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Die Kinderschutz-Expertin Emilie Rivet-Duval Die Kinderschutz-Expertin Emilie Rivet-Duval 

„Kinderschutz kommt nicht von selbst“

Vor fünf Jahren, vom 21. bis 24. Februar 2019, fand im Vatikan auf Wunsch von Papst Franziskus ein neuartiger Gipfel statt: Die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen aus der ganzen Welt kamen zusammen, um über den Schutz von Minderjährigen in der Kirche nachzudenken.

Der Papst prangerte die „Ungeheuerlichkeit“ des Missbrauchs an und stellte bald darauf in einem Motu Proprio, „Vos Estis Lux Mundi“, neue Regeln auf, die insbesondere Bischöfe und Ordensobere dazu verpflichten, Missbrauchsfälle zu melden.

„Soweit ich das beobachten konnte, denke ich, dass es in einigen Ländern und Bischofskonferenzen den Willen gibt, in Sachen Kinderschutz Fortschritte zu machen, sich herausfordern zu lassen und gute Reflexe in Bezug auf die Kultur des Schutzes anzunehmen.“ Das sagt Emilie Rivet-Duval fünf Jahre nach dem Gipfel von Rom in einem Interview mit Radio Vatikan. Die klinische Psychologin aus dem Bistum Port-Louis auf der Insel Mauritius gehört seit September 2022 zur Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen.

„Womit soll man anfangen?“

„Was ich oft beobachte und höre, sind die fehlenden Ressourcen - mal menschliche, mal finanzielle. Und manchmal fehlt es auch an Sichtbarkeit und Begleitung, um die vielen Fragen zu beantworten: Wie kann man die Sicherung des Schutzes von Minderjährigen genau umsetzen? Womit soll man anfangen? Es muss noch viel Aufklärungsarbeit bei den Familien, bei Eltern und Lehrern geleistet werden, denn diese Frage ist für viele immer noch ein Tabuthema, über das nicht gesprochen wird.“


Konkrete Maßnahmen und bewährte Praktiken

Rivet-Duval sieht ihre Arbeit in der Anti-Missbrauchs-Kommission des Vatikans vor allem als Service für die Ortskirchen draußen in der Welt. „Ich glaube, dass das Ziel der Kommission unter anderem darin besteht, präsent zu sein und zu versuchen, unsere Unterstützung und unser Fachwissen einzubringen, um die verschiedenen Länder und Diözesen zu beraten und zu begleiten, indem wir auf konkrete Maßnahmen und bewährte Praktiken hinweisen. Und indem wir versuchen, die Experten in diesem Bereich zusammenzubringen, damit es universelle Maßnahmen gibt, die langfristig wirksam und effizient sind.“

Frau Rivet-Duval weist auch auf das Phänomen der Pädokriminalität in sozialen Netzwerken hin: Dieses Thema wolle die vatikanische Kommission verstärkt in den Fokus nehmen. Sie treffe, wenn sie mit Menschen spricht, auf viel Unsicherheit und Fragen rund um Missbrauch und Kinderschutz.

Gegen eine Kultur des Schweigens

„Ja, die Menschen spüren einen Mangel an Informationen darüber, was genau ein sexueller Übergriff ist, wie die vielfältigen und schwerwiegenden Folgen für die Kinder aussehen, wie Pädokriminelle vorgehen… All dies ist ein Teil der Kultur des Schweigens. Ein weiterer Aspekt, der wichtig ist, besteht darin, die Stimme der Opfer erklingen zu lassen. Die Menschen müssen sich immer noch von den Aussagen, vom Leid der Betroffenen berühren lassen. Wer könnte besser als ein Überlebender, der seine Geschichte erzählt, die Herzen der Menschen berühren, um die richtigen Reflexe und Praktiken zu entwickeln, um sexuelle Übergriffe auf Minderjährige zu verhindern?“

Beim Kinderschutz-Gipfel im Vatikan vor fünf Jahren
Beim Kinderschutz-Gipfel im Vatikan vor fünf Jahren

