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Litauen: Jugendliche, einfach so, bei einer Messe in Vilnius Litauen: Jugendliche, einfach so, bei einer Messe in Vilnius 

Papstbesuch Litauen: „Eine junge, lebendige, vielfältige Kirche“

Wenn Papst Franziskus am Samstag in Litauen eintrifft, wird er dort auf Begeisterung stoßen: die katholische Kirche im ersten der drei baltischen Länder, das der Papst besucht, ist rege und offen. Wir sprachen mit der Baltikum-Referentin des deutschen katholischen Hilfswerks Renovabis, Angelika Schmähling.

Vatican News: Litauen ist von den drei baltischen Staaten der am stärksten katholisch geprägte, fast 80 Prozent der Bevölkerung sind in der katholischen Kirche getauft. Welches Gesicht hat die katholische Kirche heute in Litauen?

Angelika Schmähling: „Litauen ist eine junge, lebendige, vielfältige Kirche. Es gibt charismatische Gruppen, klassische Jugendverbände, aber auch eine christliche Heavy-Metal-Band – es ist sehr bunt dort. Aber es gibt auch Schwierigkeiten. Ein großes Problem ist die Überalterung in ländlichen Pfarreien, die Jugendlichen gehen in die Städte zum Studieren oder wandern auch aus. Da ist die Problematik, was dann in Zukunft auf dem Land passiert.”

Hier zum Hören:

Vatican News: Seit Litauen zusammen mit den anderen baltischen Staaten unabhängig wurde, gibt es eine rasante Entwicklung. Welche Nachwirkungen der Sowjet-Zeit sind in Litauen heute noch zu spüren?

Angelika Schmähling: „Litauen musste sich in die Unabhängigkeit einfinden. Es gab wirtschaftliche Schwierigkeiten, gerade die Wirtschaftskrise 2008 war nochmal ein schwerer Rückschlag, inzwischen hat sich das Land ganz gut erholt. Aber die Gesellschaft hat noch Nachholbedarf. Litauer berichten, dass das Zuammengehörigkeitsgefühl fehlt, dass es Misstrauen gibt und dass es etwa auch schwierig ist, Leute dazu zu bringen, individuell Verantwortung zu übernehmen. zB das Ehrenamtliche. Auch die Kirche kämpft noch mit den Nachwirkungen der Sowjetzeit. Es war ja so, dass etwa Religionsunterricht verboten war. Man konnte Kinder nur im Untergrund in Religion unterrichten. Sie haben sich heimlich in kleinen Gruppen getroffen. Das heißt, dass einige Generationen nur sehr wenig kirchliches Leben mitbekommen haben, und diese Generationen fehlen. Jetzt steht vor der Kirche die Aufgabe das nachzuholen. Mit den Jugendlichen kann man gut arbeiten, aber was macht man mit deren Eltern und Großeltern?”

„Der EU-Effekt: Litauen hat ein Drittel seiner Bevölkerung verloren. Das kommt durch die offenen Grenzen“

Vatican News: Die baltischen Länder sind allesamt 2004 der EU und der NATO beigetreten, und wirtschaftlich geht es einigermaßen gut voran. Wie stehen die Menschen in Litauen heute Europa und der EU gegenüber?

Angelika Schmähling: „Insgesamt steht das Land der EU positiv gegenüber. Litauen braucht Europa. Es hat, wenn man auf die Landkarte schaut, Russland im Westen, Weißrussland im Osten als Nachbarn, das wird zumindest subjektiv als Bedrohung empfunden, auch wenn wahrscheinlich keine reale Bedrohung da ist, und da wünscht sich Litauen Unterstützung durch die Nato und die EU. Politische zeigt sich das Land definitiv solidarisch mit Europa, ist auch dankbar für die Unterstützung, man sieht es in Litauen an allen Ecken, an Schulen und Straßen hängen überall Plakate, wo die EU überall geholfen hat. Für die Bevölkerung ist es nicht ganz so einfach, sie sehen auch die Nachteile. Die wirtschaftliche Situation ist nach wie vor schwierig, das trifft vor allem die alten Leute, und die Abwanderung war vor allem vom Land in den letzten Jahren sehr hoch. Litauen hat ein Drittel seiner Bevölkerung verloren. Das kommt durch die offenen Grenzen.”

Vatican News: Das vielleicht berühmteste Bild des katholischen Litauen ist der „Berg der Kreuze“, ein Hügel mit zehntausenden von Kreuzen und Kruzifixen in der Mitte des Landes, bei Schaulen. Papst Franziskus wird dort aufgrund der Kürze der Zeit, die er im Baltikum zubringt, nicht hinreisen, aber vor 25 Jahren war Johannes Paul II. dort. Welche Bedeutung hat der „Berg der Kreuze“ heute für Litauen?

