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Mons. Robert Vitillo Mons. Robert Vitillo 

Ukraine: „Der Durchhaltewille der Menschen ist erstaunlich“

Der katholische Priester und Migrationsexperte Robert Vitillo hat die Ukraine besucht – und ist beeindruckt vom Durchhaltewillen der Menschen dort. Das sagte er jetzt in einem Interview mit Radio Vatikan.

Die Kirchen spielten eine herausragende Rolle bei der humanitären Hilfe, so der US-Amerikaner, der seit 2016 Generalsekretär der Internationalen Katholischen Migrations-Kommission (ICMC) in Genf ist. Vitillo rät Helfern dazu, sich auf langfristige Unterstützung für die Ukraine einzustellen – die werde auch nach einem Ende des Krieges bitter nötig sein.

„Der Zweck unseres neuerlichen Besuches bestand darin, unseren kirchlichen Partnern in der Ukraine ein weiteres Mal unsere Solidarität zu zeigen und sie wissen zu lassen, dass wir uns um sie sorgen, dass uns ihre Anliegen am Herzen liegen. Wir wurden begleitet von einem Experten einer US-Hilfsorganisation, der erhob, welche Medikamente derzeit besonders gebraucht werden. Wir waren dadurch imstande, einen Container mit Medikamenten und Arzt- oder Pflegematerial im Wert von einer Million Dollar zu füllen, der bald die USA in Richtung Ukraine verlassen wird. Um dieses Material in der Ukraine zu verteilen, arbeiten wir mit den ukrainischen Kolumbusrittern zusammen. Das geht an katholische wie an staatliche Krankenhäuser.“

300 frisch ausgehobene Gräber in Lviv

Vitillo hat früher für die internationale Caritas gearbeitet; er kann beredt von den Leiden der Menschen in der Ukraine berichten.

Grab auf einem Lemberger Friedhof, am 18. März
Grab auf einem Lemberger Friedhof, am 18. März

„Einer meiner ersten Wege führte mich auf den Friedhof von Lviv (Lemberg), wo ich dreihundert neue Gräber von gefallenen Soldaten sah. Das war eine sehr bedrückende und schwierige Erfahrung für uns; wir dachten an die Familien der Gefallenen – so viele Menschen, die diese Verluste beweinen. Das sind auch schwerwiegende Verluste für die ukrainische Gesellschaft, denn bei den Gefallenen handelt es sich in erster Linie um junge Männer, die eigentlich für den Aufbau der ukrainischen Gesellschaft gebraucht würden.“

Trauma-Training für angehende Priester

Vitillo und die ihn Begleitenden führten auch Gespräche im griechisch-katholischen Priesterseminar von Lviv (Lemberg). Sein Verband legt dort ein Trainingsprogramm für mentale Gesundheit und psychologische Hilfe auf. Es soll Priesteramtskandidaten zu Multiplikatoren bei der psychologischen Betreuung von Menschen machen – zunächst in Lemberg, später in allen Priesterseminaren in der Ukraine, den griechisch- wie den römisch-katholischen.

Nach einem russischen Drohnenangriff auf eine Stadt im Großraum Kyiv am 22. März
Nach einem russischen Drohnenangriff auf eine Stadt im Großraum Kyiv am 22. März

„Das Training soll den künftigen Priestern helfen, sensibel zu werden für die emotionalen Bedürfnisse der Menschen – speziell derer, die von dem furchtbaren Krieg in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn viele Menschen in der Ukraine gehen bei Schwierigkeiten als erstes zum Priester; sie vertrauen den Priestern und reden mit ihnen über ihre spirituellen Fragen, doch da spielen oft psychologische Probleme oder auch Kriegstraumata mit hinein.“

„Es hat mich tief bewegt, wie motiviert die Seminaristen waren, wie sehr sie den Leuten zuhörten“

Die Seminaristen sollten mit den Menschen über ihre psychischen Schwierigkeiten sprechen, aber auch unterscheiden können, wann sie jemanden besser zu einem Psychologen weiterschicken sollten.

