Papst spornt Kinderschutzkommission zu weiteren Anstrengungen an
„Dass wir versäumt haben, das zu tun, was wir hätten tun sollen, insbesondere seitens der Kirchenleitung, hat viele entsetzt, und in den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für dieses Problem in der gesamten christlichen Gemeinschaft verbreitet“, so der Papst zu seinen Gästen, die in den vergangenen Tagen zu ihrer Vollversammlung zusammengekommen waren. Niemand könne heute „aufrichtig sagen, er sei von der Realität des sexuellen Missbrauchs in der Kirche unberührt“, eines Übels, das die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Vertreter untergrabe und der Glaubensverkündigung entgegenwirke: „Das Versäumnis, richtig zu handeln, um diesem Übel Einhalt zu gebieten und den Opfern zu helfen, hat unser Zeugnis der Liebe Gottes entstellt.“
Sehr reale „Unterlassungssünden“
Dabei gelte es nicht nur Vergebung für das „Unrecht, das wir getan haben“ zu erbitten, sondern auch für „das Gute, das wir unterlassen haben“: „Es ist leicht, die Unterlassungssünden zu vergessen, weil sie in gewisser Weise weniger real erscheinen; aber sie sind sehr real und schaden der Gemeinschaft genauso wie andere, wenn nicht sogar noch mehr“, so der Papst mit Blick auf die Versäumnisse der Kirchenleitung, Missbrauchsfälle angemessen zu ahnden.
Erstes Treffen seit Neuausrichtung
Es handelte sich um das erste Treffen der Kommission mit dem Papst, seit im September 2022 zehn neue Mitglieder berufen wurden und seit der Ansiedelung der Kommission im Dikasterium für die Glaubenslehre. Man sehe, dass die „Saat“ aufgehe, die vor etwa zehn Jahren mit der Einrichtung der Kommission gesät wurde, zeigte sich der Papst zufrieden mit der Arbeit der von ihm geförderten Institution.
Mit „Freude“ habe er auch von der jüngst beschlossenen Kooperation mit dem Dikasterium für die Evangelisierung erfahren, das in weit entfernten Teilen der Welt aktiv sei, so der Papst, der in diesem Zusammenhang auch die Tatsache würdigte, dass es Pläne dafür gebe, die Ungleichheiten in Sachen Kinderschutz auf Weltebene anzugehen:
„Es kann nicht sein, dass die wohlhabendsten Regionen der Welt auf gut ausgebildete und gut finanzierte Schutzprogramme zählen können, in denen die Opfer und ihre Familien respektiert werden, während die Menschen in anderen Teilen der Welt im Stillen leiden, vielleicht abgelehnt oder stigmatisiert werden, wenn sie versuchen, sich zu melden, um über den erlittenen Missbrauch zu berichten. Auch in diesem Bereich muss die Kirche danach streben, ein Beispiel für Gastfreundschaft und gutes Verhalten zu sein.“
Ein jährlicher Bericht
Er erwarte sich einen jährlichen Bericht darüber, „was gut funktioniert und was nicht funktioniert, um die entsprechenden Änderungen zu verfügen“, so das Kirchenoberhaupt. Die bevorstehenden Herausforderungen gelte es „mit Weisheit und Mut“ anzugehen, ohne die Vergangenheit zu vergessen:
„In den letzten zehn Jahren haben wir alle viel gelernt, auch ich!“, räumt Franziskus unumwunden ein. Beim „sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche“ und der „schlechten Aufarbeitung durch Kirchenführer“ handele es sich um „eine der größten Herausforderungen für die Kirche in unserer Zeit“, so der Papst. Viele von ihnen hätten ihr Leben dem Kampf gegen Missbrauch gewidmet, würdigte Franziskus die Arbeit der Kommissionsmitglieder, von denen einige selbst Überlebende von sexuellem Missbrauch durch Kirchenangehörige sind. Seitens der Kirche verwies Franziskus darauf, dass die im Motu Proprio Vos estis lux mundi festgehaltenen und jüngst nachgeschärften Prinzipien mittlerweile unbefristet in Kraft getreten seien.
Drei Prinzipien
Den Kommissionsmitgliedern wolle er für ihre weitere Arbeit, die vor allem nach einer „Spiritualität der Heilung“ erfolgen müsse, drei Prinzipien mit auf den Weg geben, so Franziskus weiter. Dies sei einerseits das Prinzip der Hoffnung.
„Erstens: Wo das Leben verwundet wurde, sind wir aufgerufen, uns an die schöpferische Kraft Gottes zu erinnern, die aus Verzweiflung Hoffnung und aus dem Tod Leben hervorbringt. Das schreckliche Gefühl des Verlustes, das so viele Menschen aufgrund von Missbrauch empfinden, kann manchmal zu viel erscheinen, um es zu ertragen.“
Dabei seien auch die Kirchenleute nicht ausgenommen, die sich für ihre „Untätigkeit schämen“ und deren „Fähigkeit, das Evangelium zu verkünden“, verletzt worden sei.
