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Gedenkmesse Benedikt XVI.: Die Predigt im Wortlaut

Lesen Sie hier die Predigt, die Kardinal Kurt Koch beim Gedenkgottesdienst zum zweiten Todestag Benedikts XVI. in den vatikanischen Grotten gehalten hat.

IN EWIGKEIT VON GOTT GELIEBT SEIN
Gedenken an Papst Benedikt XVI.

Kurt Cardinal Koch

Am zweiten Jahrestag des Heimgangs von Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. – haben wir uns in der Krypta der Petersbasilika versammelt, um die Heilige Messe zu feiern und den zum himmlischen Vater Heimgegangenen in besonderer Weise in unser Gebet zu schließen und seiner in Dankbarkeit für sein Leben und Wirken zu gedenken.

Das Licht der irdischen Welt hat Joseph Ratzinger am Karsamstag im Jahre 1927 erblickt. Dass sein Leben «von Anfang an auf diese Weise ins Ostergeheimnis eingetaucht» gewesen ist, hat ihn immer mit Dankbarkeit erfüllt; «denn das konnte nur ein Zeichen des Segens sein». Und Joseph Ratzinger hat im Geheimnis des Karsamstags das «Wesen unseres menschlichen Lebens» wahrgenommen, «das noch auf Ostern wartet, noch nicht im vollen Licht steht, aber doch vertrauensvoll darauf zugeht» (J. Kardinal Ratzinger, Aus meinem Leben. Erinnerungen (1927-1977) (Stuttgart 1998) 8). Ganz ins Licht des Ostergeheimnisses eingegangen ist Benedikt XVI. am Tag seiner zweiten Geburt, der Geburt zum ewigen Leben im Jahre 2022 in der Weihnachtszeit, die ihm stets so teuer gewesen ist.

Gott hat es so gefügt, dass der äußere Rahmen des Lebens von Joseph Ratzinger von der Heilsgeschichte umgeben gewesen ist. Dies gilt freilich erst recht für sein inneres, geistliches Leben, das ganz dem Geheimnis des christlichen Glaubens gewidmet gewesen ist. Aus ihm hat er gelebt, ihn hat er glaubensstark verkündet und mit seiner theologischen Klarsicht uns Menschen heute erschlossen.

Es ist ein sehr schönes Zusammentreffen, dass die Liturgie unserer Kirche am Silvestertag den Prolog des Johannesevangeliums vorsieht. Denn in diesem Loblied auf den Logos, auf das Wort, das bei Gott war und Gott war, ist der innerste Kern des christlichen Glaubens verdichtet. Ihn hat Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. – sein ganzes Leben lang reflektiert und für uns offengelegt. In seinem theologischen Denken ist er stets vom Wort Gottes ausgegangen, wie es in der Heiligen Schrift niedergelegt ist und in der Tradition der Kirche den Weg durch die Geschichte geht. Im Wort des lebendigen Gottes hat er jene Wahrheit gefunden, nach der sich die Menschen in der Tiefe ihres Herzens sehnen.

In der konsequenten Orientierung an der Wahrheit des Wortes Gottes hat Papst Benedikt XVI. uns in glaubwürdiger Weise ans Herz gelegt, worin der Sinn des menschlichen Lebens besteht. Denn was der Evangelist Johannes als «Wort» bezeichnet, kann man auch mit «Sinn» übersetzen; «Am Anfang war der Sinn, und der Sinn war bei Gott, und der Sinn war Gott.» Damit ist uns die entscheidende Antwort auf die uns Menschen aller Zeiten bewegende Frage gegeben, worin der Sinn unseres Lebens und der Welt besteht: Wenn der Sinn Gott selbst ist, dann kann der Sinn uns nur gegeben, geschenkt sein, nämlich als Gnade.

Im Mittelpunkt des Lebens und Wirkens von Papst Benedikt XVI. hat dieses «Wort», dieser «Sinn» Gottes gestanden. Dieses Wort aber ist nicht abstrakt und reine Theorie, sondern von diesem Wort sagt das Evangelium, dass es Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat. Das Wort Gottes hat folglich ein konkretes Gesicht, es schaut uns an und schenkt uns so Ansehen, in dem die höchste Würde von uns Menschen begründet ist. Und deshalb hat dieses Gesicht einen Namen; es heißt Jesus von Nazareth, der Immanuel, der «Gott mit uns». In ihm hat Gott selbst sein wahres Gesicht gezeigt und seine ganze Liebe für uns Menschen geschenkt.

Von daher verstehen wir, dass für Benedikt XVI. der Logos, das Wort Gottes mit der Liebe zutiefst verbunden ist: Gott selbst ist Liebe – «Deus caritas est». In der Liebe Gottes liegt der wahre Grund, dass im menschlichen Leben das letzte Wort niemals «Tod» heißen kann; das letzte Wort gehört vielmehr der Liebe Gottes. Wir Menschen können deshalb nicht vergehen oder im Tod untergehen, weil Gott seine Geschöpfe kennt und sie liebt. Bereits menschliche Liebe will Ewigkeit, sie ist auf Unzerstörbarkeit angelegt und ist gleichsam ein Schrei nach Unendlichkeit. Doch solche Ewigkeit vermag menschliche Liebe nicht aus sich selbst zu geben. Es ist vielmehr die grenzenlose und unendliche Liebe Gottes, die Ewigkeit nicht nur für jeden Menschen will, sondern sie auch wirkt und sie selbst ist.