„Ich war bei einer dieser Trainingsstunden dabei, und es hat mich tief bewegt, wie motiviert die Seminaristen waren, wie sehr sie den Leuten zuhörten. Aber auch, wie zögerlich und ängstlich sie waren, weil sie die Probleme der Menschen nicht noch schlimmer machen wollen. Wir hatten lange Gespräche darüber, wie man am besten auf die Probleme der Menschen eingeht und wie man auf sie aufmerksam wird, aber auch, wann man die Leute zu einem Spezialisten weiterschicken sollte.“

Roberto Vitillo von der Internationalen Katholischen Migrations-Kommission über seinen Besuch in der Ukraine - Interview von Radio Vatikan

Jetzt schon auf ein Ende des Kriegs vorbereitet sein

Trauma-Behandlung und psychologische Hilfe finanziert die Internationale Katholische Migrations-Kommission auch für Soldaten – und zwar in Wochenend-Kursen, bei deren Durchführung die ukrainischen Kolumbus-Ritter helfen. Natürlich weiß auch der Monsignore aus Genf, dass die von ihm mit angeschobene Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann, zumal der Krieg ja noch andauert. Doch er sagt:

Chasiw in der östlichen Ukraine, Anfang Januar
Chasiw in der östlichen Ukraine, Anfang Januar

„Wir müssen vorbereitet sein – wir wollen, dass es schnell zum Frieden kommt! Aber wenn nicht, dann müssen wir davon ausgehen, dass der emotionale Druck auf die Menschen in der Ukraine weiter steigt. Darum ist es wichtig, dass die Priester darauf eingerichtet sind, mit solchen Problemen umzugehen.“

Zeichen der Hoffnung

Er habe in der Ukraine trotz allem auch einige „Zeichen der Hoffnung“ bemerkt.

„Wir haben gesehen, dass viele Menschen sich für die, die Hilfe brauchen, stark engagieren. Sogar die, die selbst Hilfe brauchen, helfen anderen! Ich war in vielen Pfarreien, wo Beratungs- und Hilfs-Sprechstunden angeboten werden, und ich habe gesehen, wie die Leute in den Pfarreien Nahrung, Kleidung, Medikamente oder Hygienartikel sammeln für die, die nach einem Raketenangriff obdachlos geworden sind. Aber auch solche, die selbst obdachlos geworden waren, halfen mit für andere! Ich sehe das als ein Zeichen der Hoffnung, der inneren Stärke. Diese Menschen arbeiten schon aktiv daran mit, den Krieg zu beenden und darüber hinauszusehen, in eine Zukunft nach dem Krieg. Mit diesem Geist werden sie das Land sogar besser aufbauen, als es war, bevor es angegriffen wurde…“

„Nur Gott kann uns aus dieser Lage heraushelfen!“

Wie man den Menschen in der Ukraine am besten helfen kann? Auf diese Frage antwortet Vitillo genauso, wie das üblicherweise auch Kirchenleute aus der Ukraine selbst tun. Sie wollen in erster Linie Gebet.

Betende Frau in Lemberg, Ende Januar
Betende Frau in Lemberg, Ende Januar

„Nur Gott kann uns aus dieser Lage heraushelfen! Wir brauchen also das Beten – auch darum, dass die Leute ihre Kräfte und ihre Fähigkeit zum Durchhalten bewahren. Wobei die Durchhaltekraft der Ukrainer wirklich erstaunlich ist… Außerdem bitte ich darum, die laufenden Anstrengungen nach Möglichkeit zu unterstützen. Die katholische Kirche in der Ukraine ist sehr gut aufgestellt und leistet großartige Hilfe, aber sie braucht natürlich Geld, um Gehälter zu zahlen oder Dinge, die es in der Ukraine nicht gibt, aus dem Ausland einzuführen. Es geht aber drittens auch darum, den Menschen dort konkret zu zeigen, dass wir an sie denken. Viele Leute haben sich während meines Besuches für die Solidarität aus der Weltkirche bedankt.“

Die Internationale Katholische Migrations-Kommission (ICMC) wurde 1951 gegründet. Sie hat beratenden Status beim UNO-Rat für wirtschaftliche und soziale Belange.

(vatican news – sk)
 

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27. März 2023, 12:57