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Haiti: Warum die Regierung nichts gegen die Emigration tut

Es ist das bei weitem ärmste Land der westlichen Hemisphäre – und macht eigentlich nur mit Negativ-Schlagzeilen von sich reden. Jetzt ist es mit Haiti wieder mal soweit.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Das Land wird seit etwa zehn Tagen von schweren Unruhen erschüttert, die Bilder sprechen von Chaos: Barrikaden, brennende Reifen, geplünderte Geschäfte, Ausbrüche aus dem Gefängnis, mindestens sechs Tote in den letzten Tagen.
Präsident Jovenel Moïse war eigentlich vor genau einem Jahr angetreten mit dem Versprechen, jeder Haitianer werde genug zu essen haben. Stattdessen musste er Anfang Februar den wirtschaftlichen Notstand verhängen; sechzig Prozent der Bevölkerung müssen mit weniger als zwei Dollar pro Tag über die Runden kommen.

Und ein Hoffnungsträger für die Armen ist er auch nicht mehr, seit er – zusammen mit vielen anderen Politikern des Landes – in einen Korruptionsskandal verwickelt ist.

Rebellion - oder Emigration

Die Haitianer rebellieren also – oder sie emigrieren. Am 2. Februar sank vor den Bahamas ein Flüchtlingsschiff, 31 Migranten aus Haiti ertranken. „Leider war dieses Drama vorhersehbar“, sagt Frédéric Thomas vom belgischen Forschungszentrum CETRI (Centre Tricontinental).

„Schon Anfang November ist ein Boot mit 87 Haitianern in derselben Region in Seenot geraten; die Migranten konnten aber gerettet werden. Die Regierung von Haiti müsste eigentlich dringend Sozial- und Arbeitsplatz-Programme auflegen, um zu verhindern, dass diese Art Drama sich wiederholt. Man hat auf die Mahnungen lange nicht gehört, jetzt sieht man die Folgen.“

Durch die Emigranten kommt viel Geld in den Staatshaushalt

Haiti ist nicht nur arm und politisch versumpft. Es wurde zu allem Überfluss 2010 von einem starken Erdbeben völlig verwüstet; bis zu eine halbe Million Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein. Und immer wieder suchen in den letzten Jahren Wirbelstürme die Insel heim.

Auch das hat dazu geführt, dass schon seit langem junge Haitianer ihr Heil in der Flucht suchen, in der Migration ins Ausland. Die Regierung sieht dem tatenlos zu – vielleicht, weil die Wirtschaft von den Emigranten profitiert.

„Zwischen zwanzig und dreißig Prozent des haitianischen Brutto-Inlandsprodukts kommen durch das Geld herein, das diese Haitianer aus dem Ausland in die Heimat schicken! Das Wirtschaftssystem fußt also teilweise auf der Emigration dieser jungen Leute in die USA, nach Kanada sowie neuerdings nach Chile und in andere Länder Südamerikas.“

Es sind gerade die fähigen Leute, die gehen

Kann ja sein, dass das dem gebeutelten Haiti wirtschaftlich ein bisschen hilft. Aber für die Politik und die Gesellschaft des Landes ist der anhaltende Exodus eine Katastrophe, sagt Frédéric Thomas.

„Wie in vielen Ländern sind es gerade die fähigen Leute, die gehen. Diejenigen, die sich in den Gewerkschaften, in sozialen Bewegungen, in der Frauen- oder Landarbeiterbewegung engagieren. Das macht es der Zivilgesellschaft fast unmöglich, den Staat und die Demokratie neu zu erfinden – zumal sie fast keine oder gar keine Ansprechpartner haben in der politischen Klasse oder der wirtschaftlichen Elite.“

Früher war Haiti mal reich...

Kaum zu glauben – aber im 18. Jahrhundert wurde Haiti noch mit Reichtum und Verschwendung assoziiert. „Der Gesamtwert der Ein- und Ausfuhren der damaligen französischen Kolonie umfasste damals ein Viertel des gesamten Handelsvolumens des Mutterlandes Frankreich“ (KNA) – Stichwort Zuckerrohr und Baumwolle. Wie sich die Zeiten geändert haben…

„Solange es keine wirkliche Politik für Arbeitsplätze und für den Zugang zu den grundlegenden Gesundheitsdienstleistungen gibt, wird leider die junge Generation auch weiterhin keine Zukunft in diesem Land für sich sehen und lieber das Land verlassen. Dabei macht die Verhärtung der US-Migrationspolitik – die meisten Emigranten aus Haiti leben in den USA – das Weggehen aus Haiti noch gefährlicher.“

(vatican news)

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14. Februar 2019, 12:47