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Ägypten: Besuch bei Kopten

Sie feiern Gottesdienste noch heute mit der Sprache und den Gesängen der frühen Christen, und sie müssen immer wieder um ihr Leben und ihre Gesundheit fürchten: Die Minderheit der koptischen Christen in Ägypten. Renardo Schlegelmilch war für uns als Reporter in Ägypten unterwegs.

Mario Galgano - Vatikanstadt

VN: Ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung gehört der Volksgruppe an, die immer wieder Opfer von radikalen Islamisten wird. Zuletzt sind Ende Dezember neun Kopten bei einem Anschlag südlich von Kairo ums Leben gekommen. Auf der anderen Seite gehören die koptischen Christen zur wohlhabenden und einflussreichen Schicht des Landes. – Wie kann man diesen Widerspruch erklären und wer sind eigentlich die Kopten?

Schlegelmilch: Ganz einfach ausgedrückt ist das eine Form der Orthodoxie, ähnlich wie russisch oder griechisch orthodox, beruft sich aber bei ihren Traditionen auf die Zeit, in der das Christentum entstanden ist. Wir Katholiken gehen auf den Heiligen Petrus zurück, so sehen die Kopten den Evangelisten Markus als ihren Urvater. Deshalb hat diese Glaubensrichtung eine unglaubliche Tradition. Der heilige Antonius zum Beispiel. Der gilt als erster Mönch überhaupt und hat in einer Höhle in der ägyptischen Wüste gelebt. So wie wir in unserer Liturgie die lateinische Sprache weiterleben lassen, so gibt es in den ägyptischen Gottesdiensten die Sprache des Koptischen, die nicht mehr gesprochen wird, aber noch auf die Pharaonen des alten Ägyptens zurückgeht. 

VN: Nun zählen die Kopten zu den verfolgten Religionsgemeinschaften. Wie drückt sich das denn aus?

Schlegelmilch: Dadurch, dass es immer wieder Anschläge und Morde gibt. Es gibt zum Beispiel die Geschichte, der 21 jungen koptischen Gastarbeiter, die an einem Strand in Libyen enthauptet wurden. In der Kirche des Patriarchats in Kairo gab es Ende 2016 auch einen Selbstmordanschlag, mit 23 Toten. Mitten in Kairo, in einer großen, belebten Kirche, und nicht irgendwo auf dem Land. – Das interessante ist, wie die Kopten damit umgehen. Für sie spielt das Märtyrertum eine ganz große Rolle, deshalb nehmen sie diese Opfer an, und zelebrieren sie regelrecht. In dieser Kirche in Kairo zum Beispiel werden die Bombensplitter und Blutflecken nicht beseitigt, sondern hinter Glasscheiben geschützt und verehrt. Die Eltern und Angehören der Opfer sind stolz darauf, dass ihre Kinder für Christus gestorben sind. – Fragt man bei denen nach, dann kommt so ein trotziger, fast kindlicher Glaube raus. „Was passiert, ist Gottes Wille, deshalb haben wir keine Angst. Der wahre Kampf, den wir kämpfen müssen, ist der gegen den Teufel. Alles andere macht uns nichts aus.“ 

VN: Aber: Ich habe es gesagt, die Kopten zählen eigentlich zur ägyptischen Oberschicht. Wie passt das zusammen?

Schlegelmilch: Da habe ich auch eine lange Zeit gebraucht um das zu verstehen. Das wichtige ist, dass man die Gruppe der Kopten nicht über einen Kamm scheren darf, genau so wenig, wie die Muslime im Land. Ja, es gibt Extremisten und es gibt Anschläge bei denen Menschen sterben. Für den Großteil, gerade in Städten wie Kairo und Alexandria hat das aber mit ihrem Alltag wenig zu tun. Was stimmt ist, dass die Kopten oftmals wohlhabend sind. Inhaber von Geschäften und Einrichtungen, der reichste Ägypter zum Beispiel ist Kopte. Und das führt dann durchaus zu Neid im Rest der Bevölkerung. Ich habe mit Ulrich Delius gesprochen, Ägypten-Experte und Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker. Der sagt: Den Kopten in Ägypten geht es im Prinzip so, wie den Juden im Deutschland der 20er Jahre. Die haben Geld und Einfluss, und das sorgt für Unmut. Die wenigen muslimischen Extremisten können deshalb die Leute mit ihrem Frust auch durchaus auf ihre Seite ziehen und gegen die Kopten vorgehen. – Das sei alles aber mehr ein gesellschaftlicher, als ein religiöser Konflikt. 

VN: Was heißt das für die Kopten in ihrem Alltag?

Schlegelmilch: Da geht es, zumindest in den Großstädten, durchaus friedlich und harmonisch zu, zumindest wenn man das mit anderen arabischen Ländern vergleicht. Christen können sich auf der Straße als Christen erkenntlich zeigen, und sie bekommen kein Problem. Im Stadtbild von Kairo gibt es viele Kirchen, die auch regelmäßig Gottesdienste feiern. – Es gibt sogar die Geschichte, dass während des arabischen Frühlings die Christen auf dem Tahrir-Platz beten wollten, und die Muslime sie mit einer Menschenkette geschützt haben, zum Freitagsgebet haben dann die Christen das gleiche für die Muslime gemacht. – Zusammengefasst. Ja, es gibt Probleme und Spannungen für die Christen im Land, aber das Bild des Christentums in Ägypten darauf zu reduzieren, entspricht auch nicht der Wahrheit.

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30. April 2018, 13:48