Brasilien: Mordauftraggeber nach langer Straflosigkeit wieder in Haft
Mit seiner Entscheidung hob das Gericht die von einem der Obersten Richter im Mai erlassene Einstweilige Verfügung auf, die den zu 25 Jahren Haft verurteilten Landbesitzer auf freien Fuß gesetzt hatte. Der 2005 verübte Mord an Stang, die eng mit dem brasilianisch-österreichischen Amazonas-Bischof Erwin Kräutler zusammenarbeitete, sorgte für internationales Aufsehen; die Justizposse zeigt die Langsamkeit der brasilianischen Justiz. Beobachter hegen die Vermutung, dass an dem Fall ein juristisches Exempel statuiert werden soll.
Der Oberste Richter Marco Aurelio Mello hatte dem Landbesitzer Reginaldo Pereira Galvao im Mai zugestanden, in Freiheit auf die Revision seines Falles vor dem Obersten Gericht zu warten. Galvao war 2010 erstinstanzlich zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Er soll für den Mord an Stang, die sich für die Rechte von Kleinbauern im Amazonasgebiet engagiert hatte, mehrere tausend Euro gezahlt haben.
Landpastoral kritisierte Entlassung
Bereits 2012 erlaubte Richter Aurelio Mello dem verurteilten Galvao, in Freiheit auf seine Berufung in zweiter Instanz zu warten. Obwohl die Strafe von dieser Instanz bestätigt wurde, blieb Galvao weiterhin frei. Die dritte Instanz reduzierte seine Strafe 2017 auf 25 Jahre. Dank Mellos Einstweiliger Verfügung blieb er jedoch auf freiem Fuß. Die katholische Landpastoral Brasiliens hatte damals die Freilassung Galvaos kritisiert. Sie verdeutliche die absurden Zustände rund um die Landfrage in Brasilien. Im Februar 2005 war die damals 73-jährige Missionarin Stang in der Stadt Anapu erschossen worden. Galvao hat als einziger der fünf Verurteilten seine Strafe noch nicht abgebüßt. Die vier Mittäter sind inzwischen wieder frei, nachdem ihre Haftzeiten reduziert wurden.
Ex-Präsident da Silva seit einem Jahr in Haft
Hintergrund des juristischen Tauziehens ist die Frage, ob Verurteilte die Haft antreten müssen, bevor die vierte Instanz entschieden hat und damit der Rechtsweg völlig ausgeschöpft ist. Am 10. April will das Gericht diese Frage erneut beraten. Aufgrund der Langsamkeit des überlasteten Obersten Gerichts verjähren viele Fälle. Wer über gute und teure Anwälte verfügt, die das Verfahren bis zur vierten Instanz tragen, hat große Chancen, straffrei zu bleiben. Anders sieht die Realität für die meisten der rund 800.000 Häftlinge in Brasilien aus. Etwa die Hälfte wartet im Gefängnis auf den Prozess in erster Instanz; sie sitzen also meist in unzulänglich langer Untersuchungshaft. Doch es trifft auch Prominente: Der wegen Korruption und Geldwäsche verurteilte Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (2003-2010) sitzt seine Haftstrafe seit fast einem Jahr ab, obwohl die Revisionen in dritter und vierter Instanz noch anstehen. Seine Verteidiger halten ihn deswegen für einen „politischen Gefangenen".
(kap - ck)
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