Kardinal O'Malley: „Wir wollen, dass Kinder sicher sind“
Christopher Wells und Christine Seuss - Vatikanstadt
In den zehn Jahren seit ihrer Gründung durch Papst Franziskus ist die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen (PCPM) beträchtlich gewachsen, von einer kleinen Gruppe engagierter Freiwilliger und Mitarbeiter zu einer Gruppe hoch qualifizierter Männer und Frauen, die sich für eine Kultur des Schutzes in der Kirche einsetzen.
„Wir sind sehr gesegnet durch das außergewöhnliche Engagement der Mitglieder der Kommission“, sagte der Präsident der Kommission, Kardinal Seán O'Malley, nach der Audienz der Kommission beim Papst am Donnerstag in einem Interview mit Vatican News. Dabei seien der Einsatz der Laienmitglieder der Kommission, insbesondere der Frauen, sowie die Beiträge der Überlebenden und ihrer Angehörigen enorm wichtig, unterstrich der Bostoner Erzbischof, der von Anbeginn die Kommission leitet.
Viel erreicht
Diese habe in den vergangenen zehn Jahren viel erreicht, zeigte sich O'Malley überzeugt. Unter den wichtigsten Errungenschaften hob er die von der Kommission organisierten Treffen zwischen Papst Franziskus und Missbrauchsopfern, die Empfehlungen zur Rechenschaftspflicht der Bischöfe, die zu Gesetzen wie Come una madre amorevole und Vos estis lux mundi führten, und den Gipfel der Vorsitzenden der Bischofskonferenzen zum Thema Missbrauch in der Kirche hervor.
Darüber hinaus nannte er die laufende Memorare-Initiative, mit der Länder unterstützt werden sollen, die nicht über die für einen wirksamen Schutz erforderlichen personellen und materiellen Ressourcen verfügen. Im Rahmen der Initiative erhalten diese Länder Mittel für die Schutzarbeit, ebenso wie Unterstützung dabei, Personal für die Überprüfung und Ausbildung von Seelsorgern sowie für die Opferpastoral sicherzustellen. Memorare und ähnliche Initiativen zielen darauf ab, Beziehungen zu Bischöfen und Bischofskonferenzen aufzubauen, so dass die Kommission als Partner und nicht als Gegner bei der Förderung einer „Kultur des Schutzes innerhalb der Kirche“ gesehen werden könne, so O’Malley.
Wir wollen, dass Kinder sicher sind
Kardinal O'Malley wies darauf hin, dass sich die Kommission derzeit vor allem auf den globalen Süden konzentriere, um sicherzustellen, dass die Kirchen vor Ort über die notwendigen Ressourcen und Schulungen zur Bekämpfung von Missbrauch verfügen. Dazu gehöre auch die Entwicklung von Strategien und Richtlinien, um eine kirchenweit einheitliche Reaktion zu gewährleisten, die die Bedürfnisse und Rechte der Opfer, der Beschuldigten, der Gemeinschaft, der Kirche und der Zivilgesellschaft respektiert.
Der Kardinal betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer großen Aufklärungskampagne, „die sich überall mit Fragen des Schutzes“ befasst und sich auf die Prävention von Missbrauch konzentriert. „Wir wollen, dass die Kinder sicher sind“, so O'Malley. „Wir wollen, dass die Kinder und die Eltern darauf vertrauen können, dass ihre Kinder in einer katholischen Schule oder in einer katholischen Gemeinde sicher sind.“
Auf den des Öfteren gehörten Einwand, dass der Schutz der Kinder und Schutzbedürftigen von der eigentlichen Mission der Kirche ablenke, antwortete der PCPM-Präsident mit Nachdruck: „Wir werden in unserer Mission der Evangelisierung nicht erfolgreich sein können, wenn wir nicht das Vertrauen der Menschen haben, wenn wir ihnen nicht beweisen können, dass sie uns wichtig sind und die Sicherheit ihrer Kinder für uns Priorität hat.“
Die Aufgabe der Kommission
Auf die Kritik an der Kommission angesprochen, räumte Kardinal O'Malley ein, dass einige Menschen ungeduldig seien, weil die Kirche so langsam auf die Missbrauchskrise in der Kirche reagiere. Einige Mitglieder haben die Kommission im Lauf der Zeit verlassen, weil sie mit deren Vorgehensweise nicht einverstanden waren, darunter auch der deutsche Kinderschutz-Experte P. Hans Zollner. Mit Bezug auf den Auftrag der Kommission betonte Kardinal O’Malley jedoch, dass teils überhöhte Erwartungen diese „ins Fadenkreuz gebracht haben“. Denn letztlich sei die Kommission nicht eingerichtet worden, um sich mit einzelnen Fällen von Missbrauch zu befassen: „Das war nie unsere Kompetenz.“ Stattdessen sei die Kommission damit beauftragt worden, Empfehlungen zu geben, wie die Reaktion der Kirche auf sexuellen Missbrauch verbessert werden könne.
