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Venezuela: Die Leute wollen Essen, nicht Politik

Venezuela durchläuft die schlimmste Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Präsidentschaftswahlen kommen heran. Aber die Bevölkerung hat keine Kraft mehr, sich für Politik zu interessieren – die Menschen kämpfen einfach um die nächste Mahlzeit.

Gudrun Sailer und Helene Destombes – Vatikanstadt

Wegen der Versorgungsengpässe gab es schon mehrfach schwere Unruhen, Plünderungen und Massenproteste. Der Alltag der meisten Venezolaner ist weniger spektakulär und dreht sich hauptsächlich um die Nahrungsbeschaffung. Der Hunger prägt das Leben und den Alltag der Menschen auf eindringliche Weise, sagt im Gespräch mit Vatican News der französische Priester George Engel, der seit 16 Jahren in Venezuela lebt. „Man findet kaum etwas zu kaufen, die Läden sind leer. Neu ist, dass es kein Bargeld mehr gibt. Man muss  alles mit Kreditkarte zahlen oder per Internet.“

Die Inflation galoppiert. Erst jüngst hat Präsident Nicolas Maduro ein neues Zahlungsmittel angekündigt, für das drei Nullen gestrichen werden sollen. 1000 Bolivar sollen damit ab 4. Juni ein Bolivar wert sein.

Dabei ist Venezuela ein Land mit vielen Ölreserven. Doch Öl kann man nicht essen. Und der Verfall des Ölpreises hat die Situation über die Jahre weiter verschärft. Der linksgerichtete Regierungschef sieht darin den Grund für die Krise und beschuldigt auch westliche Länder, sich auf Kosten Venezuelas zu bereichern. Kritiker entgegnen, an der Wurzel des Übels seien Inkompetenz und Korruption der politischen Klasse und ihrer Günstlinge.

Dabei betrifft die Unterernährung längst auch die Mittelschicht in Venezuela, einschließlich regierungsnahe Berufsgruppen wie Angehörige der Armee und der Polizei, referiert Pater Engel. „Letzte Woche wurden eine Reihe von höheren Offizieren verhaftet, weil ihnen die Regierung unterstellte, Komplotte zu schmieden.“

„Es ist zu hoffen, dass diese Regierung bald stürzt“

Besonders dramatisch aber sei die Lage für Kinder. „Meine Pfarrei liegt neben einem Kinderkrankenhaus, das Kinder mit Krebs behandelt. Aber es gibt schon lange keine Medikamente mehr für sie. Nicht einmal Essen. In unserer Pfarrei sammeln wir Vitaminprodukte und Milch, die wir den Kindern zukommen lassen können.“

Inzwischen sind Schätzungen zufolge rund drei Millionen Venezolaner ausgewandert, nach Argentinien, Brasilien, Chile, Peru und Kolumbien, aber auch nach Europa, Spanien und Portugal. Vor allem junge Leute mit guter Ausbildung gingen weg, beobachtet der Priester. Das werde langfristige Auswirkungen auf Venezuela haben. „Es ist zu hoffen, dass diese Regierung bald stürzt. Die Wirtschaft wieder anzukurbeln mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds ist irgendwie möglich. Aber die gutausgebildeten Leute zurückzuholen, die das Land verlassen haben, das wird schwer, und ihre Abwesenheit ist schwer zu verkraften.“

In sechs Wochen, am 20. Mai, sollen in Venezuela Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die Leute aber sind der Politik überdrüssig. „Die Sorgen der Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind keine politischen Sorgen. Der Wahlausgang steht bereits fest, wir sind in einer Diktatur. Die Sorge der Leute ist, Essen und Medizin zu haben. Das ist, was man auf den Straßen hört und in der U-Bahn: was essen wir heute? Was stelle ich meinen Kindern morgen auf den Tisch? Wie komme ich an Medikamente für meine Mutter, die an hohem Blutdruck leidet und nicht mehr lange durchhält?“

Im Vergleich zum letzten Jahr gibt es auch kaum noch Demonstrationen und Proteste für oder gegen Maduro. Kraftlosigkeit infolge des Hungers und Abwanderung der Jungen sind dafür verantwortlich, sagt der Priester, aber die Enttäuschung nach der letzten großen politischen Offensive, als es Maduro gegen massive Proteste gelang, eine verfassungsgebende Versammlung einzusetzen. 

Was kann man von außen für das Land und die Leute tun? „Ich lade dazu ein, für Venezuela zu beten“, sagt der französische Priester, „und sich zu informieren über das, was dort abläuft. Helfen, wo es möglich ist. Solidarisch sein.“

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05. April 2018, 12:40