„Segnungen: Eine pastorale Weiterentwicklung“
Die Wortmeldung des früheren UDC-Parteichefs, Ministers und Europa-Abgeordneten ist von Gewicht, weil er als Vertrauter des hl. Papstes Johannes Paul II. (1978-2005) galt. Buttiglione verfasste seinen Beitrag für die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“, die ihn an diesem Mittwochnachmittag veröffentlichte.
Die Erklärung „Fiducia supplicans“ des Dikasteriums für die Glaubenslehre stellt eine authentische pastorale Entwicklung dar, die fest in der Tradition der Kirche und ihrer Moraltheologie verankert ist. Der Kardinalpräfekt des Dikasteriums, Víctor Manuel Fernández, stellt der Erklärung klugerweise eine kurze Präsentation voran, in der er unter anderem erklärt, was die Erklärung nicht ist: Sie ist kein grünes Licht für die „“, und sie ist keine Änderung der kirchlichen Lehre, dass sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe sündhaft sind. Ändert sich also nichts? Doch, es ändert sich sehr viel, es ist fast eine Revolution. In der Geschichte der Kirche ist jede echte Revolution aber auch gleichzeitig eine Rückkehr zum Ursprung, zur missionarischen Gegenwart Christi in der menschlichen Geschichte.
Die Ausgangssituation, die die Erklärung vor Augen hat, ist die eines „irregulären“ Paares, das um einen Segen bittet. Um Missverständnissen vorzubeugen, stellen wir uns doch einmal vor, dass sie nicht einen Priester, sondern ihre Eltern darum bitten. Würden Sie diesen Segen geben? Ich würde es tun. Ich würde nicht die sexuellen Beziehungen segnen, aber doch die gegenseitige Sorge füreinander, die Unterstützung, die sie einander im Leben geben, den Trost, den sie einander im Leben spenden, den Beistand in der Trauer und die Kameradschaft im Angesicht von Schwierigkeiten. Liebe ist nie falsch, Sex manchmal schon. Im Leben dieses Paares sind Gut und Böse so eng miteinander verwoben, dass es nicht möglich ist, sie mit einem sauberen Schnitt zu trennen. Wäre eine meiner Töchter in einer solchen Situation, würde ich sie segnen und sicherlich zu Gott beten, dass er das Gute und das Schlechte in dieser Beziehung voneinander scheide, auf dass sie zu einer Etappe auf dem Weg zur Wahrheit werde. Gott schreibt gerade auf krumme Linien. Ich glaube, dass jeder Vater das Gleiche tun würde, und ich sehe nicht, wie ein Priester, wenn er wirklich ein väterliches Herz für die Mitglieder seiner Gemeinde hat, anders handeln könnte.
Aber natürlich besteht durchaus die Gefahr, einen Skandal heraufzubeschwören. Es besteht die Gefahr, dass im gläubigen Volk Gottes gerade die Ärmeren und Schwächeren in die Irre geführt werden und nicht mehr verstehen, was die Ehe ist und warum Sex außerhalb der Ehe falsch ist. Das ist ein reales Problem, das nicht unterschätzt werden sollte; genau aus diesem Grund sah Kardinal Fernández sich dazu veranlasst, ein paar Vorbemerkungen vorauszuschicken. Natürlich wäre es einfacher, mit diesem Problem umzugehen, wenn es keine Beobachter gäbe, die die Dinge kommentieren und dabei, anstatt Klarheit zu schaffen, Verwirrung und Misstrauen stiften. Wenn alle Schafe der Herde in Sicherheit sind, braucht der Hirte nur die Tür zum Stall gegen die Wölfe zu verteidigen. Aber wenn viele Schafe draußen sind und sich verirrt haben, muss er sich aufmachen und sie suchen, und das bringt Risiken und Gefahren mit sich. Die Erklärung ist eine Antwort auf eine spezifische pastorale Dringlichkeit unserer Zeit.
Wer um einen Segen bittet, weiß in diesem Fall, dass er etwas tut, das die Kirche nicht gutheißt, ja verbietet. Aber er will nichtsdestoweniger eine Bindung, eine Zugehörigkeit bekräftigen – eine rebellische, aber gleichwohl eine Zugehörigkeit. Soll die Kirche diese Flamme auslöschen oder nicht vielmehr versuchen, sie, soweit möglich, am Leben zu erhalten?
Als ich jung war (vor etwa einem halben Jahrhundert), konnte ich mir diese Situation nicht vorstellen; Homosexuelle fragten damals nicht nach der Ehe, sie wollten nicht heiraten. Sie sahen Ehe und Monogamie als Formen der Unterdrückung durch die bürgerliche Gesellschaft und forderten freien Sex und die Trennung von Sex und Liebe. Besser: Sie hielten Sex für real und Liebe nur für eine Illusion. Ein Umdenken innerhalb der Homosexuellenbewegungen mag mit AIDS begonnen haben (Monogamie ist die beste Verteidigung gegen AIDS), aber es ging weit darüber hinaus. Sex ist nicht einfach eine Art Gymnastik: Er rührt von Natur aus an das Tiefste der menschlichen Person, daher kann er einen regulierenden Kontext gut gebrauchen. Seit einigen Jahren erleben wir die tastende Suche nach einer Neuregelung der sexuellen Beziehungen, ein Umdenken beim Thema Sex innerhalb einer persönlichen Beziehung, ja sogar eine Wiederentdeckung der Liebe. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der „Homo-Ehe“, die an sich inakzeptabel ist (wie Kardinal Fernández klar bestätigt), aber doch hinweist auf ein Unbehagen und eine Suche, auf die die Kirche eine angemessene Antwort geben muss.
Auf der Synode ist die Besorgnis verschiedener nationaler Ortskirchen angesichts dieser Phänomene deutlich geworden; es kam zu einer Konfrontation, in der jeder seine Argumente klar darlegen konnte, und zu dem Bemühen, jenseits von ideologischen Gegensätzen auf den Geist zu hören und zu unterscheiden, was von ihm kommt und was stattdessen vom Bösen kommt. Diese Erklärung bietet eine erste Antwort, die sowohl mit der Tradition übereinstimmt als auch offen für das Neue ist.
(vatican news – sk)
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