10 Jahre Papst Franziskus: Kardinal Koch würdigt „Ökumene der Liebe“
Radio Vatikan: Zehn Jahre Pontifikat Franziskus aus ökumenischer Sicht: was könnte man denn als roten Faden in der Ökumene in diesem Pontifikat bezeichnen? Wie gestaltete sich diese, und wo sind wir angekommen mit Franziskus?
Kardinal Koch: Papst Franziskus ist sehr wichtig die Ökumene der Freundschaft, die Ökumene der Liebe, also die Beziehungspflege mit anderen Kirchen. Er hat deshalb auch viele Ereignisse geprägt. Ich erinnere daran, dass er nach Lund gegangen ist für das gemeinsame Reformationsgedenken mit dem Lutherischen Weltbund. Er ist zum Jubiläum der ersten Begegnung zwischen Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras in Jerusalem eigens wieder ins Heilige Land gereist, um mit dem heutigen Ökumenischen Patriarchen jenes Treffens zu gedenken.
Es gab die erste Begegnung in der Geschichte zwischen einem Papst und dem russisch-orthodoxen Patriarchen, Kyrill I., in Havanna. Der Papst ist auch zum Jubiläum des Ökumenischen Rates der Kirchen eigens nach Genf gegangen. Das zeigt, was für ihn sehr wichtig ist, nämlich die Beziehungen zu pflegen und Freundschaften zu vertiefen. Was er ja auch immer wieder betont, ist, dass wir dreierlei tun sollen: miteinander auf dem Weg sein, miteinander beten und miteinander zusammenarbeiten. Das sind ganz wesentliche Impulse.
Und bei fast allen Apostolischen Reisen ist eine ökumenische Dimension, ökumenisches Gebet, eine ökumenische Begegnung präsent. Es gibt viele Besucher, die nach Rom kommen und dem Papst begegnen wollen. Das dient alles der Vertiefung auf dem Weg zur Einheit.
Persönliche Begegnungen öffnen Türen des Dialogs
Radio Vatikan: In der Ökumene ist man ja auch sehr geprägt von dem, was man vorher war, woher man herkommt, also der biografische Kontext. Auch Franziskus, der aus Argentinien, aus Südamerika kommt, hat natürlich einen besonderen ökumenischen Kontext im Vergleich zum Beispiel, zu jemanden, der aus dem deutschen Sprachraum kommt. Haben Sie auch da etwas gemerkt, wie er zum Beispiel seine Art und Weise eben aus dem Lateinamerikanischen eingebracht hat oder vielleicht auch etwas dazugelernt hat, was er vorher nicht kannte?
Kardinal Koch: Was mir aufgefallen ist, ist natürlich, dass er eine besondere Kenntnis und eine besondere Nähe zu jenen Bewegungen hat, die uns noch ein bisschen fremd sind. Damit meine ich die Evangelikalen und Pfingst-Bewegungen. Der Pentekostalismus ist ja heute rein zahlenmäßig die zweite Realität nach der katholischen Kirche in Lateinamerika.
Und da hat Papst Franziskus hin und wieder jenseits der Öffentlichkeit ganz persönliche Begegnungen mit solchen Vertretern gehabt, die natürlich dann dem Dialog wieder Türen geöffnet haben.
Etwas, was meines Erachtens sehr spezifisch ist für Papst Franziskus, ist das, was er als die Ökumene des Blutes bezeichnet. Das heißt, die Wahrnehmung, dass das Christentum in der heutigen Welt die am meisten verfolgte Religion ist. Aber die Christen werden nicht verfolgt, weil sie Lutheraner oder Orthodoxe, Methodisten oder Katholiken sind, sondern weil sie eben Christen sind. Und Papst Franziskus hat dann einmal diese schwierige Frage geprägt: Wenn die Verfolger die Christen so vereinen, warum trennen wir uns dann selber im Leben? Das ist wahrscheinlich die härteste und klarste Herausforderung für die Ökumene.
Papst Franziskus hat hier übrigens die Tradition von Johannes Paul II. aufgenommen, der in seiner ökumenischen Enzyklika „Ut unum sint“ ein ganzes Kapitel den Märtyrern gewidmet hat. Papst Franziskus nennt das die Ökumene des Blutes. Aber es geht in dieselbe Richtung.
Radio Vatikan: Was wünschen Sie denn dem Heiligen Vater jetzt auch für die nächsten Jahre?
Kardinal Koch: Ich wünsche ihm, dass er die Kraft hat, diese Begegnungen weiterhin zu führen und zu vertiefen. Denn ohne die Ökumene der Liebe ist die theologische Ökumene, die Ökumene der Wahrheit, kaum zu führen. Und deshalb ist diese Bereitung des Bodens der Beziehungen von ausschlaggebender Bedeutung.
Interview: Mario Galgano
(vatican news)
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