Radio-Akademie (4): Luther und das Geheimnis der Veronika
Sondern auch ein weiteres Gewebe, eine Art Schleier. Luther kann nicht ahnen, dass – wenn unsere Annahmen stimmen – auch dieses Gewebe ein unschätzbares, direktes Zeugnis Christi ist. Das Schweißtuch des Herrn, das das Johannes-Evangelium erwähnt; Petrus soll es im leeren Grab Jesu gesehen haben, spätere Stationen des Tuchs sind Konstantinopel, dann die Privatkapelle der Päpste im Lateran in Rom, und schließlich der römische Petersdom.
„In dem Text, den Luther uns hinterlässt, sagt er ganz klar, dass vor der Veronica ein anderes Klaretin aufgezogen wird, wenn sie die Veronica weisen“, erläutert die Forscherin Veronika Seifert.
Das Dunkle und das Klare
„Klaretin, das ist ein alter deutscher Begriff, er meint etwas Durchsichtiges, etwas Klares. Und da sind wir jetzt ganz schnell bei dem Volto Santo, wie es hier in Italien genannt wird, das heißt das heilige Antlitz Christi. Ich beziehe mich jetzt auf das Heilige Antlitz von Manoppello, das durchsichtig ist, auf einen durchsichtigen Stoff. Und ja, man kann sich ganz gut vorstellen, wie dieser durchsichtige, transparente Stoff mit dem Volto Santo, auf dem das Antlitz Jesu zu sehen ist, praktisch vor die Veronica aufgezogen worden ist und somit praktisch zwei Christusreliquien zeitgleich gezeigt wurden. Hinten die dunkle Veronica, vorne der Volto Santo, auf dem wir Christus mit offenen Augen und mit einem klaren Hintergrund sehen.“
Das ist also das, was wir heute als Schleierbild von Manoppello kennen, einem kleinen Dörfchen an den Füßen der Abruzzen, des Gebirges außerhalb von Rom. Ein dünnes Tuch mit einem Christusgesicht, das einen mit offenen Augen ansieht. Ohne Dornenkrone, aber mit Blutverletzungen, womöglich mit ausgerissenen Barthaaren. Dieses Bildnis hat sich also womöglich damals – wir reden jetzt vom 16. Jahrhundert, als auch Luther in Rom war – zusammen mit der Veronica-Christusreliquie, dem Schweißtuch der Veronika, in der Peterskirche befunden.
Diebstahl im Petersdom
Unsere Geschichte bringt also unverhofft zwei wichtige Christus-Reliquien zusammen, das Schweißtuch der Veronika und das Heilige Antlitz von Manoppello. Doch wie kommt es, dass sich das Volto Santo heute nicht mehr in St. Peter befindet, sondern in den Abruzzen? Die Antwort lautet: Diebstahl.
Im letzten Teil unserer Radio-Akademie erzählen wir, wie Papst Urban VIII. im 17. Jahrhundert nach der verschwundenen Reliquie fahnden ließ. Die zentrale Erkenntnis unserer Serie lautet: Im Petersdom wird das Schweißtuch der Veronika aufbewahrt, und zwar bis auf den heutigen Tag. Trotz anderslautender Berichte ist es nie von dort verschwunden. Und auch wenn auf dem Tuch mittlerweile nichts mehr zu erkennen ist, wie schon Martin Luther beklagte, ist es doch ein heiliges Zeugnis vom Leiden Jesu.
Ausstrahlung ausnahmsweise am Dienstagabend
Die letzte Folge unserer Sendereihe wird diesmal ausnahmsweise erst am Dienstagabend um 18 Uhr im deutschen Programm von Radio Vatikan ausgestrahlt. Sie ist im Anschluss noch 24 Stunden lang als Podcast auf unserer Internetseite zu hören. Am Sonntagabend hören Sie bei uns stattdessen eine Sondersendung zum Abschluss der Weltsynode im Vatikan.
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Zum Nachlesen
Unsere Gesprächspartnerin bei dieser Radio-Akademie, Veronika Maria Seifert, hat ihre Erkenntnisse in Buchform veröffentlicht. Il sudario della Veronica e il Volto Santo erschien 2024 im Velar Verlag. In deutscher Sprache liegt ihr Aufsatz vor Das Schweißtuch der Veronika im Petersdom und der Volto Santo von Manoppello - Versuch einer Neukontextualisierung zweier römischer Christusacheiropóieta. Er erschien 2022 in Collectanea Franciscana 92, pp. 613-666.
(vatican news)
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