Opfer von Menschenhandel: Dankbar für Papsteinsatz
Renardo Schlegelmilch und Linda Bordoni - Vatikanstadt
Im Gespräch mit Vatican News erzählt der junge Priester seine bewegende Geschichte.
„Ich habe noch geschlafen, und auf einmal hat jemand angefangen mich zu schlagen, sehr hart. Ich dachte ich träume, aber dem war nicht so. Jemand stand mit einem Gewehr vor meinem Bett, der ganze Schlafsaal war im Chaos. Der Mann hat mich weiter geschlagen und geschrien: Nimm deine Sachen, wir gehen.“
1996 war das, irgendwo in einem Dorf in Burundi. Jean de Dieu war gerade 16 Jahre alt, als Angehörige der Rebellentruppen in Burundi sein Internat überfallen und die Jungen zwischen zwölf und 18 Jahren entführt haben. Die ganze Nacht mussten sie durch den Dschungel marschieren, ohne ihr Ziel zu kennen. Angekommen im Rebellenlager wurden sie unter Drogen gesetzt, gequält und ständiger Gehirnwäsche ausgesetzt. Ein Teil der Gruppe wurde für den Einsatz als Kindersoldaten vorbereitet, die anderen mussten als Arbeitssklaven dienen. Eine Zeit wie ein Alptraum, auch für Jean de Dieu.
„Ich habe einfach nicht verstanden, was mit mir passiert ist. Wir hatten furchtbare Angst, und wurden brutal misshandelt. Also mussten wir einfach gehorchen. Das war eine Zeit geprägt von Angst, von totalem Chaos und auch vom Schock.“
Jahrelang musste er diese Tortur durchstehen. Tag ein, Tag aus, ohne zu wissen, was mit ihm passiert. Nachts überfielen die Rebellen nahegelegene Dörfer, um sie für Nahrung zu plündern. Jean und die anderen Jungen durften erst dann nach den Resten im Müll suchen, wenn die Rebellen schon alles ausgeraubt hatten. Zustände, unter denen kein Mensch leben sollte, und mit denen trotzdem unzählige, auch im 21. Jahrhundert, immer noch kämpfen.
Dagegen engagiert sich in Ostafrika die kirchliche Organisation HAART, mit der Jean de Dieu zusammenarbeitet, um den Menschen seine Geschichte zu erzählen und um ehemaligen Opfern mit Verständnis und Feingefühl für ihre Situation gegenüberzutreten. Genaue Zahlen, wie viele Menschen durch Menschenhandel weltweit verschleppt werden, sind nur schwer zu ermitteln, sagt uns der Leiter der Organisation, Radoslaw Malinowski:
„Es geht um Millionen Menschen jedes Jahr. In Kenia alleine spricht man von 40.000 Opfern des Menschenhandels jährlich, obwohl ich glaube, dass die Zahl höher liegt. Wir haben eine Studie zu Geflüchteten erstellt, die uns sagt, dass 25 Prozent von Flüchtlingen Erfahrungen mit Menschenhandel gemacht haben. Entweder sie selbst oder jemand in ihrer Familie. Das ist jeder vierte Flüchtling.“
Deshalb ist es für die Organisation, die von Nairobi aus arbeitet, so wichtig, eine Hilfe zu bieten. Ein Ansatz, der für die kirchliche Einrichtung auf verschiedenen Ebenen funktioniert, erklärt Malinowski.
„Wir bieten Schutz, Aufklärung, Strafverfolgung, und Überwachung der Problemgebiete. Das ist unser Ansatz, um gegen den Menschenhandel vorzugehen. Wir tun das als religiöse Organisation, und arbeiten auf diesem Gebiet auch eng zusammen mit den Hindus und Muslimen in Kenia.“
Die Religion und der Glaube sind es auch, die Jean de Dieu die Kraft gegeben haben, sein jahrelanges Martyrium zu überstehen. Und im Endeffekt auch den mutigen Schluss zu fassen, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus seinem Gefangenenlager zu fliehen. Alles dank der Kraft des Gebets, wie er uns anvertraut.
„Jeden Morgen und jeden Abend habe ich den Kreuzweg gebetet. Ich habe mir die Leiden Jesu vor Augen geführt. Das hat mir Kraft gegeben, aber auch Hoffnung. Das hat mir geholfen die Schläge und Misshandlungen zu überstehen. Das hat mir die Kraft gegeben, durchzuhalten.“
Heute ist Jean de Dieu katholischer Priester des Ordens der Weißen Väter in Kenia und bereist die Welt, um seine Geschichte zu erzählen.
Heute sei das Bewusstsein für das Problem des Menschenhandels in der Welt schon um einiges größer als noch vor einigen Jahren, sagt er. Nicht zuletzt durch das Engagement der Kirche. Gerade auch durch die Arbeit von Papst Franziskus, der die Missstände der Flüchtlinge, und der Opfer des Menschenhandels immer wieder als Thema anbringt. Eine Wunde im Körper der Menschheit sei dieses Problem, das auch heute noch lange nicht gelöst ist.
„Manchmal habe ich mich gefragt, ob Papst Franziskus selbst so eine Erfahrung durchgemacht hat. Seine Überzeugung, sein Einsatz für die Menschen ist so stark. Man merkt, das Thema Flüchtlinge und Menschenhandel liegen ihm am Herzen. Er macht damit auch die Kirche stärker, gibt ihr einen neuen Sinn. Er will die Frohe Botschaft den Menschen nahe bringen, die es am nötigsten haben.“
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