Es ist die Liebe Gottes, die uns Menschen unsterblich macht, und diese uns ewiges Leben schenkende Liebe Gottes nennen wir «Himmel». Im Himmel sein bedeutet, mit dem lebendigen Gott in Ewigkeit zusammen sein und im unendlichen Meer seiner Liebe sich bewegen dürfen. Denn der Himmel enthält, wie Papst Benedikt XVI. sehr schön sagt, die trostvolle Verheißung, «dass Gott groß genug ist, um auch für uns geringe Wesen Platz zu haben» (J. Ratzinger, Ein Hymnus auf den Leib und auf die Zukunft. Mariä Himmelfahrt 1968, in: Ders., Auferstehung und ewiges Leben = Gesammelte Schriften. Band 10 (Freiburg i. Br. 2012) 645-649, zit. 648.)

Wenn in Gott Platz für uns ist, dann ist im Himmel aber auch Platz für alle anderen Menschen. Wenn nämlich Himmel bedeutet, dass wir im erhöhten und vollendeten Christus leben, dann schließt er auch alle Menschen ein, die gemeinsam den einen Leib Christi bilden und die nicht einfach nebeneinander im Himmel sind, sondern miteinander und in Gemeinschaft mit Christus der Himmel sind. Der Himmel ist für Papst Benedikt deshalb eine elementar gemeinschaftliche Wirklichkeit: «Der Himmel kennt keine Isolierung; er ist die offene Gemeinschaft der Heiligen und so auch die Erfüllung alles menschlichen Miteinander, die nicht Konkurrenz zu, sondern Konsequenz aus dem reinen Geöffnetsein für Gottes Angesicht ist.» (J. Ratzinger, Eschatologie – Tod und ewiges Leben (Regensburg 1977) 191).

Von daher wird vollends einsichtig, dass das christliche Bekenntnis zum ewigen Leben nichts anderes ist als das Bekenntnis, dass Gott wirklich ist. Gott in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen, ist das entscheidende Anliegen von Papst Benedikt XVI. gewesen. Denn in einer Zeit, in der Gott oft als fremd und überflüssig empfunden wird und wir unter einer gewissen Schwerhörigkeit oder gar Taubheit gegenüber Gott leiden, hat er in Erinnerung gerufen, dass es höchste Zeit ist, an Gott zu denken. Für den gläubigen Theologen auf der Cathedra Petri konnte es keine größere Priorität geben als die, den Menschen von heute den Zugang zu Gott, seiner Wahrheit und Schönheit wieder zu ermöglichen. Diese Zentralität Gottes macht das bleibende Erbe seiner Theologie aus, die er stets beim Wort genommen hat, insofern die lebendige Wirklichkeit Gottes ihr zentrales Thema ist.

Wer Gott sagt, sagt zugleich ewiges Leben. Denn wen Gott liebt, dem gibt er an sich selbst, an seiner Ewigkeit Anteil. Das Bekenntnis zu Gott führt von selbst zum Glauben an das Ewige Leben. Denn ohne Antwort auf die Suche des Menschen nach Gott müsste der Tod ein letztlich grausames Rätsel bleiben. Wenn Gott aber wirklich ist, und zwar der Gott, der an Weihnachten Mensch geworden ist und der uns in diesem Menschen sein Gesicht gezeigt hat, dann gibt es ewiges Leben und dann ist der Tod nicht Ende, sondern Hinübergang zum lebendigen Gott.

Im Licht des christlichen Glaubens beginnt das ewige Leben freilich nicht erst nach unserem Sterben, sondern bereits jetzt in unserem irdischen Leben, wenn wir in der Gegenwart Gottes, gleichsam Aug´in Auf mit Gott leben. Der wohl tiefste und schönste Augen-Blick in unserem Leben ist uns mit der Feier der heiligen Eucharistie geschenkt. Als »pharmakon athanasias», als «Heilmittel der Unsterblichkeit» schenkt sie uns mitten in unserem Leben eine Vorerfahrung des ewigen Lebens. Sie ist bereits Parusie, das Kommen des Herrn, und zugleich Ausschau auf das endgültige Ankommen bei ihm.

Dieses schon und noch nicht ist in dem auf den heiligen Thomas von Aquin zurückgehenden eucharistischen Hymnus «Adoro te devote» sehr tief und schön ausgesprochen: «O Jesu, den verhüllt jetzt nur mein Auge sieht; Wann stillst das Sehnen du, das in der Brust mir glüht: Dass ich enthüllet dich anschau´ von Angesicht und ewig sei in deiner Glorie Licht.» Für Papst Benedikt XVI. ist diese eucharistische Sehnsucht bereits in Erfüllung gegangen, wenn er in der Gemeinschaft der Heiligen am himmlischen Hochzeitsmahl teilhaben darf und sein letztes Wort im irdischen Leben ohne Unterbruch aussprechen wird: «Herr, ich liebe Dich.»

Wir aber leben noch im Vorhof der Ewigkeit und bringen unsere Dankbarkeit für das Leben und Wirken von Papst Benedikt XVI. ein in das große Dankgebet der Kirche, in die Eucharistie, die wir in der Sehnsucht danach feiern, dass uns jener verborgene Glanz offenbar werde, den der Evangelist Johannes als das eigentliche Geheimnis der Weihnacht verdichtet und den Papst Benedikt XVI. mit seinem Leben bezeugt hat: «Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.»

(vaticannews - skr)

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31. Dezember 2024, 10:33