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Kardinal Kurt Koch Kardinal Kurt Koch 

Kurienkardinal Koch: Papst setzt auf praktische Ökumene

Papst Franziskus legt im Bemühen um die Einheit der Christen den Akzent mehr auf die praktische Ökumene. Darauf hat der vatikanische Ökumene-Beauftragte Kardinal Kurt Koch im Gespräch mit österreichischen Medienvertretern in Rom hingewiesen. „Miteinander auf dem Weg sein, miteinander beten und miteinander arbeiten“: Das sei die Formel von Franziskus.

Wie Franziskus hätten alle Päpste seit der Zeit des Vatikanischen Konzils (1962-65) ein „offenes Herz für den ökumenischen Dialog“ gehabt. Hier gebe es einen „großartige Kontinuität“, sagte Koch, der seit 2010 das Kurien-Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen leitet. Verschieden seien freilich die Akzente der Päpste im Ökumene-Bereich.

Eine besondere Dimension und wichtiges Element bei Papst Franziskus sei die „Ökumene der Märtyrer“, so der Schweizer Kurienkardinal. „Er sagt, die Märtyrer haben die Einheit schon gefunden. Denn die Christen werden heute ja nicht verfolgt, weil sie Orthodoxe, Lutheraner oder Katholiken sind, sondern weil sie Christen sind. Und deshalb ist das Blut, das Christen vergießen, nicht etwas, was trennt, sondern etwas, das eint.“

Zum Nachhören - was Kardinal Koch sagt

„Wenn die Christenverfolger uns vereinen im Blut, wie kommen wir Christen dann dazu, uns im Alltag nach wie vor zu trennen?“: Diese provokante Frage habe Franziskus einmal gestellt, erinnerte Koch. Zur praktizierten Ökumene der Märtyrer habe der Papst zuletzt etwa bei einer Begegnung mit dem koptisch-orthodoxen Patriarchen Tawadros II. im Mai im Vatikan ein Zeichen gesetzt. Damals kündigte Franziskus an, dass die 21 koptischen Märtyrer, die im Februar 2015 von Terroristen des „Islamischen Staates“ in Libyen ermordet worden waren, als Zeichen der geistlichen Verbindung beider Kirchen in das katholische Märtyrerverzeichnis aufgenommen werden.

Ziel der Einheit nicht aufgegeben

In dem Gespräch im Einheitsdikasterium äußerte sich Kardinal Koch vor den anwesenden Medienvertretern über die Arbeit der vatikanische Ökumene-Behörde und die Herausforderungen der Ökumene in Ost und West. Über die vergangenen Jahrzehnte habe sich gezeigt, dass der am Beginn der ökumenischen Bewegung vorhandene Traum von einer sehr raschen Einheit der Kirche auf universaler Ebene nicht erreicht wurde.

„Mit den Reformationskirchen sind wir 500 Jahre auseinander, mit den orientalischen Kirchen 1.500 Jahre - und das in so kurzer Zeit wieder ins Lot zu bringen, das war vielleicht eine zu große Illusion“, meinte der Kurienkardinal. Nichtsdestotrotz dürfe das Ziel der Einheit nicht aufgegeben, werden. „Wir müssen vielmehr darum ringen, dass wir einen Konsens finden in dieser Zielbestimmung und Wege daraufhin gehen können.“

„Großer Schmerz“ über Spaltung in Orthodoxie

Koch sagte, man sehe derzeit „mit großem Schmerz“, wie der Krieg in der Ukraine die Orthodoxie spalte. Die sei auch eine Schwierigkeit für die Ökumene. „Wir wollen die Einheit mit der orthodoxen Kirche wiederfinden, und sie selber befindet sich in einer großen Spannung und Spaltung.“

Die katholische Kirche müsse in dieser Situation sehr vorsichtig sein, so der vatikanische Ökumene-Beauftragte: „Wir können uns nicht einmischen in diese Spaltung, müssen also irgendwie neutral sein. Aber Neutralität heißt nicht Indifferenz, sondern alles tun, was wir können, damit sie untereinander den Weg wieder finden können.“

Herausforderungen für die West-Ökumene

In der West-Ökumene - der Bereich, in dem die katholische Kirche rund zwölf verschiedenen Dialoge mit allen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften führt - gebe es zwar bereits Konsens in vielen Fragen, nicht jedoch zum eigentlichen Ziel der Ökumene, erklärte Koch. Jede Kirche habe eine klare Vorstellung von ihrem Kirchesein und der Einheit in der Kirche und sei bestrebt, das auf die Ebene des Zieles zu übertragen. „Wir haben so viele ökumenische Zielvorstellungen, wie wir konfessionelle Ekklesiologien (Lehren über die Kirche, Anm.) haben. Deshalb scheint es mir wichtig, dass man heute die Diskussion darauf konzentriert, dass wir uns darüber austauschen, was denn eigentlich Kirche ist.“

Als zweite große Herausforderung für die West-Ökumene nannte Koch Spaltungen auf ethischen Gebieten als ein neues Phänomen. „In der ökumenischen Bewegung der 1980er Jahre hieß das Leitmotiv 'Glaube trennt, Handeln eint'. Heute müssen wir fast das Gegenteil sagen“, merkte der Präfekt des Einheitsdikasteriums an. Die Spannungen im Bereich Ethik beträfen dabei den Bereich „Ehe, Familie, Sexualität, Gender“ zum einen, sowie Bioethik und Fragen am Beginn und am Ende des menschlichen Lebens. Es sei wichtig, sich darüber zu verständigen, hielt Koch fest: „Denn wenn die christlichen Kirchen in Europa zu den grundlegenden Fragen des menschlichen Lebens und des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht glaubwürdig mit einer Stimme sprechen können, wird die christliche Stimme in den säkularisierten Gesellschaften Europas immer schwächer. Und das hilft gewiss nicht der Ökumene.“

Pentekostalisierung der ökumenischen Situation

Das rasante Anwachsen der evangelikalen, pentekostalischen Bewegung nannte der Kardinal als dritte Herausforderung. So müsse man von einer „Pentekostalisierung der ökumenischen Situation“ reden oder auch von einer vierten Form des kirchlichen Seins: orthodox, katholisch, protestantisch, pentekostalisch.

„Wir führen einen Dialog mit allen, aber natürlich nur mit solchen, die einen wollen“, sagte Koch über die Pentekostalen. Nicht wenige von diesen seien proselytisch, wollten also Mitglieder von anderen Kirchen - katholischen, aber auch historischen protestantischen - abziehen. Ein Vorteil sei, dass der Papst die pentekostalischen Bewegungen sehr gut kenne und immer wieder Repräsentanten zu ganz persönlichen Begegnungen jenseits aller Öffentlichkeit einlade, erklärte der Kardinal. „Das öffnet die Tore wieder für weiteren Dialog.“

(kap – mg)

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01. Juli 2023, 11:13