„Synthese der Synthesen“: Phase 1 der Weltsynode im Konzentrat
Anne Preckel - Vatikanstadt
Auf globaler Ebene habe die Beteiligung am synodalen Konsultationsprozess alle Erwartungen übertroffen, schickt das Synodensekretaritat in dem 45-seitigen Text einleitend vorweg. Zusammenfassungen von 112 der 114 Bischofskonferenzen und allen 15 katholischen Ostkirchen sowie Überlegungen von 17 der 23 Dikasterien der Römischen Kurie seien eingegangen. Auch Ordensobere (USG/UISG), Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens, Vereinigungen und Laienbewegungen hätten sich beteiligt, ebenso seien „mehr als tausend Beiträge von Einzelpersonen und Gruppen sowie Erkenntnisse aus den sozialen Medien“ eingearbeitet worden.
Ein reicher Ertrag
Mit Blick auf die Ergebnisse spricht das Redaktionsteam von einem „Reichtum an Materialien“ und einer „Vielfalt von Stimmen“. All diese Stimmen seien von einer Expertengruppe und dem Erarbeitungsteam des Dokumentes „in einer Atmosphäre des Gebets und der Unterscheidung“ ausgewertet und verarbeitet worden. Bei den Experten handelte es sich um Männer und Frauen, Bischöfe, Priester, Ordensleute, Laien und Laienfrauen „aus allen Kontinenten und mit sehr unterschiedlichen fachlichen Kompetenzen“. Sie tauschten sich nach der Lektüre knapp zwei Wochen im italienischen Frascati mit dem Redaktionsteam des Synodensekretariates aus, darunter dem Generalberichterstatter Kardinal Jean-Claude Hollerich und dem Generalsekretär Kardinal Mario Grech.
Gegliedert ist das Synthese-Papier ist in vier Abschnitte. Teil Eins schildert in Form einer Bestandaufnahme der bisherigen Erfahrungen „Früchte, Samen und schlechte Kräuter der Synodalität“, wie es wörtlich heißt. Ausgehend vom Jesaja-Vers „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes 54:2), dem Titel des Arbeitsdokumentes, wird im zweiten Kapitel der synodale Prozess als eine Erfahrung der Gemeinschaft, Teilhabe und Mission beschrieben. Teil Drei nimmt unter dem Titel „Auf dem Weg zu einer missionarischen synodalen Kirche“ Schlüsselelemente einer missionarischen Synodalität in den Blick, darunter das Zuhören, die Mission, Gemeinschaft und Beteiligung, aber auch Glaubensleben und Liturgie. Im vierten Teil werden die spirituelle Ausrichtung und die Methodik für die kontinentale Phase, die nach Abschluss der diözesanen Phase startet, umrissen.
In Form von Zitaten lässt das Dokument Stimmen aus zahlreichen Ländern im Original-Wortlaut zu Wort kommen, die Zusammenfassungen, Überleitungen und Erläuterungen des Redaktionsteams sind auf das Nötigste reduziert. Die Wortmeldungen stammen etwa aus USA, Bolivien, dem Heiligen Land, Australien und aus anderen Ländern aller Kontinente, darunter auch teils aus Deutschland.
Traum einer inklusiven Kirche
Viele Eingaben der ersten weltweiten synodalen Phase zeugten von einer „großen Liebe zur Kirche“ und dem Traum einer inklusiven, offenen und einladenden Kirche, wird im ersten Kapitel festgehalten, das viele Stimmen aus Afrika und Ländern der südlichen Hemisphäre nennt. Großer Enthusiasmus sei spürbar gewesen, Gefühle der Zugehörigkeit zur Kirche und das Bewusstsein, dass Kirche alle Gläubigen meint, seien ebenso verstärkt worden wie der Mut, „mit Ehrlichkeit die Realität des kirchlichen Lebens anzuschauen und Licht und Schatten beim Namen zu nennen“. Für viele Gläubige sei es das erste Mal gewesen, dass sie nach ihren Eindrücken gefragt worden seien; aus ihren Rückmeldungen gehe hervor, dass sie sich eine Fortsetzung dieses Weges wünschten.
