt, ist das eine recht interessante und bedeutende Zahl.“
Der wissenschaftliche Ansatz werde weiterverfolgt, kündigt der Forscher an.
„Denn die Studie versteht sich als Zusatzwerk, das die zahlreichen Protokolle ergänzt, über die das Nationale Transplantationszentrum bereits verfügt. Natürlich wollten wir über das Dokument hinaus, das wir erstellt haben und das für Italien, speziell für das Nationale Transplantationszentrum, gedacht ist, eine wissenschaftliche Publikation erstellen, um wirklich neue Erkenntnisse auf die internationale Ebene zu bringen, die auch von Ländern außerhalb Italiens genutzt werden können.“
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.