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Angehörige des Mapuche-Volkes in Temuco Angehörige des Mapuche-Volkes in Temuco 

Papstreise nach Chile: Ein Steckbrief

Chile im Steckbrief: Was ist das für ein Land und für eine Kirche, in die der Papst da kommt? Gudrun Sailer sprach mit einer Frau, die das Land sehr gut kennt: Margit Wichelmann, die Chile-Referentin des katholischen Hilfswerks Adveniat.

Wichelmann: „Chile steht derzeit vor einem Regierungswechsel. Im März wird der neugewählte Präsident ins Amt eingeführt, und das ist nicht nur der neue, sondern auch der alte Präsident, der Vorgänger von der bisherigen Präsidentin Michelle Bachelet, und damit steht das Land vor einem Wandelt. Es ist zu vermuten, dass es eine rechts- und wirtschaftspolitisch orientierte Politik sein wird. Auf Ebene der Kirche ist es ein Land, das vor großen Herausforderungen steht, weil der Glaube längst nicht mehr den Stellenwert früherer Jahre hat.“

Frage: In Chile durchläuft die katholische Kirche eine Glaubwürdigkeitskrise. Das hat unter anderem zu tun Missbrauchsfällen durch Priester. Wie ist das Befinden bei den Katholiken über ihre Kirche?

Wichelmann: „Wenn man knapp 20 Jahre zurückblickt, da hatten 90 Prozent der Chilenen ein hohes Vertrauen der Kirche gegenüber ausgesprochen, und heute sind es nur noch 40 Prozent. Das liegt nicht nur an den Missbrauchsfällen, sondern auch daran, dass der Kirche nicht mehr zugetraut wird, Antworten auf die aktuellen Fragen zu geben, im Bereich Familie und anderen, und dass es in Chile insgesamt ein großes Misstrauen gegenüber öffentlichen Institutionen gibt. Dafür sind die Gründe vielfältig. Es gibt viele sozial Probleme im Land, das wirkt sich natürlich auch auf die Kirche aus. Zudem hat der Glaube stark abgenommen, das Land ist immer stärker laizistisch orientiert, das bekommt die Kirche stark zu spüren.“

Frage: Chile ist eines der wohlhabenderen Länder in Lateinamerika. Wie kommt da Papst Franziskus mit seiner Botschaft von der armen Kirche für die Armen an?

Wichelmann: „Ich glaube, das ist gerade in Chile eine wichtige Botschaft, weil die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und es oft wenig Durchmischung gibt, die reichen Bevölkerungsschichten wenig von den Problemen der Armen mitbekommen. Ich habe das selbst auf meiner letzten Reise im Oktober erlebt. Da habe ich mich stark mit der Situation der Migranten beschäftigt und festgestellt, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, in welchem Leid die Migranten in Chile derzeit leben und welche Ungerechtigkeit dort auch geschieht. Von daher ist eine Betonung der armen Kirche für die Armen ein wichtiges Zeichen für die Kirche.“

Frage: Die drei Stationen des Papstes in Chile sind Santiago, Temuco und Iquique, sie stehen für die drei Schwerpunkte der Reise. Der Reihe nach: die Hauptstadt Santiago, welche Botschaft wird der Papst da mutmaßlich anbringen?

Wichelmann: „Santiago steht für offizielle Besuche, für Kontakte zur Regierung, für Begegnung mit Vertretern offizieller Seiten, aber dass er z.B. in Santiago auch ausgewählt hat, in ein Frauengefängnis zu gehen, zeigt, dass auch dort immer für ihn die Ausgegrenzten und die Leidenden im Fokus stehen.“

Frage: Temuco liegt in der sogenannten chilenischen Schweiz im Gebiet Araukanien, dort leben viele Indigene, besonders die Mapuche. In den letzten Monaten war von Attacken von Mapuche-Angehörigen auf Kirchen die Rede. Was sind die Nöte dieser Volksgruppe, und vielleicht auch der anderen Indigenen Chiles, und wie wird sich Franziskus dazu verhalten?

Wichelmann: „Anliegen von Franziskus ist immer, sich an die Seite jener zu stellen, die keine große Lobby haben. Das tut er bei seinem Besuch mit seinem Gespräch mit den Mapuche und mit den Vertretern der Indigenen in Peru, und das zeigt seine Sorge für die Menschen, die Angst haben, ihre Kultur, ihre Lebensgrundlage, ihr Land und auch ihre Spiritualität zu verlieren. Sein Anliegen ist, diese Menschen nicht zu vergessen, gerechte Lösungen zu suchen und einen gemeinsamen Weg zu finden.“

Frage: Dritte Papst-Station in Chile ist Iquique, und diese Station steht für Migration - inwiefern?

Wichelmann: „Migration ist insgesamt in Chile, nicht nur in Iquique, ein großes Thema, das hat schon sehr lange die Stadt Iquique betroffen als Freihandelszone nahe der Grenze, wo schon immer viele Menschen aus den umliegenden Ländern hinkamen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Chile ist kein klassisches Einwanderungsland und hatte im Vergleich zu anderen Ländern wenig mit Migration zu tun. Es hat sich in den letzten Jahren aber geändert, vor allem seit dem Erdbeben in Haiti. Mittlerweile strömen viel Haitianer ins Land, und das ist eine großer Herausforderung für die Gesellschaft, die Fragen nach Integration vorher nicht bearbeiten musste. Eigentlich ist Chile sehr gastfreundlich, und hat Menschen immer mit offenen Armen empfangen, die Gefahr ist, dass das derzeit angesichts der großen Zahl von Einwanderern kippt.“

Frage: Wie stellt sich die chilenische Kirche zum Thema Einwanderung?

Wichelmann: „Ich habe das in Chile mit viel Bewunderung erlebt, wie groß das Engagement in den Pfarreien war, die Migranten zu integrieren, ihnen Angebote zu machen, etwa für Spanischkurse. Haitianer sprechen nur Kreolisch, das schafft Probleme, und da gibt es viele Initiativen der Pfarreien. Sie liefern auch Rechtsberatung, der Aufenthaltsstatus ist ja sehr schwierig, viele werden in unmenschliche Arbeitsverträgen ausgebeutet, und da leistet die Kirche viel gute Arbeit und sorgt auch für mehr Kontakte zwischen Einwanderern und Chilenen.“

Frage: Was erwartet sich Chile insgesamt vom Papstbesuch?

Wichelmann: „Die Chilenen hoffen, dass der Papst Türen öffnen kann für mehr Dialog, gerade mit Blick auf die Konfliktthemen, alles, was mit sozialer Ungleichheit zu tun hat. Das können aber nur erste Impulse sein. Danach müssen die Gesellschaft, die Verantwortungsträger und auch die chilenische Kirche Taten folgen lassen.“

Hier das Gespräch zum Nachhören

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12. Januar 2018, 17:13