Skandinavien: Die Chefin der Bischöfe
Renardo Schlegelmilch - Vatikanstadt
Wir haben mit Schwester Anna Mirijam Kaschner gesprochen, die deutsche Ordensfrau ist Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz. Oder ganz einfach, die Chefin der Bischöfe. Kann man das so sagen?
„Das sagen meine Bischöfe immer ganz gerne. Gerade auf Bischofskonferenzen erlebe ich es öfter, dass ein Bischof sagt: Schwester Anna Mirijam, was müssen wir jetzt machen? Es ist ein bisschen eine Sonderposition. Weltweit gibt es nur drei Frauen auf diesem Posten. Südafrika, Holland, und eben ich für Skandinavien.“ Die Ordensschwester aus Werl in Ostwestfalen ist von ihrer Gemeinschaft vor gut zehn Jahren nach Skandinavien geschickt worden. Damals für die Gemeindearbeit. Da die Hierarchien in der Diaspora aber ganz anders aussehen, hat sie schnell den ungewöhnlichen Schritt geschafft, als Ordensschwester die Generalsekretärin, also die Verwaltungschefin, der Katholiken in Nordeuropa zu werden.
Zur Nordischen Bischofskonferenz zählen die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen, aber auch Finnland und Island. In all diesen Ländern ist die Zahl der Katholiken sehr klein, schwankt zwischen 0,2 Prozent in Finnland und drei Prozent in Island. Eine Herausforderung, da die Kirche ja eigentlich auch überall präsent sein soll. „Wir sind zwar flächenmäßig einer der größten Bischofskonferenzen der Welt, da auch Grönland mit zu unserem Bereich gehört. Dort gibt es aber sicher mehr Eisbären als Katholiken.“
In Nordeuropa gibt es ganze fünf Bistümer. Für die Katholiken bedeutet das ein anderes Gemeindeleben als beispielsweise in Deutschland oder Italien. Die Wege zu den Kirchen sind weit, besonders in einem Land wie Finnland, mit 0,2 Prozent Katholiken. Finnland ist ähnlich groß wie Deutschland. In Deutschland gibt es ca. 11.000 Pfarreien, in Finnland gibt es sieben. Schwester Anna Mirijam: „Man stelle sich vor, in Deutschland gäbe es sieben katholische Kirchgemeinden. Was das an Reisezeit für die Menschen bedeutet, oder auch an Einsamkeit. Sonntags zum Gottesdienst geht nicht jede Woche. Das ist vielleicht einmal im Monat möglich, verbunden mit einem Wochenendausflug.“
Die Menschen, die im Norden aber katholisch sind, sind es dann umso intensiver. Dann nimmt man auch die langen Wege in Kauf, um die Messe zu feiern. Die Kirchen im Norden sind deshalb in der Regel voll. Auch durch den Zuzug von Flüchtlingen wachsen die Gemeinden. Im Dom zu Oslo finden sonntags zwischen 8 und 18 Uhr im Stundentakt zehn Messen statt. Und selbst die reichen nicht wirklich aus. „Die Kirche ist proppevoll, die Menschen feiern auf den Stufen der Kirche noch den Gottesdienst mit. Die Menschen knien vor der Kirche, das sind beeindruckende Bilder.“
Kann man aber diese Begeisterung für den Glauben irgendwie nach Deutschland übertragen? Auch die deutschen Katholiken bewegen sich mehr und mehr in Richtung Diaspora. Schwester Anna Mirijam sagt: Die Situation sei nicht zu vergleichen, aber die Deutschen könnten sich durchaus das eine oder andere abgucken von den Skandinaviern. „Vor allem die große Gelassenheit. Wir können Kirche sein, auch ohne die ganzen Institutionen, ohne die Finanzen, Schulen, Krankenhäuser und ich weiß nicht was. Andererseits haben bei uns auch die Laien eine tragende Funktion.“
Die müssten auch in Deutschland mehr Verantwortung übernehmen, und nicht immer noch auf die Anweisungen von oben hoffen, wünscht sich die Ordensfrau. Aber wäre sowas eigentlich auch in Deutschland denkbar? Eine Frau an der Spitze der Kirchenverwaltung? „Diese Aufgabe ist nicht an das Weiheamt gebunden. Ich denke, das wird sich in Zukunft auch öffnen. Da sehe ich auch für Deutschland keine Probleme.“
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