Unter den Schwierigkeiten im synodalen Prozess listet das Arbeitsdokument einerseits äußere Faktoren wie die Corona-Pandemie und „Kriege in zu vielen Ländern“ der Welt auf. Die Rede ist von Fanatismus, Verfolgung, Massakern, Sektierertum und ethnischer Aufwiegelung, aber auch blutigen politischen Konflikten. „Besonders schmerzlich sind die Situationen, in denen Christen, auch Katholiken, in Ländern leben, die sich gegenseitig bekriegen“, wird indirekt auf den Ukraine-Krieg verwiesen. Trotz solcher erschwerten Bedingungen hätten es sich viele Gläubige aber nicht nehmen lassen, am synodalen Prozess teilzunehmen, der umso intensiver erlebt worden sei.
Hindernisse und Widerstände
Auch zu inneren Hindernissen und Widerständen äußert sich das Dokument. Als „bedeutendes Hindernis für den gemeinsamen Weg“ hätten sich kirchliche Missbrauchsskandale erwiesen, die im gemeinschaftlichen Leben eine „offene Wunde“ darstellten und zum Verlust von Vertrauen führten. Hier gehe es um den (sexuellen) Missbrauch Minderjähriger und schutzbedürftiger Personen im Raum der Kirche, aber auch um geistlichen, Gewissens- und wirtschaftlichen Missbrauch sowie den Missbrauch von Macht und Autorität. Viele Synodengruppen hätten vor diesem Hintergrund „einen kulturellen Wandel in der Kirche hin zu mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Mitverantwortung zu fordern“.
Mit Blick auf Probleme spricht das Dokument zudem von organisatorischen Schwierigkeiten, von einem mangelnden Glauben an den synodalen Prozess und den authentischen kirchlichen Veränderungswillen, von Schwierigkeiten beim Verständnis der Synodalität und von Problemen bei „Übersetzung und Inkulturation der Materialien“. Auch handfeste Widerstände und Ablehnung gegenüber dem synodalen Prozess wurden verzeichnet, vielfach verortet beim Klerus. Vertrauensmangel und Ängste bei Laien, sich frei zu äußern, habe es gegeben, weit verbreitet sei ein Gefühl der „Trennung zwischen den Presbytern und dem übrigen Volk Gottes“. Auch seien Bedenken geäußert worden, „dass innerhalb der Kirche Mechanismen und Verfahren eingeführt werden, die auf dem demokratischen Mehrheitsprinzip beruhen“.
Mehr Teilhabe von Frauen
Im synodalen Prozess gehe es um Inklusion – wie das Motto „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jesaja 54:2) verdeutliche, gehe es dabei vor allem auch um eine Anerkennung derjenigen, „die bisher das Gefühl hatten, dass die institutionelle Kirche sich nicht für ihre Glaubenserfahrung oder ihre Meinung interessiert“, wird festgehalten. Das dritte Kapitel vertieft Schlüsselelemente des synodalen Prozesses wie das von Papst Franziskus geforderte Zuhören und den Auftrag einer „missionarischen Kirche“ und zählt zugleich mehrere Gruppen von Menschen auf, die sich in Gesellschaft und Kirche „am Rande“ fühlen.
