Polnische Gemeinde in Rom: Ein Gefühl von Zuhause
Milena Furman - Vatikanstadt
Sie fällt im ersten Moment gar nicht groß auf, wenn man die Via delle Botteghe Oscure entlang schlendert. Eine typische römische Kirche, eingebaut in eine Häuserreihe. Die Türen sind offen, von innen schallt Orgelmusik nach draußen. In der kleinen Kirche sitzen Menschen in den Bänken, singen und schauen dabei auf einen kleinen Bildschirm rechts vom Altarraum, auf dem Liedtexte zu sehen sind.
Es ist die Sonntagsmesse in der Kirche des heiligen Stanislaus, der polnischen katholischen Mission in Rom. Zur polnischen Mission gehören etwa 20.000 Bewohner der römischen Diözese, erklärt der Direktor der Mission, Msgr. Paweł Ptasznik.
Das sei keine feste Zahl. Sie ändere sich immer wieder, da auch oft Pilgergruppen aus Polen kämen, um die man sich gleichfalls kümmere und die die Zahl der Gläubigen immer wieder erhöhen; daher sei es eher eine Schätzung, erklärt der Priester.
Im Zentrum: die Liturgie
Missio cum cura animarum – so lautet der offizielle Namen der Organisation. Es ist eine Art Personalpfarrei. Zu ihr gehören alle Polen, die in der römischen Diözese leben, und sie funktioniert wie jede andere normale Pfarrei auch, erklärt der Rektor der Mission:
„Das Zentrum des Lebens ist natürlich die Liturgie, die Eucharistiefeier jeden Sonntag. Bisher hatten wir jeden Sonntag acht Messen. Weil aber die Zahl der polnischen Gläubigen in Rom zurückgeht, haben wir aktuell sechs, während der Ferien vier.“
Darüber hinaus kümmere man sich um die Vorbereitung auf die Sakramente, beginnend bei der Taufe über die Firmung bis hin zum Ehesakrament. Außerdem gibt es verschiedene pastorale Gruppen, wie zum Beispiel Familiengruppen, Gruppen der heimischen Kirche oder Frauengruppen. Es gibt einen Chor und eine Schola, erklärt Monsignore Ptasznik weiter.
Ein Stück Heimat
Gegründet wurde die polnische Mission im Jahr 1578. Damals kamen hauptsächlich reiche Menschen aus Polen nach Rom, um hier zu studieren oder am politischen Leben teilzunehmen. Die polnische Mission wurde so zu einem Ort, wo sie geistige Unterstützung bekamen.
Und das gilt auch heute noch: Es ist der Ort, an dem man sich mit anderen Polen austauschen kann, an dem polnisch gesprochen wird, an dem man sich zu Hause fühlen kann.
Ein Stück Heimat in Rom zu haben, dieses Gefühl überkommt auch Małgorzata aus Polen. Sie lebt bereits seit 25 Jahren in Rom und kommt sehr gerne in die polnische Messe. Hier könne sie die typisch polnischen Lieder singen und fühle sich dann wie in Polen.
Ihr Ehemann Krzysztof lebt bereits seit 30 Jahren in Rom, mittlerweile, so erzählt er, lebe er länger im Ausland als in seiner Heimat Polen. Für ihn sei die polnische Gemeinde trotzdem ein sehr wichtiger und hilfreicher Ort.
Polnische Kultur und Traditionen
„Dank der Gemeinde fühlen wir uns wie zu Hause. Der polnische Pfarrer kann uns in Sachen Taufe zum Beispiel besser beraten. Die italienischen Priester können das natürlich auch. Es gibt viele polnische Familien, die ihre Kinder in italienischen Gemeinden taufen lassen, das klappt natürlich auch. Aber für uns war das besser, weil unsere Kinder polnisch sprechen. Das ist uns am wichtigsten, dass sie polnisch sprechen sowohl zu Hause als auch in der Kirche“, erzählt er.
Die polnische Sprache sowie die Förderung der polnischen Kultur und ihrer Tradition - darauf wird innerhalb der Gemeinde viel Wert gelegt, erklärt auch der Leiter der Pfarrei.
„Das Ziel ist, dass die hier aufwachsende Jugend sich in der polnischen Kultur verwurzelt fühlt und dass sie den ganzen Reichtum dieser Kultur dann auch weitertragen kann. In andere Gemeinschaften hier in Italien oder andere Länder dieser Welt.“
Das sei nicht immer leicht, erklär er weiter, vor allem für jene Kinder, die in gemischten Familien leben. Ihnen liege die italienische Sprache natürlich näher, weil sie in italienische Kindergärten und Schulen gehen. Aber die Eltern geben sich die beste Mühe, den kulturellen Geist des polnischen Landes auch an ihre Kinder weiterzugeben: durch die polnische Sprache, die polnische Geschichte, polnische Literatur.
