Vatikan: „Digitaler Zwilling“ des Petersdoms vorgestellt
Christine Seuss - Vatikanstadt
Bei der Pressekonferenz erläuterten Microsoft-Präsident Brad Smith und der Leiter der vatikanischen Dombauhütte, Kardinal Mauro Gambetti, das ehrgeizige Projekt, das auch von der rapiden Entwicklung profitierte, die die zugrundeliegenden Technologien innerhalb des Projektzeitraumes selbst durchgemacht hatten. Damit habe man Maßstäbe gesetzt, so die beiden sichtlich zufriedenen Referenten im Vatikan. Bei dem Projekt ging es nicht nur darum, den Petersdom vollständig virtuell zu erschließen. So gibt es nun auch zwei KI-gestützte multimediale Ausstellungen mit dem Namen „Petros Eni“ („Petrus ist hier“), eine interaktiven Webseite und neue Möglichkeiten der Anmeldung für Pilger und Touristen mit Blick auf das anstehende Heiligen Jahr 2025. Alles soll das Besuchserlebnis so fruchtbar und unkompliziert wie möglich gestalten.
Technologisches und menschliches Element
Papst Franziskus wurde das Projekt bereits vorab am frühen Montagmorgen vorgestellt. Künstliche Intelligenz war in allen Projektphasen eingebunden, erläuterte Brad Smith, dessen Konzern die Partnerschaft bei dem Unterfangen übernommen hatte, dann später vor den Journalisten im Vatikan. Dabei handele es sich buchstäblich um eines der „technologisch fortschrittlichsten und ausgeklügelsten“ Projekte seiner Art, so Smith:
„Es umfasst im Wesentlichen drei Schritte. Der erste bestand darin, 400.000 Fotos vom Petersdom zu machen, eine enorme Zahl. Dabei handelt es sich nicht um alltägliche Fotos, sondern sie wurden von Drohnen aufgenommen, bis ins kleineste Detail. Es wurde nicht nur das Bild aufgezeichnet, sondern auch Lasertechnologie eingesetzt, um genau zu wissen, wo sich die Drohne befand und wie weit sie vom Bild entfernt war.“
Unglaubliche Datenmengen
Auch bei der Steuerung der Drohnen, die über einen mehr als dreiwöchigen Zeitraum zu Schließzeiten durch den Petersdom geschickt wurden, war KI im Einsatz, so Microsoft-Präsident Smith. Die dabei produzierte Datenmenge von 22 Petabytes entspreche dem Volumen von fünf Millionen DVDs, welche aufeinandergestapelt eine Höhe von sechs Kilometern erreichen würden, veranschaulichte der Fachmann.
Im zweiten Schritt wurden die Bilder, wieder dank des Einsatzes modernster KI, realitätsgetreu zusammengefügt: „So haben wir es gemeinsam möglich gemacht, den Petersdom zu erkunden, auf dem Boden zu stehen und die Decke zu betrachten, dann buchstäblich nach oben und durch die Kuppel zu gehen und dann wieder nach unten zu schauen, um sich in der Basilika zu bewegen und zu sehen, was es dort gibt.“
Im „AI for Good Lab“ von Microsoft sei dann in einem dritten Schritt ein spezieller KI-Algorithmus entwickelt worden, um diese Bilder zu scannen. Dieser habe erkennen können, „wo zum Beispiel ein Riss in der Wand ist oder wo ein Stück Mosaik fehlt, so dass die Menschen, die hier arbeiten und für den Erhalt dieses außergewöhnlichen Gebäudes verantwortlich sind und an seiner Restaurierung arbeiten, nun all diese Daten und die Unterstützung der KI haben, um noch besser arbeiten zu können. Das ist es, was wir aus technischer Sicht getan haben.“
Noch wichtiger als das technologische sei allerdings das „menschliche Element“, so Smith: „Wir sind heute hier, weil der heilige Petrus vor 2.000 Jahren hier war.“ Schließlich gehe es auch darum, das in der Bibel erzählte Leben und Wirken von Petrus zu vermitteln sowie den Bau und die anschließenden Veränderungen der Kathedrale über die Jahrhunderte abzubilden, speziell in dem Zeitraum, als die größten Renaissance-Architekten und Künstler der Menschheit hier wirkten. „Künstliche Intelligenz ermöglicht es uns, diese Basilika auf eine einzigartige und innovative Art und Weise zu bewundern, die es so noch nie gegeben hat“, zeigte sich der Microsoft-Präsident angetan. Diese Partnerschaft, die „Institutionen und technologische Innovation" verbinde, habe „ein unvergessliches Erlebnis für alle geschaffen, die die Geschichte und Bedeutung dieses außergewöhnlichen Ortes erkunden wollen", so Smith weiter. Das hierbei geschaffene Modell der Vatikanbasilika werde auch für künftige Generationen Bestand haben.