In fast allen Zusammenfassungen werde die Frage der vollen und gleichberechtigten Teilhabe von Frauen angesprochen. Viele von ihnen hätten das Gefühl, dass ihre Gaben, ihre Fähigkeiten und ihr Charisma nicht anerkannt würden. Von allen Kontinenten komme die Forderung, dass „katholische Frauen in erster Linie als Getaufte und Glieder des Volkes Gottes mit gleicher Würde gewürdigt werden müssen“. Frauen seien zahlenmäßig und hinsichtlich ihres Engagements „das Rückgrat“ kirchlicher Gemeinschaften, würden aber kaum gehört und könnten wenig entscheiden. Es brauche eine stärkere und umfassende Beteiligung auf allen Ebenen. Die Frage der Berufung, der Einbeziehung und der Befähigung werde dabei jedoch unterschiedlich beantwortet. In vielen Synthesen werde gewünscht, die Kirche möge die Diskussion über den weiblichen Diakonat und die Möglichkeit für Frauen, zu predigen, fortsetzen und diese Möglichkeiten prüfen. Bei der Priesterweihe für Frauen gingen die Positionen weit auseinander, sie werde teils gefordert, in anderen Synthesen dagegen als unmöglich erachtet, weil das Thema abgeschlossen sei. Das Dokument hält grundsätzlich fest, dass die Frauenfrage „in unterschiedlichen Formen in allen kulturellen Kontexten präsent“ sei und die Beteiligung und Anerkennung von Laien und Ordensfrauen betreffe.
Die Stimmen der Armen
Unter den Gruppen, die im synodalen Prozess als zu wenig einbezogen charakterisiert werden, ist weiter die Jugend. Sie sei überhaupt im Leben der Kirche weitgehend abwesend, wird sorgenvoll festgehalten. Auch wiederverheiratete Geschiedene, Single-Eltern und die zur Gruppe der LGBTQ gezählten Gläubigen wünschten sich mehr Dialog und kirchliche Aufnahme. Priesterkinder bzw. ehemalige Priester und deren Familien bräuchten mehr Schutz und Anerkennung.
Gruppen, auf die sich eine missionarische Kirche richten muss – die Ärmsten und Ausgegrenzten, die es in allen Gesellschaften gibt – werden ebenso aufgezählt wie Kirchenmitglieder, deren Miteinander verbesserungswürdig sei: Gläubige, die sich von ihren Priestern nicht angehört fühlten oder die unter hierarchischen Strukturen und Klerikalismus litten, Priester, die einsam und vereinzelt seien, Reformstreiter für ein anderes Priestertum und eine andere Rolle der Frau, aber auch diejenigen, die sich nicht wohl dabei fühlten, den liturgischen Entwicklungen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu folgen.
Wie geht es weiter?
Zuhören und Dialog gehen in der kontinentalen Phase des synodalen Prozesses weiter, macht das vierte Kapitel des Dokumentes deutlich. Das Synthesedokument solle in den synodalen Prozess der Ortskirchen zurückgespeist werden und dort Grundlage eines weiteren „Prozesses des Zuhörens, des Dialogs und der Unterscheidung“ sein, wird zum Prozedere der kontinentalen Phase festgehalten. Dabei solle unterschieden werden, welche Themen, Konvergenzen und Spannungen für den jeweiligen Kontinent besonders wichtig seien. Gewünscht sei eine breite Beteiligung aller Gläubigen, nämlich von Bischöfen, Priestern, Diakonen, Ordensvertretern, Laien und Frauen, Jugendlichen, Menschen in Armut und vom Rande der Gesellschaft, Vertreter anderer christlichen Konfessionen, anderer Religionen und auch Menschen ohne Religionszugehörigkeit.
Am Ende dieser kontinentalen Phase sollten die Bischöfe in einer eigenen Sitzung „die gelebte Synodenerfahrung kollegial überprüfen“ und bei ihren Zusammenfassungen den „verschiedenen Stimmen des Volkes Gottes auf jedem Kontinent“ Rechnung tragen. Aus den so entstehenden Synthesedokumenten der sieben Kontinental-Versammlungen soll bis Juni 2023 ein Arbeitsinstrument, ein so genanntes „Instrumentum laboris“, erstellt werden, das von der Bischofssynode genutzt werden kann.
Das aktuelle Arbeitsdokument, das im Original auf Englisch und Italienisch verfasst wurde, liegt bislang darüber hinaus in französischer, spanischer und portugiesischer Sprache vor. Bis Mitte November soll den Angaben der Deutschen Bischofskonferenz zufolge eine deutsche offizielle Übersetzung erarbeitet werden.
(vatican news – pr)
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