Heiligkeit der Eucharistie
Der kulturelle und spirituelle polnische Geist ist spürbar, wenn man in der Kirche sitzt und sich umschaut. Die Atmosphäre ist feierlich, die Gläubigen vertieft in das Gebet. Es ist ein normaler Sonntagsgottesdienst, und doch scheint er für die Gläubigen mehr als „nur“ ein Gottesdienst zu sein. Ptasznik versucht zu erklären:
„Ich denke, die Polen haben aufgrund einer speziellen Erziehung in der polnischen Tradition ein besonderes Gefühl für die Heiligkeit der Eucharistie, die ein reines Herz fordert. Deswegen ist das Sakrament der heiligen Kommunion sehr fest mit dem Sakrament der Beichte verbunden.“
Auch was die Vorbereitung zum Empfang der Sakramente angehe, würden polnische Familien deutlich mehr Wert auf eine gute Vorbereitung der Kinder legen. Den Eltern sei es wichtig, dass diese Kommunion eine tiefreligiöse Erfahrung wird und nicht nur ein kulturelles Ereignis, was in diesem Alter dazugehört, weil dann alle Kinder zur Kommunion gehen, erklärt der Priester weiter.
Erzbischof Wojtyla war achtzig Mal hier
Eine ebenfalls wichtige Rolle neben der tiefen Frömmigkeit bildet eine ganz bestimmte Person: Papst Johannes Paul II. Mit ihm fühlt sich die Gemeinde besonders verbunden. Schon zu Zeiten, als er noch kein Papst war, sondern Bischof Karol Wojtyla.
„Die Statuten dieser Kirche sehen vor, dass jeder Bischof von Krakau auch gleichzeitig der Protektor dieser Gemeinde ist. Johannes Paul, früher Bischof Wojtyla, fühlte sich als Erzbischof von Krakau und später auch als Kardinal sehr zu dieser Aufgabe verpflichtet. Und jedes Mal, wenn er in Rom war, schaute er hier vorbei, feierte die Messe und predigte. 80mal hat er diese Kirche besucht“, erzählt der Direktor.
Alle Besuche seien dokumentiert. Die Predigten, die er während dieser Besuche gehalten hat, werden in Kürze in einem Buch veröffentlicht. Und auch später als Papst blieb er dieser Gemeinde verbunden, besuchte sie in seiner Amtszeit drei Mal.
„Unsere Kirche ist zwar kein offizieller Wallfahrtsort, aber die Verehrung des heiligen Johannes Paul II. ist sehr lebendig. Wir haben hier in der Kirche eine Reliquie und darüber hinaus auch viele Gegenstände, die uns von ihm zu Lebzeiten übergeben worden sind. Das sind Erinnerungsstücke, die uns stets an seine Gegenwart erinnern“, erzählt der Geistliche
Symbol für Polen
Das kann auch Małgorzata nur bestätigten: „Ja, seine Gegenwart ist immer noch spürbar. Ich komme oft hier in der Kirche vorbei, um mir sein Bild anzuschauen. Ich erinnere mich an meine ersten Begegnungen mit ihm. Die Audienzen in kleineren Kreise, an denen ich teilnehmen durfte. Und bis heute erinnere ich mich an den Blick von Johannes Paul II.“
Für Krzystof ist Johannes Paul II ein Symbol Polens. Ein einfacher Mann, der aus dem Volk kam. Er habe großem Respekt vor ihm. Sie alle verbinden viele Erinnerungen an ihren Papst. So auch der Direktor der Mission selber.
Paweł Ptasznik arbeitet nämlich darüber hinaus in der polnischen Sektion im Staatssekretariat des Heiligen Stuhls. In dieser Funktion hatte er die Ehre, 10 Jahre lang mit Johannes Paul II. eng zusammenarbeiten. Das Verhältnis zwischen ihm und dem Heiligen Vater sei nicht ausschließlich das eines Arbeitgebers und Arbeitnehmers gewesen, erzählt er im Interview mit Vaticannews:
Gegenwart ist täglich spürbar
„Der Umgang des Heiligen Vaters mit mir war sehr väterlich und er behandelte mich sehr freundschaftlich. Und all das, was er schrieb und publizierte, sah er als eine gemeinsame Arbeit an und nicht nur eine Verschriftlichung dessen, war er selbst der Kirche sagen will. Ich habe also sehr warmherzige Erinnerungen an den Heiligen Vater.“
Was aber ebenfalls sehr stark in pocht, sei dieses Gefühl, dieser großen Persönlichkeit begegnet zu sein, erzählt der Priester weiter: „Damals haben wir nicht ahnen können, dass dieser Mann einst heilig gesprochen wird. Heute sind das Erinnerungen, die auch manchmal ein schlechtes Gewissen hervorrufen und gleichzeitig auch die Herausforderung, in diesem Lichte weiterzugehen, diese Heiligkeit auf die eigene persönliche Weise und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten nachzuahmen.“
Die Gegenwart von Johannes Paul II. spüre er jeden Tag, erzählt der polnische Geistliche zum Schluss. Und vor allem in schweren Momenten wisse er, dass er sich an ihn wenden und sich der Hilfe von Johannes Paul II. sicher sein kann.
(vaticannews)
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