Venedig: „Biennale Musica“ sucht junge Talente

Marcello Filotei - Vatikanstadt

Manchmal gibt es in Konzertsälen Leute, die es als lästig empfinden, das literarische Programm einer symphonischen Dichtung von Franz Liszt oder Richard Strauss zu lesen, bevor der Dirigent das Podium betritt, um den Takt zu geben. Andere wollen, dass das Licht im Saal ausgeschaltet wird, um sich zu konzentrieren, auch wenn sie einen Liederzyklus in einer unbekannten Sprache hören, von dem die Veranstalter eine Übersetzung des Autors in Umlauf gebracht haben, die im Dunkeln von niemandem gelesen werden kann. Dann gibt es diejenigen, die in die Oper gehen, ohne die Handlung von La Traviata zu kennen, und sich dann beschweren, weil sie den Text nicht verstehen können. Vorneweg: wenn die Protagonistin im ersten Akt hustet, stirbt sie fast immer im dritten Akt an Schwindsucht. Man könnte diese Zuhörer als hoffnungslos faul abtun, aber in Wirklichkeit treffen sie, ob sie es wissen oder nicht, eine sehr wichtige ästhetische Entscheidung. In der Praxis befassen sie sich mit einer der Fragen, über die sich „Philosophen und Dichter“ den Kopf zerbrochen haben, wie den alten Zimarra aus Giacomo Puccinis Bohème.

Worte sind nicht nötig

Wie Carl Dahlhaus, ein großer deutscher Musikwissenschaftler, dessen Arbeit wir seit 1989 vermissen, viel besser und präziser erklärt, sagen diejenigen, die sich nicht um den Text kümmern, dass der Klang für sich selbst spricht. Oder besser gesagt, er spricht nicht, aber er sagt. Er beruft sich gewissermaßen auf das, was Wagner 1846 erstmals als „absolute Musik“ bezeichnete, also auf Stücke, die unabhängig von jedem möglichen außermusikalischen Gebrauch geschrieben wurden. Wenn wir die Bedeutung der Worte außer Acht lassen, weil wir sie nicht verstehen, dann konzentrieren wir uns auf die Bedeutung, die die Musik in sich selbst findet, ohne auf eine verständliche Sprache „angewiesen“ zu sein. Wenn der Text da ist, gibt es natürlich einen Grund dafür. Und wenn man ihn ignoriert, verpasst man einen Teil des Vergnügens. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Frage offen bleibt.

Absolute Musik

Vielleicht ist das auch der Grund, warum sich die nächste Musikbiennale in Venedig der absoluten Musik widmen wird. Die künstlerische Leiterin, Lucia Ronchetti, will sich aber nicht auf die fundierte Meinung der international anerkannten großen Meister beschränken, sondern auch junge Menschen aus aller Welt an diesem Thema messen lassen. Aber wirklich aus der ganzen Welt, nicht nur aus den Ländern, die leichten und sofortigen Zugang zu Informationen und damit auch zu den Ausschreibungen haben.

Aus diesem Grund hat sie eine Kampagne gestartet, um überall bekannt zu machen, dass fünf Komponisten und sechs Interpreten unter 30 Jahren für ein Aufenthalts-, Forschungs- und Produktionsprogramm mit neuen Werken und Aufführungen ausgewählt werden. Die Werke werden im Rahmen des 68. Internationalen Festivals für zeitgenössische Musik der Biennale Venedig unter dem Titel Absolute Music vom 26. September bis 10. Oktober 2024 uraufgeführt. Der Rahmen ist der des Biennale College Musica, das die Autoren der ausgewählten Projekte mit international renommierten Dozenten zusammenbringt. Jungen Menschen eine Chance zu geben, ist wichtig. Jede und jeder kann teilnehmen, indem sie oder er auf diesen Link klickt: https://www.labiennale.org/en/news/biennale-college-musica-2024-call-applications-composers-or-performers

(vatican news - mg)