Proteste der Gelbwesten in Frankreich Proteste der Gelbwesten in Frankreich 

„Gelbwesten“: Was sagen die französischen Bischöfe?

Angesichts der anhaltenden Proteste in Frankreich hat nun die Bischofskonferenz Stellung bezogen. Die Geistlichen zeigen ein offenes Ohr für die Anliegen der aufgebrachten Bürger und laden zum Meinungsaustausch ein.

Hendrik Schmiemann - Vatikanstadt

„Wir finden, dass es unserer Demokratie an Orten des Austauschs und des Nachdenkens fehlt“, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung der Französischen Bischofskonferenz. In Frankreich gebe es Tausende Pfarrgemeinden. Sie seien nicht nur Orte des Gebets und der Liturgie, sondern auch der „brüderlichen Familie“. Die Bischöfe rufen die Gläubigen auf, in den kommenden Wochen in den Pfarreien zu Gesprächen zusammenzukommen, die nicht nur Kirchenmitgliedern offenstünden. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob sie gläubig sind oder nicht. Die Bischofskonferenz schlägt dazu auch fünf Diskussionsthemen vor. Darunter zum Beispiel die Frage: „Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die derzeitige Lage und die Formen der Gewalt, die zum Ausdruck gebracht werden?“. Die Menschen werden eingeladen, ihre Antworten an ihre Abgeordneten und den Bischof ihrer jeweiligen Diözese weiterzugeben.

Gegen Gewalt und für einen konstruktiven Dialog
 

Bereits vergangene Woche hatte die Französische Bischofskonferenz die gewalttätigen Ausschreitungen verurteilt und zu einem konstruktiven Dialog aufgerufen. Seit Wochen wird das öffentliche Leben in Frankreich durch Proteste der „Gelbwesten" („Gilets jaunes“) immer wieder lahmgelegt. Benannt ist die Bewegung nach den gelben Warnwesten, die die Demonstranten als Erkennungszeichen tragen. Zunächst richteten sich die Aktionen gegen eine geplante Steuererhöhung bei Kraftstoffen. Mittlerweile machen viele Franzosen ihrem Unmut über soziale Missstände Luft.

Im Vorfeld hatten bereits einzelne Bischöfe Stellung bezogen. Der Bischof von Paris, Michel Aupetit, äußerte sich in einem Interview mit Vatican News. Für ihn zeigen die Proteste „ein erhebliches Leiden eines großen Teils unserer Mitbürger, das Wut erzeugt, wenn es nicht gehört zu werden scheint." Er verstehe den „Schmerz" und die Motivationen derjenigen, die friedlich demonstrierten, verurteile aber die „skandalöse Gewalt" der Unruhestifter aufs Schärfste.

„Unser Land leidet unter einem allgemeinen Missverständnis“

Frankreich attestierte er eine generelle problematische Situation: „Unser Land leidet unter einem allgemeinen Missverständnis“. Zudem würden die Grundwerte der Republik, „Freiheit und Gleichheit“, manchmal „ohne Rücksicht auf die Schwächsten“ uminterpretiert. Aupetit erinnerte an die Hauptaufgabe des Staates, „jedem die Mittel zur Unterstützung seiner Familien und zum Leben in sozialem Frieden zu garantieren.“ Von den Demonstranten wie auch von der Regierung forderte er weiterhin gegenseitiges und respektvolles Zuhören und aufrichtigen Dialog.

„Es scheint immer schwieriger geworden zu sein, miteinander zu sprechen“

Auch Jean-Luc Brunin, Bischof von Le Havre, äußerte sich gegenüber Vatican News zur Krise. Die soziale Krise sei tief in Frankreich verankert. Die Steuererhöhung sei demnach nur eine Schale, die das viel größere Problem verstecke. „Es scheint immer schwieriger geworden zu sein, miteinander zu sprechen. Die Empfindlichkeiten werden größer und die Gewalt ist in der ein oder anderen Form immer vorhanden“, so Brunin.

„Die Würde der Arbeiter wiederherstellen“

Der Bischof von Montauben, Bernard Ginoux, veröffentlichte eine Botschaft mit dem Titel „Die Würde der Arbeiter wiederherstellen“. Er richtete sich an die „Katholiken und Bewohner von Tarn-et-Garonne, die unter sozialer Ungerechtigkeit leiden.“ Der Bischof brachte in dem Schreiben seine Empathie mit den Menschen zum Ausdruck, die sich von einem wirtschaftlichen und politischen System, in dem der Mensch im Namen von Profit und Geld abgelehnt wird, „niedergeschlagen, verachtet und gedemütigt" fühlen. Die Krise komme im Wesentlichen aus dem Mangel an Menschlichkeit in „unser technokratischen Gesellschaft“, so Ginoux. Abschließend rief er die „politischen Autoritäten“ zum Handeln auf.

Bischof von Rodez: Verantwortung und Nachdenken nötig

Der Bischof des Bistums Rodez, François Fonlupt, rief die Demonstranten bei einem Vortrag dazu auf, die von ihnen gewählten Maßnahmen kritisch zu betrachten. „Heutzutage befinden wir uns in dieser Spannung zwischen dem Aufschrei und den zu treffenden Entscheidungen", stellte er fest und rief jeden Bürger, insbesondere die Christen, zur Verantwortung und zum Nachdenken auf.

Sorge beim Bischof von Bayonne-Lescar-Oloron

Marc Aillet, Bischof der Diözese Bayonne-Lescar-Oloron, ist besorgt über die „Verhärtung einer Bewegung, in der sich manche gezwungen fühlen zu ,kämpfen', die Gewalt zu wählen und Plünderungen zu begehen“. Im Anschluss analysierte er die Situation und lud dazu ein, für Frankreich zu beten und einem „Fastenprozess" zu folgen.

Bischof von Gap et Embrun: Gebet und Dialog

Auch Bischof Xavier Malle von Gap et Embrun forderte zum Beten auf. In seiner Botschaft schlug er mehrere „Kriterien für die Entscheidungsfindung“ vor. Sowohl für die Behörden als auch für die „Gelbwesten“. Der Kirchenmann rief zum Zuhören, zum Dialog und zur Reflexion über unseren Lebensstil auf. Zudem bat er, für Frankreich und seine Führer zu beten.

Bischof von Lille: Frankreich hat seine Einheit verloren

Laurent Ulrich, Erzbischof von Lille, glaubt, dass das französische Volk seine Einheit verloren habe. Ulrich ging auch auf die Unterschiede ein, die Frankreich schwächten. Diese sehe er sowohl in Bezug auf die Gebiete als auch auf die Bevölkerung. Um die aktuelle Krise zu überwinden, müsse man „zum politischen Handeln übergehen, d.h. Verantwortung, Dialog, zu diskutierende Vorschläge, Repräsentation" und die „ökologische Notlage". Sein Schreiben schließt Bischof Ulrich mit einem Gebet ab.

(kna - vaticannews)

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11. Dezember 2018, 14:56