Angelika Schmähling: „Der Berg der Kreuze ist definitiv ein Nationalsymbol. Ein Symbol für den Widerstand gegen die Sowjetunion. Ein Hügel, der voll mit Kreuzen ist, an diesen Kreuzen hängen wiederum Rosenkränze. Das war schon in der Sowjetunion ein wichtiger Pilgerort. Das hat den Machthabern nicht gefallen, deshalb wurde der Berg mehrmals plattgemacht, mit Bulldozern eingeebnet, aber die Leute kamen wieder und haben neue Kreuze aufgestellt, und das ist bis heute ein tolles Symbol für den Widerstand, für den Wiederaufbau. Das wird bis heute weitergetragen. Die Leute, die heute hingehen, haben ganz unterschiedliche Beweggründe, der eine hat ein Gebetsanliegen, persönliches Angedenken, auch der Toten wird auf dem Hügel gedacht. Und natürlich kommen inzwischen auch viele Touristen dorthin.”

„Litauen hat eine sehr junge Bischofskonferenz, möglicherweise eine der jüngsten auf der Welt“

Vatican News: Wie sieht der litauische Episkopat heute aus – was sind das für Bischöfe?

Angelika Schmähling: „Litauen hat eine ganz spannende Bischofskonferenz. Eine sehr junge Bischofskonferenz, möglicherweise eine der jüngsten auf der Welt. Es gibt in sieben Diözesen zehn Bischöfe, und von denen sind vier unter 50 Jahre alt. Das heißt, diese jungen Bischöfe haben zwar in der Sowjetunion noch die Schule besucht, aber die Priesterausbildung haben sie in Litauen durchlaufen. Das heißt, da ist eine neue Generation herangewachsen. Diese neue Generation – und übrigens auch die anderen Bischöfe, die maximal 60 Jahre alt sind, sind international erfahren, haben Mut zu Veränderungen, sind offen für Innovationen, und da erwarte ich mir gute Entwicklungen in den nächsten Jahren.”

Vatican News: In welche Richtung könnte sich die Kirche in Litauen also mit diesen jungen Bischöfen entwickeln?

Angelika Schmähling: „Medien- und Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiger Punkt, da ist noch Nachholbedarf. Spannend ist auch, wie die Laien in der Kirche ihre Position finden. Wunderbar ist, dass im letzten Jahr die ersten Ständigen Diakone geweiht wurden. Der zweie Jahrgang hat auch angefangen. Da gibt es noch viel zu entdecken, und die Kirche in Litauen ist offen dafür, obwohl der Grundton sicher konservativ ist, aber im guten Sinn.”

Vatican News: Was erwarten sich die Litauer und Litauerinnen vom Papst, wenn er jetzt kommt?

Angelika Schmähling: „Man muss sagen, der Papst ist zwei Tage in Litauen, das längste Programm bei dieser Reise. Es sind ganz vielfältige Punkte dabei, entsprechend vielfältig sind die Themen. Wichtig ist die Erinnerung an die Vergangenheit. Wie erwähnt, die Opfer der sowjetischen Verfolgung. Da wird Franziskus das ehemalige KGB-Gefängnis besuchen, wo Priester und Ordensleute inhaftiert waren, und er wird auch Zeitzeugen treffen. Genauso wichtig ist das Gedenken an die Opfer des Holocaust. In Vilnius und Litauen gab es ein reiches jüdisches Leben, das vollkommen vernichtet wurde, davon sind faktisch so gut wie keine Spuren übrig. In Kaunas wurden viele Juden aus Deutschland, aus München, ermordet. Daran wird der Papst wohl jedenfalls erinnern.”

Vatican News: Was wird er den Jugendlichen sagen?

Angelika Schmähling: „Gerade mit Blick auf die Jugendsynode ist das sicher das Thema: Er wird sie ermutigen, trotz aller Schwierigkeiten im Land zu bleiben und sich etwas aufzubauen, sich in der Kirche zu engagieren. Da bin ich zuversichtlich, dass der Papstbesuch in Litauen neuen Schwung geben wird. Die Grundvoraussetzungen sind wirklich gut, das haben wir schon zB letztes Jahr gemerkt, da gab es eine Seligsprechung, und danach sind gleich die Zahlen im Priesterseminar nach oben gegangen. Zu dem allen passt auch sehr gut das Motto für den Litauenbesuch: Christus Jesus, unsere Hoffnung. Franziskus wird diese Hoffnung gut vermitteln können, dafür ist er der richtige!”

(vatican news – gs)

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20. September 2018, 13:36