Heiliges Land: Gottseidank, keine dritte Intifada in Sicht
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Einen Monat ist es her, dass US-Präsident Donald Trump seine Ankündigung wahrmachte, Jerusalem als Hauptstadt Israels offiziell anzuerkennen – zu Lasten der Palästinenser, die ebenfalls Anspruch auf die Heilige Stadt als Kapitale ihres Staates erheben. In diesem Monat waren zwar einzelne Episoden von Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern zu verzeichnen, doch die Lage werde sich wieder beruhigen, so die Einschätzung Bugnyars.
Bugnyar: „In den letzten Wochen kam es zu Demonstrationen und Unruhen, wir haben Verletzte auf beiden Seiten gesehen, mit einer Mehrzahl der Verletzten auf palästinensischer Seite. Ich denke, das gehört auf gewisse Weise zum Repertoire der politischen Meinungsäußerung. Der US-Präsident hat ein Faktum gesetzt, auf das von Seiten der Palästinenser sowie der Araber natürlich reagiert werden muss, dazu gehören Straßenschlachten und Demonstrationen und das Verbrennen der US-Flagge. Ich denke allerdings nicht, dass sich diese Unruhen, wie es oft angekündigt wird, zu einer dritten Intifada auswachsen werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die Stimmung sehr bald wieder beruhigen wird.“
Frage: Donald Trump hat den Palästinensern auch vorgeworfen, keine Friedensgespräche mit Israel führen zu wollen und droht jetzt damit, die US-Finanzhilfen für Palästina zu stoppen. Wenn er Ernst damit macht, was kann das auslösen?
Bugnyar: „Ich habe von dieser Drohung auch in den Nachrichten gehört, das ist glaube ich ein Missverständnis. Ich kann nachvollziehen, in seiner Betrachtungsweise, dass das Sinn macht, wir haben Abermilliarden an US-Dollar-Finanzhilfe nach Palästina gepumpt, und entsprechend erwarten wir uns positive Rückmeldungen und ein positives Reagieren auf unsere Initiativen. Das ist ein Missverständnis insofern, als die arabische Mentalität nicht so funktioniert. Sollte er diese Drohung wahrmachen, dann wird es sicherlich nicht dazu führen, dass die Palästinenser sich einschüchtern lassen, im Gegenteil. Es würde sie [die Amerikaner] in eine weitaus schwächere Position hier in der Region bringen. Die Palästinenser werden sich nicht in die Rolle eines Bittstellers drängen lassen: Ich glaube nicht, dass diese Rechnung aufgehen wird. Da werden Amerikaner und Palästinenser sich schnell wieder auf einen praktikableren Modus der bilateralen Beziehungen einstellen müssen.“
Frage: Die Christen im Heiligen Land sind fast ausschließlich Palästinenser, und es sind klarerweise sind die Palästinenser, zu deren Lasten die derzeitige US-Politik im Heiligen Land geht. Was erzählen Ihnen Palästinenser, ist die Wut und die Unberechenbarkeit groß?
Bugnyar: „Die Wut hält sich in überschaubaren Grenzen, denn wir dürfen nicht vergessen, was US-Präsident Trump gemacht hat, war keine Überraschung, weder für Israelis noch für Palästinenser. Es war angekündigt, er beruft sich auf ein vor über 20 Jahren beschlossenes Gesetz, und darüber hinaus ist es für Israelis keine Überraschung, Jerusalem als die Hauptstadt Israels zu bezeichnen, und umgekehrt ist es auch für Palästinensern nichts Neues, denn diesen Anspruch erheben zwar die Israelis seit Jahrzehnten, aber eben auch die Palästinenser. Wir haben bei ihren Straßendemonstrationen ja auch oft die Parole gehört, Jerusalem ist unser, ganz Jerusalem ist arabisch. Das ist etwas, was diesen beiden Völkern gemeinsam ist, dass sie den Anspruch auf Jerusalem als Hauptstadt stellen. Da ist man, denke ich, sehr realistisch, da erwarte ich mir keine großartigen Konsequenzen auf dieses Faktum.“
Frage: Zu Weihnachten, ist immer wieder zu hören, kommen viele jüdische Israelis in die christlichen Kirchen in Jerusalem, um Weihnachten mitzufeiern. Wie stehen solche jüdischen Israelis zu den außenpolitischen Vorgängen?
