Chiles Ex-Präsident Lagos: Papst hat wichtige Rolle für Weltpolitik
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Das zeigt sich etwa bei einem Gespräch von „Vatican News“ mit dem früheren chilenischen Staatspräsidenten Ricardo Lagos. Der sozialistische Politiker war einer der Väter der chilenischen Demokratie nach den bleiernen Jahren der Pinochet-Diktatur; jetzt ist er ein gefragter „Elder Statesman“ auch auf internationaler Bühne.
Lagos ist Agnostiker – aber er lobt uns gegenüber in höchsten Tönen die Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015.
„Mir scheint, dass der Papst nach fünf Jahren in Rom in eine wichtige Rolle für die Weltgemeinschaft hineingewachsen ist. Speziell mit seiner Enzyklika Laudato si‘, in der es um den Klimawandel geht – und gleichzeitig um sehr viel mehr als nur den Klimawandel. Er bringt die Stimme der Religionen mit dem Fortschritt der Wissenschaften in einen Zusammenhang, er spricht das Überleben des Menschen auf dem Planeten an. Was Menschen vor hundert Jahren an Schadstoffen ausgestoßen haben, ist immer noch in der Atmosphäre – aber vor hundert Jahren lebten noch bei weitem nicht so viele Menschen auf unserem Planeten! Es ist sehr wichtig, dass Laudato si‘ an unsere große Verantwortung erinnert. Nur fünf Monate nach dieser Enzyklika waren die weltpolitischen Führer auf einmal in der Lage, ein Abkommen zum Klimaschutz zu schließen!“
Er bedaure sehr den angekündigten Rückzug der USA aus dem Klimaabkommen von Paris, so Lagos; er hoffe, dass es letztlich doch nicht dazu komme. „Das Leben auf dem Planeten ist zwar nicht in Gefahr – aber das menschliche Leben auf dem Planeten schon!“
Der Chile-Besuch von Papst Franziskus galt auch der Förderung der Ureinwohner des Landes, der Mapuche-Indianer. Der frühere Präsident Lagos ist davon überzeugt, dass sich „in diesem Bereich einige Fortschritte erreichen“ ließen. „Dem Papst ist ja sehr klar, dass es hier nicht nur um eine Spaltung der chilenischen Gesellschaft geht, sondern um einen Riss, der durch eine ganze Reihe von Gesellschaften in vielen Teilen der Welt geht. Die Frage ist also, wie sich eine Brücke über diese Kluft bauen ließe.“ Lagos denkt an die Aufstellung eigener Wahlregister für die Mapuche, und an garantierte Sitze für Mapuche-Abgeordnete im chilenischen Parlament.
Von Papst Franziskus erhofft sich der „Elder Statesman“, wie er unverblümt sagt, eine Sozialenzyklika, die ähnlich wichtig sein könnte wie die Enzyklika Rerum novarum von Papst Leo XIII. aus dem Jahr 1891.
„Denkt man nun an Laudato si‘, dann scheint mir angesichts der Herkunft und Kenntnisse dieses Papstes die Zeit für ein neues Rerum novarum für das 21. Jahrhundert für gekommen. Wir wissen ja alle, wie bahnbrechend Rerum novarum am Ende des 19. Jahrhunderts für die soziale Frage und für die Herausbildung der Soziallehre der Kirche gewesen ist. Jetzt leben wir in einer globalisierten Welt, ob wir das wollen oder nicht; Bürgerbeteiligung wird immer wichtiger, Politik wird zu einer horizontaleren Angelegenheit, nicht mehr einfach von oben nach unten. Welche neuen politischen Institutionen werden sich herausbilden, damit Politik mehr auf die Menschen hören kann und doch demokratisch-repräsentativ bleibt? Das ist die große Herausforderung unserer Tage, und da hat uns die Kirche mit ihrer zweitausendjährigen Erfahrung vielleicht einiges zu lehren.“
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