Dessen ungeachtet habe sich die Kommission stets dafür eingesetzt, die Überlebenden zu unterstützen, indem sie Kontakt mit denjenigen hergestellt habe, die ihnen helfen können: „Die Stimme der Opfer zu hören, ist ein sehr wichtiger Teil unseres Auftrags“, betonte Kardinal O'Malley.
Unterstützung der lokalen Kirchen
Gleichzeitig bestehe ein wichtiger Teil des PCPM-Mandats darin, die Ortskirchen bei der Hilfe für die Opfer zu unterstützen und ihnen bei der Prävention und Ausbildung zu helfen.
Der Sekretär des PCPM, P. Andrew Small (OMI), verwies in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen „Memoranda of Understanding“, die bisher zwischen der Kommission und den nationalen Bischofskonferenzen unterzeichnet wurden. Mit diesen solle sichergestellt werden, eine kohärente Reaktion zu fördern und sicherzustellen, dass in den Ortskirchen Ressourcen für die Begleitung der Opfer vorhanden seien. P. Small nannte dies eine „One-Church“-Reaktion:
„Das ist natürlich schwierig für diejenigen [Kirchen], die über wenig Ressourcen verfügen und nicht alle Experten haben, die für die Aufnahme von Opfern notwendig sind. Wir helfen dabei, das zu ändern. Das wird nicht über Nacht geschehen, aber wir machen große Fortschritte.“
Es würden große Anstrengungen dafür gemacht, in der Kirche mehr Transparenz im Umgang mit Missbrauchsfällen zu schaffen, unterstrich Kardinal O'Malley, der auch auf frühere Empfehlungen hinwies, Änderungen am so genannten „päpstlichen Geheimnis“ vorzunehmen, sowie an die laufenden Bemühungen, Klarheit zu schaffen, wenn Bischöfe ihres Amtes enthoben werden.
„Ja, Transparenz ist sehr, sehr wichtig“, betonte der Kardinal und fügte hinzu: „Das Vertrauen kann nicht wiederhergestellt werden, wenn wir nicht auf allen Ebenen der Kirche Transparenz haben.“
Es sei es sei klar geworden, dass „die Menschen vor allem die Wahrheit wissen wollen“, pflichtete dem auch der Sekretär der Kommission bei.
„Ich denke, die Menschen haben ein Recht darauf, dass ihnen die Wahrheit gesagt wird“, fuhr P. Small fort. „Und manchmal haben wir als Führungskräfte Angst davor, den Menschen die Wahrheit anzuvertrauen - aber das dürfen wir nicht. Wenn wir den Menschen nicht die Wahrheit anvertrauen, werden sie uns nicht vertrauen. Und ich denke, das ist die Grenze zwischen Transparenz, Ehrlichkeit und Offenheit, an der wir noch viel mehr arbeiten müssen.“
Zum Abschluss des Interviews betonte Kardinal O'Malley: „Der wichtigste Teil unserer Mission ist es, eine Stimme für die Opfer zu sein und hart daran zu arbeiten, dass dies überall in der Kirche eine Priorität ist.“
Evangelisierung, so wiederholte er, „wird eine unmögliche Aufgabe sein, wenn wir das Vertrauen der Menschen in uns nicht wiederherstellen können, indem wir ihnen zeigen, dass ihre Kinder unsere Priorität sind und ihre Sicherheit unser höchstes Ziel ist.“
(vatican news)
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