Fastenpredigt: Jesus und die Massengesellschaft
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Der Mensch von heute lehnt die Rolle des Schafes und die Idee einer Herde verächtlich ab. Er ist sich jedoch nicht bewusst, wie er in der Realität längst das lebt, was er in der Theorie verurteilt. Eines der offensichtlichsten Phänomene in unserer Gesellschaft ist die Massifizierung. Presse, Fernsehen, Internet, man nennt sie ‚Massenmedien‘ – nicht nur, weil sie die Massen informieren, sondern auch, weil sie sie formen, sie massifizieren.“
Ohne es zu merken, würden wir „von allen möglichen Manipulationen und verdeckten Überredungen“ geleitet, so der Kapuzinerkardinal.
„Einige schaffen Modelle des Wohlbefindens und des Verhaltens, Ideale und Ziele des Fortschritts, und die Menschen übernehmen sie, … konditioniert und geplagt von der Werbung. Wir essen, was man uns sagt, kleiden uns, wie es die Mode vorschreibt, sprechen nach, was wir hören. Wir sind amüsiert, wenn wir einen Film sehen, der in schnellem Tempo abläuft und in dem sich die Menschen ruckartig wie Marionetten bewegen; aber das ist das Bild, das wir von uns selbst hätten, wenn wir uns mit einem weniger oberflächlichen Blick betrachten würden.“
Wenn Jesus sich als „guter Hirte“ bezeichne, dann wolle er uns vor allem sagen, dass wir keine Angst haben sollten: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde“, sage er zum Beispiel im Lukasevangelium (Lk 12, 32). Das sei für unsere Zeit sehr aktuell, denn Angst sei eines der Kennzeichen unserer Epoche.
Mehr als ein halbherziges ‚Nur Mut!‘
„Die Angst ist unsere existenzielle Bedingung; sie begleitet uns von der Kindheit bis zum Tod. Das Kind fürchtet sich vor vielen Dingen; wir nennen sie kindliche Ängste; der Jugendliche fürchtet sich gewissermaßen vor dem anderen Geschlecht und verstrickt sich manchmal in Schüchternheits- und Minderwertigkeitskomplexe. Jesus nennt auch unsere Hauptängste als Erwachsene: Angst vor dem Morgen – ‚was sollen wir essen?‘ (Mt 6,31), Angst vor der Welt und den Mächtigen, - ‚die den Leib töten‘ (Mt 10,28). Zu jeder dieser Ängste spricht er sein: Nolite timere! Dies ist kein leeres, kraftloses Wort, sondern ein wirksames, fast sakramentales Wort. Wie alle Worte Jesu wirkt es, was es bedeutet; es ist nicht wie das halbherzige: ‚Nur Mut!‘, das wir Menschen uns gegenseitig sagen.“
Was keine Wissenschaft geben kann
Psychologie und Psychoanalyse bemühten sich darum, Ängste und Neurosen zu heilen, „indem sie sie analysieren und vom Unterbewussten ins Bewusstsein holen“, fuhr Cantalamessa fort.
„Das Evangelium wendet sich nicht von diesen menschlichen Mitteln ab, ja es ermutigt sie sogar, aber es fügt etwas hinzu, was keine Wissenschaft geben kann. Der heilige Paulus schreibt: ‚Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? … Doch in alldem tragen wir einen glänzenden Sieg davon durch den, der uns geliebt hat‘ (Röm 8,35.37). Die Befreiung liegt hier nicht in einer Idee oder einer Technik, sondern in einer Person! Das ‚Lösungsmittel‘ aller Angst ist Christus, der zu seinen Jüngern sagte: ‚Habt Mut, ich habe die Welt besiegt‘ (Joh 16,33).“
(vatican news)
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