„Auch wenn der Weg, der vor Ihnen liegt, mühsam und anstrengend ist, bitte ich Sie, nicht stehen zu bleiben, sich weiter zu engagieren und zu versuchen, den Menschen, denen Sie begegnen und die dieses gemeinsame Anliegen mit Ihnen teilen, Vertrauen einzuflößen. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es scheint, dass sich wenig zum Besseren wendet. Bleiben Sie hartnäckig, gehen Sie voran!”
Die Wunden, die der sexuelle Missbrauch geschlagen habe, beschränkten sich lange nicht nur auf die Realität der Kirche, gab Franziskus weiter zu bedenken. Menschen, die durch Missbrauch betroffen seien, trügen diese Verletzungen bis in ihr hohes Alter mit sich, die persönlichen und familiären Beziehungen litten das ganze Leben darunter, merkte er weiter an.
„Die Gemeinschaften werden zerrüttet; die heimtückische Natur des Missbrauchs zerbricht und spaltet die Menschen, in ihren Herzen und untereinander. Doch unser Leben ist nicht dazu bestimmt, gespalten zu bleiben”, so die Einladung des Papstes, auch hier in der Hoffnung und in der konkreten Aktion einen Weg der Heilung zu finden. „Wo also das Leben zerbrochen ist, bitte ich Sie, konkret dazu beizutragen, die Scherben wieder zusammenzufügen, in der Hoffnung, dass das, was zerbrochen ist, wieder zusammengefügt werden kann.“
Er selbst habe erst kürzlich eine Gruppe von Missbrauchsüberlebenden getroffen und dabei wieder selbst erlebt, wie tiefe Schatten der erlittene Missbrauch über das gesamte Leben werfen kann, so Franziskus weiter. Sie wollten angehört und anerkannt werden, „nicht nur mit dem erlebten Bösen abschließen, sondern auch mit den Fragen, die sie seitdem in sich getragen hatten.“ Es sei den alten Menschen darum gegangen, die letzten Jahre „in Frieden“ zu verbringen: „Die Reparatur des zerrissenen Gefüges der Geschichte ist ein erlösender Akt“, betonte Franziskus.
Respekt und Freundlichkeit
„Drittens fordere ich Sie auf, in Ihrem Inneren den Respekt und die Freundlichkeit Gottes zu kultivieren“, kam er zum letzten der Prinzipien, die er den Mitgliedern der Kinderschutzkommission ans Herz legen wollte. Sie müssten auf „delikate” Weise handeln und die Last des anderen tragen, „ohne euch zu beklagen, aber in Gedanken daran, dass dieser Moment der Heilung für die Kirche einem anderen Moment der Heilsgeschichte Platz machen wird“:
„Jetzt ist es an der Zeit, den Schaden zu beheben, der den Generationen vor uns und denen, die noch immer leiden, zugefügt wurde“, ermunterte der Papst seine Gäste, in ihrem Einsatz nicht nachzulassen.
Insbesondere ihre Arbeit auf der Ebene der Ortskirchen zur Umsetzung der Safeguarding-Richtlinien und Standards hob Franziskus zum Abschluss seiner Ansprache hervor:
„Die Grundsätze der Achtung der Würde aller Menschen, des guten Benehmens und eines gesunden Lebensstils müssen zu einer allgemeinen Norm werden, unabhängig von der Kultur und der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Menschen.“ Diese müssten „alle Diener der Kirche“ im Dienst an den Gläubigen „vorleben“, während die Gläubigen erwarten müssten, von den Glaubensführern „mit Respekt und Würde“ behandelt zu werden: „Denn eine Kultur des Schutzes kann nur dann entstehen, wenn es unter den Verantwortlichen eine pastorale Umkehr in diese Richtung gibt.“
Viele Themen bei der Vollversammlung
Die Mitglieder der Kinderschutzkommission, ebenso wie externe Berater und Mitarbeiter, waren im Rahmen ihrer aktuellen Vollversammlung vom 3.-6. Mai an diesem Freitag beim Papst. Wie der Präsident der Kinderschutzkommission, Kardinal O’Malley, hervorhob, sei das Netzwerk der weltweit tätigen „Safeguarding-Apostel“ im Wachsen begriffen und damit auch die Einsatzfähigkeit der Kinderschutzkommission auf dem Level der Ortskirchen gestiegen.
Vermögendere Bischofskonferenzen hätten die Einrichtung von Safeguarding-Strukturen in ärmeren Teilen der Welt gefördert, auch habe eine großzügige Spende einer US-Familien-Organisation die Einstellung zusätzlicher externer Mitarbeiter ermöglicht, berichtete O’Malley bei dem Treffen mit dem Papst. Außerdem würden in Kürze die aktualisierten Richtlinien zum Schutz von Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen an die gesamte Weltkirche gehen, kündigte O‘Malley an, der seit Einrichtung der Kommission auf Empfehlung des Kardinalsrates deren Vorsitz innehat.
Seit Inkrafttreten der Kurienreform am 5. Juni 2022 ist die Kinderschutzkommission ins Glaubensdikasterium integriert, kürzlich hat sie auch neue Räume außerhalb der Vatikanmauern bezogen.
(vatican news - cs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.