Die Realität in jedem Land und jedem Bistum begreifen, dauert Zeit

Zweimal im Jahr treffen sich die Mitglieder der vatikanischen Kinderschutz-Kommission zu Plenarbesprechungen im Vatikan; auf regionaler Ebene hingegen setzt man sich, wie Frau Rivet-Duval berichtet, einmal im Monat zusammen. Innerhalb Afrikas versuchten die kirchlichen Kinderschützer, die Realität in jedem Land und jedem Bistum zu begreifen; das brauche seine Zeit. Aber man wolle daraus dann ja auch Maßnahmen entwickeln, die auf jede Realität passen. Rivet-Duval setzt vor allem auf die Hilfe der Bischofskonferenzen in den einzelnen Ländern.

„Eine unserer Initiativen wurde vor kurzem zusammen mit den Bischofskonferenzen durchgeführt. Wir haben französischsprachige afrikanische Länder, die Inseln des Indischen Ozeans und Haiti zu einem Seminar über die Kultur des Schutzes nach Mauritius in die Diözese Port-Louis eingeladen. Acht Länder, darunter Kongo, Elfenbeinküste, Ruanda, Togo, Zentralafrikanische Republik und Kamerun, sowie Vertreter der Inseln des Indischen Ozeans, darunter Madagaskar, La Réunion, die Seychellen und die Komoren. Wir haben diese Länder eine Woche lang für das Thema sexuelle Übergriffe sensibilisiert und auch für die Frage der Kultur und des Schutzes. Wir hatten 21 Personen aus diesen Ländern zu Gast, und ich muss sagen, dass wir eine äußerst ergiebige Woche hatten.“

Radio Vatikan: Interview mit einer kirchlichen Kinderschützerin aus Afrika

Es fehlt an Studien

Eine der größten Herausforderungen besteht aus der Sicht der Kinderschützerin darin, über die Bischofskonferenzen wirklich an jeden einzelnen Bischof heranzukommen, um ihm klarzumachen, wie wichtig eine Kultur des Kinderschutzes ist. Als großes Manko beschreibt sie das Fehlen wissenschaftlicher Studien zum Thema Missbrauch und Kinderschutz im afrikanischen kirchlichen Kontext. „In Mauritius zum Beispiel werden nur die Fälle gezählt, die gemeldet werden. Es gibt jedoch sehr viele Fälle, die nicht gemeldet werden, aufgrund der Qualität der Schutzeinrichtungen, der Gesetze, des Tabus in den Familien und der Schwierigkeit, etwas bis zur Justiz zu bringen. Wir brauchen auf dieser Ebene mehr Forschung, wir brauchen Bestandsaufnahmen, Situationen von Kindern, die tatsächlich Opfer sind. Wir hoffen, dass wir in einigen Jahren eine Bilanz ziehen und sehen können, wie die einzelnen Fälle behandelt wurden.“

„Wir dürfen nicht warten, um ein Kind zu schützen“

Rivet-Duval sagt, sie wolle daran glauben, „dass das Engagement stärker sein wird als die dunklen Mächte“.

„Wir sind auf dem Weg und ich denke, das Wichtigste ist, dass wir uns nicht zurücklehnen und glauben, dass es schon irgendwie von selbst kommen wird, sondern dass jeder von uns sich auf den Weg macht! Wir dürfen nicht warten, um ein Kind zu schützen. Wir müssen uns alle gemeinsam auf den Weg machen, um uns für seinen Schutz einzusetzen. Jeder von uns kann dort, wo er ist, dazu beitragen, die Kultur des Schutzes und der Begleitung für diese Kinder, die Opfer sind, und für die Familien zu verbessern. Wir dürfen die Familien nicht vergessen, die oft selbst Opfer sind, und das gesamte Umfeld, alle, die das Kind umgeben…“

(vatican news – Françoise Niamien/sk)

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26. Februar 2024, 11:27