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Kanonistin: „Uns ist bewusst geworden, wie wichtig Kontext ist“

Die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens setzt sich für verbindliche synodale Beratungsstrukturen in der katholischen Kirche ein. Auf allen Ebenen, von der Pfarrei bis zur kontinentalen Ebene, sollen Kleriker und Laien gemeinsam beraten, um eine stärkere Dezentralisierung und lokale Problemlösung zu ermöglichen, so Wijlens gegenüber Radio Vatikan.

Marina Olshagen - Vatikanstadt

Myriam Wijlens, Kirchenrechtlerin in Erfurt, hat bei der aktuellen Weltsynode in Rom die Bedeutung synodaler Strukturen betont und eine verpflichtende Einführung von Beratungen auf Pfarrei-, Bistums- und kontinentaler Ebene angeregt. Die Initiative sieht vor, nicht nur Bischöfe, sondern auch Laien in die Entscheidungsprozesse der katholischen Kirche einzubinden. Ziel sei es, die Kirche stärker zu dezentralisieren und den lokalen Kontexten mehr Gewicht zu verleihen.

Interview mit Myriam Wijlens

„Europa hat keine gemeinsame Sprache.“

Wijlens beschrieb diesen Wandel als einen „Reset“ der Kirche. Sie zog einen Vergleich zu einem Computer, bei dem ein Neustart notwendig wird, um das System neu zu konfigurieren, wenn es stockt. Dies sei eine Reaktion auf die Erkenntnis, dass die Kirche nur im Kontext ihrer Umgebung verstanden und gestaltet werden könne. „Man kann die Kirche nicht außerhalb eines Kontextes denken“, betonte Wijlens und unterstrich die Bedeutung eines tiefgehenden Lernprozesses innerhalb der Institution.

Südamerika und Asien als Vorreiter

Während die synodalen Prozesse in Europa noch in den Kinderschuhen stecken, sind Regionen wie Südamerika und Asien bereits weiter fortgeschritten. In Südamerika, wo Spanisch und Portugiesisch eine gemeinsame Sprachbasis bieten, ist die Einführung kontinentaler Versammlungen wie der Amazonas-Kirchenkonferenz CEAMA bereits gelungen. Diese wurde 2020 nach der Amazonas-Synode ins Leben gerufen und ermöglicht es Laien und Klerikern gleichermaßen, die spezifischen Bedürfnisse der Region zu diskutieren und Lösungen zu finden.

Europa hingegen sieht sich größeren Herausforderungen gegenüber: Die Vielfalt der Sprachen und Kulturen auf dem Kontinent erschwert den synodalen Dialog. In einer Sitzung in Prag wurde dies deutlich, als die Beratungen in fünf verschiedenen Sprachen stattfanden. Die sprachliche Pluralität ist für Wijlens jedoch auch eine Chance, die vorhandenen kulturellen Unterschiede besser zu verstehen und zu überwinden.

Bischofskonferenzen im Wandel

Wijlens sieht die aktuelle Diskussion als Chance, 60 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Struktur der Bischofskonferenzen grundlegend zu überdenken. Diese bestehen traditionell nur aus Bischöfen, doch in Zukunft könnten sie sich zu Kirchenkonferenzen entwickeln, die auch Laien einschließen. Die Erfolge der Amazonas-Kirchenkonferenz und ähnliche Modelle könnten als Vorbilder für eine umfassende Reform dienen, so wie es bereits aus Südamerika vorgeschlagen wurde.

Durch die Einbindung verschiedener Gruppen auf allen Ebenen will die Synode den Weg für eine Kirche ebnen, die nicht nur lehrt, sondern auch aktiv auf ihre Gläubigen hört.

(vatican news)

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23. Oktober 2024, 16:16