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Heilige Pforte am Lateran geöffnet

Auch an der päpstlichen Basilika San Giovanni in Laterano in Rom steht jetzt eine Heilige Pforte offen. Der Erzpriester der Basilika, Kardinal Baldassare Reina, öffnete sie an diesem Sonntag im Auftrag des Papstes.

Insgesamt wird es zum Heiligen Jahr 2025 fünf Heilige Pforten geben: die der vier päpstlichen Basiliken in Rom sowie eine weitere in der römischen Haftanstalt Rebibbia. Die Pforten des Petersdoms und des Gefängnisses hat der Papst selbst geöffnet.

Wir dokumentieren hier die Predigt von Kardinal Reina in ihrem amtlichen Wortlaut.

Predigt zur Öffnung der Heiligen Pforte

Mit großer Freude haben wir die Heilige Pforte in unserer Basilika geöffnet. Eine Geste, mit der wir das Bekenntnis unseres Glaubens an Christus, unsere Tür zum Heil, erneuern, unsere Verpflichtung bekräftigen, für unsere Brüder und Schwestern ein konkretes Zeichen der Hoffnung zu sein und die Tür unseres Herzens durch Gesten der Barmherzigkeit, der Güte und Gerechtigkeit weit aufzumachen.

Wir fühlen uns tief verbunden mit dem Heiligen Vater: das ist seine Basilika, die Kirche, der er in Liebe und Gemeinschaft vorsteht. Wir spüren die Umarmung und Unterstützung unseres Hirten und versichern ihn unserer Gebete.

Unsere heutige Feier findet am Fest der Heiligen Familie von Nazareth statt: dem Idealbild jeder häuslichen Gemeinschaft und Spiegel der trinitarischen Gemeinschaft. Diese Feier lädt uns ein, uns selbst als Familie Gottes zu erkennen: Eine Familie, die gerufen ist, in Einheit  zu wachsen und alle Familien im Gebet zu unterstützen, besonders jene, die Not und Leid erfahren. Dass hier auch einige Familien mit den Konzelebranten durch die Heilige Pforte gegangen sind, ist ein beredtes Zeugnis für diese Sendung, die in unserer Zeit besonders dringlich ist.

Das Wort Gottes, das uns verkündet wurde, lässt uns über unsere Identität als Kinder Gottes nachdenken. Kinder, die berufen sind, als Familie Gottes zu leben. Die Heilige Pforte, durch die wir gegangen sind, soll an die Geste erinnern, die wir täglich vollziehen, wenn wir die Schwelle unseres Zuhauses überschreiten. Diese Tür, die nun weit offen ist, hat uns nicht nur in das Haus des Herrn geführt, sondern auch in die Tiefen seines Herzens.

Der Apostel Johannes verkündet in der zweiten Lesung eine Botschaft von außerordentlicher Tiefe. Der Glaube ist die Erfahrung der Beziehung zu Gott, die uns in die Dynamik der Gotteskindschaft einführt. Eine Realität, die immer wieder neu entdeckt werden muss. Und hier kann es hilfreich sein, über das Gleichnis vom barmherzigen Vater nachzudenken.

Bei der Auslegung dieses Gleichnisses hat man die beiden Brüder lange Zeit getrennt, ja einander gegenübergestellt – ohne zu begreifen, dass beide aufgrund einer Fehleinschätzung ihres Vaters die Last des Sohn-Seins teilen. Und so wird die Szene ja auch von dem jüngeren Sohn beherrscht, der sein Erbteil einfordert und dann fortgeht: überzeugt davon, dass er sich von seinem Vater loslösen muss, um sich lebendig und für sein Leben verantwortlich zu fühlen; dass er das Haus verlassen muss, in dem er aufgewachsen ist, den Schoß, der ihn hervorgebracht hat. Und damit wird uns genau das vor Augen geführt, was auch in unserer Zeit passiert, auf der ein großes Missverständnis lastet: Gott ist der Feind unserer Freiheit; das Hindernis, das es zu beseitigen gilt, damit wir uns endlich als Gestalter unseres Schicksals fühlen können.

Doch auch der ältere Sohn, der ein Vorbild an Loyalität und Gehorsam zu sein scheint, ist Opfer eines tiefsitzenden Missverständnisses. Was er wirklich denkt, zeigt sich im Aufbegehren gegen den Vater, als der jüngere Bruder zurückkehrt: „Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich dein Gebot übertreten; mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte!“ (Lk 15,29). In diesen Worten zeigt sich ein liebloser Gehorsam, der als Knechtschaft gegenüber dem als despotisch empfundenen väterlichen Willen erlebt wird. Beide Söhne empfinden ihren Platz im Haus des Vaters nicht als den eines geliebten Sohnes, sondern eines Dieners: der Ältere erklärt, dass er gedient hat, und der Jüngere beschließt, nach Hause zurückzukehren und den Vater zu bitten, ihn als Tagelöhner aufzunehmen.

Die wahre Überraschung ist die Antwort des Vaters, der den jüngeren Sohn unterbricht und seinen Knechten verkündet: „Dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein Fest zu feiern.“ (Lk 15,24). Und auch dem älteren Sohn, der seinen Unmut äußert, antwortet der Vater mit entwaffnender Zärtlichkeit: „Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein“ (Lk 15,31). In diesen Worten liegt die tiefe Wahrheit der Beziehung zwischen Vater und Sohn: Sohn-sein, ist nämlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das in der bedingungslosen Liebe des Vaters gründet. Und dieses falsche Verständnis von Vaterschaft hat auch direkte Auswirkungen auf die Brüderlichkeit. Die Weigerung, am Willkommensfest für den heimgekehrten jüngeren Bruder teilzunehmen, kommt einer Leugnung der Blutsbande gleich: „Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet!“ (Lk 15,30). In diesen verbitterten, kalten Worten schwingt eine Verweigerung der brüderlichen Bande mit, in diesem „dein Sohn“, das jede Verbindung zum Bruder aufkündigt. Doch der Vater antwortet mit einer Klarstellung: „Das ist dein Bruder“ (Lk 15,32) – und er versucht, beiden Söhnen ihre gemeinsame Familienzugehörigkeit wieder bewusst zu machen.

