Syrien: „Die Bombe der Armut“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Kann man, darf man in Syrien Weihnachten feiern? Trotz der verzweifelten Lage im Land? Doch, man kann. Das sagt uns der Päpstliche Nuntius in Damaskus, Kardinal Mario Zenari, in einem Telefoninterview aus der syrischen Hauptstadt.
„Die Christen feiern überall in Syrien dieses schöne Fest in einem freudigen Klima; die Kinder sind aufgeregt, in allen Pfarreien werden Weihnachtslieder gesungen und Krippenspiele gespielt. Natürlich – wenn man sich das derzeitige Panorama Syriens ansieht, dann sieht man ein eher trauriges Bild, nach fast sieben Jahren Krieg. Es reicht schon, wenn man bedenkt, dass es nur etwa zwanzig Kilometer von hier, von Damaskus, in Ost-Ghouta auf dem Land Kämpfe gibt. Auch in Damaskus sind vor ein paar Tagen ein paar Sprengkörper niedergegangen und haben mehrere Menschen verletzt.“
Ost-Ghouta wird seit fünf Jahren von der Armee belagert. Zu den Menschen dort kommen kaum noch Lebensmittel oder Medikamente durch. Luftangriffe haben Hunderte von Menschenleben gefordert.
„In dieser Gegend östlich von Damaskus ist die Lage nach UNO-Einschätzung katastrophal. Wir sehen von dort Bilder von unterernährten Kindern, die fast wie Skelette aussehen. Also, bei aller Weihnachtsfreude – wir haben hier ganz in der Nähe eine humanitäre Katastrophe. Und vergessen wir auch nicht in diesen Weihnachtstagen, dass es in Syrien mehr als sechs Millionen Binnenflüchtlinge und Vertriebene gibt. Sie erinnern uns an die Heilige Familie, die ebenfalls fliehen musste. Abertausende von Familien mussten ihre Häuser verlassen; man spricht davon, dass in diesen sieben Kriegsjahren etwa die Hälfte aller Syrer ihre Häuser, ihre Wohnungen verlassen musste.“
Zu den sechs Millionen Binnenflüchtlingen innerhalb von Syrien müsse man fünf Millionen Menschen hinzuzählen, die in die Nachbarländer geflohen seien, so Kardinal Zenari.
„Man kann sagen, dass die Gewalt etwas nachgelassen hat. Aber die Menschen werden weiter von dem bedroht, was man die Bombe der Armut nennen könnte. Die UNO-Statistiken führen 69 Prozent der syrischen Bevölkerung als extrem arm auf.“
Und trotzdem: Weihnachten. Die Christen feiern, und nicht nur sie. „In Syrien nehmen alle teil an dieser Freude der Weihnacht, weil es für alle ein arbeitsfreier Tag ist. Also, ein Klima der Freude gibt es schon. Aber die Lage rundum bereitet einem doch Kopfzerbrechen.“
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