Bugnyar: „Das stimmt, es finden sich immer wieder interessierte, jüdische Israelis zu unseren Weihnachtsgottesdiensten ein, ich habe oft den Eindruck, sie kommen gern in deutschsprachige Kommunitäten wie eben zu uns oder auch in die Dormitio-Abtei, möglicherweis auch deshalb – vielleicht ist das ein Klischee unsererseits – weil sie gerne „Stille Nacht“ in Deutsch hören wollen…! Die Gespräche danach konzentrieren sich, und das finde ich schön, auf unsere Weihnachtsbräuche und unser Fest, das, was sie möglicherweise davor in der Liturgie wahrgenommen haben, man kommt dann erst in einem zweiten oder dritten Schritt auf Politik zu sprechen. Denn es ist tatsächlich so: die Entscheidung von Präsident Trump interessiert eher außerhalb des Landes. In Jerusalem selber hat man sie begrüßt, gefeiert, verteufelt, gehasst, je nachdem mit wem man gesprochen hat, aber mehr als das? Es ist kein Thema, das sich über Wochen hinziehen würde.“
Frage: Können die Christengemeinden im Heiligen Land als eine Art Pufferzone zwischen den Streitparteien zwischen Israel und Palästina gelten?
Bugnyar: „Sie sind sicher insofern Teil der Gesellschaft, als wir es bei den Christen im Heiligen Land natürlich mit Palästinensern zu tun haben. Und hier gibt es eine Tendenz, auch bei den kirchlichen Führern, bei unseren Bischöfen, die palästinensische Perspektive einzunehmen, und unter diesem Vorzeichen sehe ich auch die Stellungnahme, die die Kirchenverantwortlichen abgegeben haben, unmittelbar nach der Rede von Trump. Einerseits betrachten sie es aus palästinensischer Perspektive, andererseits sind die christlichen Gemeinden in Jerusalem und im Heiligen Land einfach zu klein, um politisch wirklich wahrgenommen zu werden. Es gibt ja in der hebräischen Sprache auch kein Wort, um ,Bischof´ zu übersetzen, insofern fällt es einem israelischen Betrachter auch schwer, einzuschätzen, wer hier möglicherwiese eine Stellungnahme abgibt. Und man darf natürlich auch nicht vergessen, das halte ich für besonders wichtig, dass Christen innerhalb der palästinensischen Gesellschaft eine Minderheit darstellen. Wenn sich nun also palästinensische Bischöfe für eine politische, palästinensische Lösung aussprechen, dann auch deshalb, weil es ihnen um den Schutz ihrer eigenen Gemeinden als Minderheit im Land gehen muss. Denn es gibt natürlich auch jene extremeren Kräfte, die Christen nicht sonderlich wohlgesonnen sind.“
Frage: Zu diesen Kräften gehören auch die – wenigen – jüdischen Extremisten, die christliche Einrichtungen attackieren, wir erinnern an die Brotvermehrungskirche in Tabgha, die einen Brandanschlag erlebte. Von solchen Attacken war glücklicherweise schon länger nichts mehr zu hören, ist diese Welle antichristlicher Anschläge im Heiligen Land wieder abgeebbt?
Bugnyar: „Ich würde hier nicht von einer Welle sprechen, es sind leider bekannte Phänomene, die es immer wieder gegeben hat, die möglicherweise wellenartig auftreten. Das sind kleine und kleinste extremistische Gruppen, wo sicher eine gewisse Systematik dahintersteckt. Es gibt dann immer Solidaritätsbekundungen von vielen Israelis, die das alles verurteilen und sagen, solche Attacken geben nicht das allgemeine Judentum, den Mainstream in der israelischen Gesellschaft wider. Es gibt allerdings schon, und das macht mir Kopfzerbrechen, es gibt eine wachsende schweigende Mehrheit innerhalb der israelischen Gesellschaft, die möglicherweise mit den letzten Jahrzehnten zu tun haben mag, wo die Ausrichtung der nationalen Politik für israelische Verhältnisse doch eher rechts gewesen ist - das ist nicht jenes ,Rechts´, das wir in Mitteleuropa als solches bezeichnen würden, aber doch sehr national und bewusst. Da gibt es eine größer werdende schweigende Mehrheit, die es solchen extremistischen Kleinstgruppen leichter macht. Hier könnte man annehmen, ohne dass es ausgesprochen werden würde, dass es vielleicht eine wachsende Zustimmung vonseiten der Gesellschaft geben würde. Ich sehe das mit einer gewissen Sorge, ich hoffe, dass ich mich irre, aber das ist eine Beobachtung der letzten 15 Jahre.“
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.