In diesem Gleichnis gibt es auch ein Detail, das uns einlädt, uns wieder auf das Bild der Tür zu besinnen: die Pforte, durch die wir gegangen sind und die wir im Laufe dieses Gnadenjahres weiter durchschreiten werden. Als sich der Sohn auf den Heimweg macht, betont der Evangelist Lukas mit ergreifender Präzision: „Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen“ (Lk 15,20). Und hier zeigt sich ein außergewöhnlicher Zug des väterlichen Herzens: Der Vater hat nicht nur gewartet, er hat mit unerschütterlicher Hoffnung gewacht – und als er seinen Sohn von Weitem kommen sieht, wird sein Herz von Mitleid erfasst. Er zögert nicht, sondern läuft ihm entgegen, umarmt ihn und küsst ihn mit unendlicher Zärtlichkeit.

Stellen wir uns vor, wie ihm dieser Vater entgegenläuft, der nie müde wurde, zu lieben; wie er ihn mit offenen Armen empfängt. Diese offenen Arme sind die Heilige Pforte. Egal, wie weit wir uns entfernt haben; egal, was wir getan, verschwendet oder ruiniert haben. In dem Moment, in dem wir uns entschließen, zurückzukehren, werden wir niemals vor verschlossenen Türen stehen – was uns erwartet, wird eine Umarmung sein, die uns willkommen heißt.

Das Haus, das uns erwartet, ist nichts anderes als die Wohnung des Vaters; sein Herz, ein Ort, an dem wir gesehen werden, auch wenn wir den Vater noch nicht sehen können. Es ist ein Herz, das sich auf uns zubewegt, während wir noch weit weg sind – es hat sich nämlich nie von uns getrennt.

Lasst uns Pilger der Hoffnung werden; dieser Hoffnung, dieser Liebe, die nie müde wird; eines wiederentdeckten Heils, einer Familie, die wieder intakt ist. Lernen wir von diesen offenen Armen, Kirche zu sein, ihr Sakrament zu werden, die Familie des Gottes, der uns die Freiheit schenkt, die offen ist für das Gute.

Zögern wir nicht, durch die Tür einzutreten, die zum Herzen Gottes führt, lebendiges Abbild seiner weit geöffneten Arme, die uns willkommen heißen. Treten wir vertrauensvoll ein, kosten und sehen wir, wie gut der Herr ist (Ps 34,9). Und wenn wir einmal die Freude dieser kindesgleichen Zugehörigkeit erfahren haben, dann lasst uns unermüdliche Sämänner der Hoffnung und Baumeister der Geschwisterlichkeit werden.

Durch die Heilige Pforte zu gehen bedeutet, diesen Ruf anzunehmen und als Kinder Gottes im Sohn zu leben, Zeugen des Vaters, der uns erwartet und uns „schon von Weitem kommen sieht“ (Lk 15,20). Wir sind eingeladen, mit offenem Herzen auf die Gottes Gnade zu antworten und uns durch seine Umarmung versöhnen zu lassen. Eine Umarmung, die unsere Würde wiederherstellt und uns befähigt, Beziehungen echter Geschwisterlichkeit aufzubauen.

Wenn wir heute durch diese Pforte gehen, die für die Arme des Vaters steht, dann lasst uns mit besonderem Mitgefühl an all jene denken, die sich – wie der jüngere Sohn im Gleichnis – fern und unwürdig fühlen. Und denken wir auch an jene, die – wie der ältere Sohn – die Last einer tiefen Bitterkeit in ihrem Herzen tragen und sich nicht mehr als geliebte Kinder fühlen. Denken wir an die Kranken, die Gefangenen, die Menschen, die von Schmerz, Einsamkeit, Armut oder Versagen gezeichnet sind; an die, die sich aufgegeben haben, weil sie mutlos sind und keinen Sinn mehr sehen; an jene, die die Hoffnung verloren haben; an die, die aufgehört haben, die Arme des Vaters zu suchen, weil sie nur noch auf sich selbst oder die Sicherheiten der weltlichen Dinge vertrauen. Lasst uns in dieser von Kriegen, Zwietracht und Ungleichheit zerrissenen Welt unsere Hände nach allen ausstrecken; lasst uns dafür sorgen, dass durch unsere offenen Arme ein Abglanz der Liebe Gottes sichtbar wird. Wir werden uns nicht allein retten, sondern als Familie, und deshalb müssen wir all unsere Kraft darauf verwenden, die Geschwisterlichkeit zu pflegen!

Im Sohn sind wir Kinder Gottes geworden. Versuchen wir also, wenn wir nach Hause gehen, Gott in unsere Familien zu tragen, in unsere täglichen Beziehungen, in die Beziehungen zu unseren Kindern, in unsere ehelichen Beziehungen, in unsere Pflege und Betreuung der älteren Menschen. Machen wir uns diese Sendung zu eigen und verpflichten wir uns, in der Freude des Evangeliums zu leben. Möge unser Zeugnis, wie das Zeugnis Marias und Josefs sein: leuchtend und fruchtbar, damit jede verschlossene Tür zu einer offenen Tür wird, und jedes ferne Herz den Weg zurück zum Haus des Vaters findet. Amen.

(vaticannews - übersetzung: silvia kritzenberger)
 

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29. Dezember 2024, 10:58