Die neuen Plattformen und Apps sollen Pilgern und Touristen den Besuch des Petersdoms erleichtern; auch der Einsatz der multimedialen Sprachen, von künstlicher Intelligenz und Schulungskursen sollte dabei helfen, so der Erzpriester des Petersdoms, Kardinal Mauro Gambetti, zum neuen multimedialen Besuchs- und Planungserlebnis. An zwei Orten der Basilika werden künftig die virtuellen Ausstellungen sichtbar sein, über das Webportal, das in Zusammenarbeit mit der Assist Group realisiert wurde, soll der Andrang in Echtzeit sichtbar und somit langes Anstehen vermeidbar sein; darüber hinaus können Führungen und Gottesdienste organisiert werden.
„In diesem Sinne geht es darum, dem Menschen von heute mit Hilfe der digitalen Technologie die Verflechtung von Geschichte, Kunst und Spiritualität zu entschlüsseln, die die Basilika weltweit einzigartig macht. Wenn die Menschen, die die Basilika betreten, das Geheimnis, das sie inspiriert hat und ausstrahlt, irgendwie verstehen, ist unsere Mission erfüllt.“
Basilika dem Menschen von heute erschließen
Eine weitere Neuigkeit: Ab Januar solle der Petersdom auch Teil der „Minecraft-Experience“ werden, also für junge Leute die Möglichkeit bestehen, den kolossalen Bau mit ihrer virtuellen Realität zu betreten und auch didaktisch aufbereitet zu bekommen, erläuterte Gambetti.
„Eine gelungene Verbindung von Technologie und Humanismus. Die beiden Neuschaffungen, das institutionelle Portal und die virtuelle Basilika, sind die Krönung der ,Digitalen Mission‘ der Fabbrica di San Pietro“, zeigte sich der Erzpriester begeistert.
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Erstellung eines „digitalen Zwillings“ des Petersdoms, der in Zusammenarbeit mit Iconem, einem führenden Unternehmen im Bereich der digitalen Bewahrung, entwickelt wurde. Mit Hilfe fortschrittlicher Photogrammetrie und künstlicher Intelligenz ermöglicht diese ultrapräzise 3D-Replik Menschen auf der ganzen Welt, die Geschichte und Architektur des Petersdoms auf interaktive Weise zu erkunden und buchstäblich darin „einzutauchen“. Dank der millimetergenauen Erfassung der Basilika können auch die Restaurierungsbemühungen unterstützt werden, da selbst Spinnennetze in schwindelerregender Höhe oder kleine Risse in den Mauern sichtbar gemacht und neue Einblicke in die Struktur und Architektur des Gebäudes ermöglicht wurden. So können auch die nötigen Wartungsarbeiten zielgerichteter vorgenommen werden.
Ein Zeitrahmen von 1.000 Jahren
„Als wir anfingen, über den Einsatz von Informationstechnologie für die Basilika nachzudenken, taten wir dies, indem wir uns vorstellten, dass unsere Tätigkeit, die zur Mission der Dombauhütte gehört - nämlich den Ort zu bewahren, zu erhalten und nutzbar zu machen - über einen Zeitraum von 1.000 Jahren hinweg gedacht werden sollte, das heißt, wir sollten dafür sorgen, dass der Erhalt der Basilika mindestens weitere 1.000 Jahre von jetzt an gewährleistet ist, und diejenigen, die nach uns kommen werden, um sie zu erhalten, sollten dasselbe tun“, so Gambetti, der die vollständige virtuelle Verfügbarkeit der Basilika – ebenso wie Microsoft-Chef Smith - keinesfalls als Hemmnis für ein persönliches Besuchserlebnis sieht. Dieses sei trotz der neuen Möglichkeiten durch die Künstliche Intelligenz „unersetzlich“, so Smith. Wer jedoch im kommenden Heiligen Jahr oder grundsätzlich an einer Reise nach Rom gehindert ist, kann nun auch von daheim aus die Spiritualität, Kultur und Schönheit des Petersdoms erleben, als wäre er vor Ort.
Wieviel das AI-Projekt der digitalen Erfassung des Petersdoms letztlich gekostet habe, wollte Microsoft-Spender Smith bei der Pressekonferenz nicht vertiefen, allerdings wies er darauf hin, dass die dabei entwickelte Technologie nun auch für andere historisch wertvolle Stätten nutzbar sein könnte. Was genau man weiter damit anstellen könnte, wolle er bei einem „freien Wochenende“ nun weiter prüfen, schmunzelte er.
(vatican news)
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