Auf Situationen von Leid und Ungerechtigkeit achten: Papstmesse in Iquique
Christine Seuss - Vatikanstadt
Der Papst ging bei seinen Überlegungen vom gehörten Evangelium aus, in dem Johannes von der ersten öffentlichen Wundertat Jesu berichtet. In der freudigen Atmosphäre der Hochzeit von Kana bemerkt Maria, dass etwas die Freude trübt: der Wein ist ausgegangen. Sie bleibt nicht untätig und wendet sich an ihren Sohn, dem sie ihre Beobachtung mitteilt.
„Genauso geht Maria durch unsere Dörfer, Straßen, Plätze, Häuser und Krankenhäuser. Maria ist die Jungfrau von La Tirana; die Jungfrau von Ayquina in Calama; die Jungfrau von Las Peñas in Arica, die all unsere gewohnten Probleme wahrnimmt, die uns im Herzen bedrücken, um sich dann an Jesus zu wenden und ihm zu sagen: Schau, ,sie haben keinen Wein mehr´“.
Daraufhin vollbringt Jesus sein erstes Wunder und verwandelt das Wasser zu Wein, doch dieses Wunder vollbringt er nicht allein: Die Hilfe der Diener, die ihre Krüge mit Wasser füllen, ist dazu vonnöten. „So kann auch ein jeder von uns das Wunder initiieren“, betont Franziskus, „mehr noch, ein jeder von uns ist eingeladen, sich zu beteiligen am Wunder für die anderen.“
Das an die Wüste und an den Pazifik angrenzende Iquique sei ein „Land der Träume“, fuhr Franziskus unter Bezug auf den Namen des Ortes in der Landessprache fort. In Iquique leben viele Migranten, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft nach Chile gekommen sind. Doch die Entscheidung, die angestammte Heimat zu verlassen, sei auch verbunden mit Angst und Unsicherheit, betonte der Papst. „Iquique ist ein Einwanderungsgebiet, das uns an die Größe von Männern und Frauen erinnert, ganzer Familien, die sich trotz aller Hindernisse nicht geschlagen geben und ihren Weg gehen auf der Suche nach Leben. Diese – besonders jene, die ihr Land verlassen müssen, weil sie unterhalb des Existenzminimums leben – sind Ikonen der Heiligen Familie, die Wüsten durchziehen musste, um überleben zu können.“
Man müsse dafür sorgen, dass Iquique ein Land der christlichen Gastfreundschaft bleibe, mahnte der Papst: „Lernen wir von Maria in Kana, und versuchen wir aufmerksam zu sein, damit wir auf unseren Plätzen und in unseren Dörfern die Menschen erkennen, denen das Leben ,verwässert´ ist, diejenigen, die keinen Grund zum Feiern mehr sehen oder die dieser Gründe beraubt worden sind.“
Man dürfe keine Angst davor haben, die Stimme zu erheben und auf die Notlage dieser Menschen aufmerksam zu machen. Dazu gehörten „alle Situationen der Ungerechtigkeit und die neuen Formen der Ausbeutung“, betonte er Papst mit Verweis auf prekäre Arbeitsverhältnisse und Menschen, die die irreguläre Situation von Migranten ausnutzen, „weil sie die Sprache nicht kennen oder keine ordnungsgemäßen Papiere besitzen“: „Seien wir aufmerksam auf den Mangel an Unterkünften, Grundstücken und Arbeitsplätzen, die so viele Familien dringend bräuchten. Und sagen wir wie Maria voller Vertrauen: Sie haben keinen Wein mehr.“
Wie die Diener auf dem Fest sollte jeder das beisteuern, was er zur Verfügung habe, „auch wenn es wenig erscheinen mag“ und solidarisch „mitanpacken“. „ Nutzen wir diese Chance, etwas zu lernen und uns von den Werten, der Weisheit und dem Glauben, die die Migranten mitbringen, erfüllen zu lassen“, so die abschließende Aufforderung des Papstes. „Verschließen wir uns nicht vor den ,Wasserkrügen´ voller Weisheit und Geschichte, die jene mitbringen, die auch weiterhin in diesem Land ankommen. Berauben wir uns nicht all des Guten, das sie uns anzubieten haben,“ appellierte der Papst. Niemand, so seine Bitte, dürfe von der Verkündigung dieser Guten Nachricht ausgeschlossen werden. „Das ist das Fest. Das ist das Wasser, das in Wein verwandelt wird. Das ist das Wunder, das Jesus vollbringt,“ fügte er in freier Rede hinzu.
Im Anschluss an die Messe dankte der Papst den Chilenen für ihre Gastfreundschaft und richtete seinen Blick auf die kommende Etappe seiner Lateinamerikareise: nach dem Mittagessen beim Heiligtum Unserer Lieben Frau von Lourdes und einem kurzen Treffen mit Kranken und Familienmitgliedern von Opfern der Militärdiktatur in der Kirche des Pilgerzentrums wird er nach Lima in Peru weiterreisen, wo er am Donnerstagabend (um kurz vor Mitternach mitteleuropäischer Zeit) erwartet wird.
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