USA: Mit der Wissenschaft für den Lebensschutz
Eine Analyse der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA
Im Kern geht es um eine Frage: Ab welchem Zeitpunkt kann ein Fötus außerhalb des Mutterleibs überleben? Für viele Politiker, Ethiker und Juristen wäre genau das der Zeitpunkt, von dem an sie dem ungeborenen Kind einen rechtlichen Schutz zugestehen würden - unabhängig von Glaubensfragen. Beim diesjährigen „March for Life" der Lebensschutzbewegung im Januar in Washington rückten die Demonstranten dieses Thema in den Vordergrund. Dabei sehen sie einen Teil der Wissenschaft als enge Verbündete in ihrem Kampf. Allen voran das Charlotte Lozier Institute (CLI), auf dessen Forschungsarbeiten sich die Pro-Life-Aktivisten stützen.
Die Forscher geben heute differenzierte Antworten auf die Frage über den Beginn des menschlichen Lebens. Das hat nicht zuletzt mit den Fortschritten der Pränatal-Medizin zu tun, die immer bessere Überlebenschancen für Frühgeborene mit sich bringt. Herztöne können schon in der sechsten Schwangerschaftswoche festgestellt werden. Lebensfähig außerhalb des Mutterleibs sind die Föten im Extremfall ab der 22. Woche.
"Junk Science"?
Die Pro-Choice-Bewegung ist bestrebt, die Erkenntnisse der Gegenseite als „Junk Science" abzutun und beruft sich auf eigene Experten: zum Beispiel den US-Berufsverband der Gynäkologen oder die University of California in San Francisco. Der Streit wird über Details geführt - etwa die Frage, ob es sich um Töne eines voll ausgeformten Herzens handelt. Zudem wird darüber gestritten, was Überlebensfähigkeit eigentlich bedeutet.
Doch die Abtreibungsgegner machen Fortschritte bei ihrer Überzeugungsarbeit - auch beim Streitthema Schmerzempfinden von Föten, das bis in die 80er Jahre zurückreicht. Pro-Life-Aktivisten verweisen seit langem darauf, dass Föten schon früh im Mutterleib in der Lage seien, Empfindungen zu zeigen. Lachen oder Weinen gehörten ebenso dazu wie Klatschen oder das Erkennen der Eltern an der Stimme. Laut einer aktuelle Umfrage sind 59 Prozent der US-Amerikaner dafür, dass Föten, die Schmerz empfinden können, einen rechtlichen Schutz genießen sollten. Auf Grundlage dieser Argumentation verbieten etliche Bundesstaaten Abtreibungen ab der 20. Schwangerschaftswoche.
Abtreibung bis vor der Geburt?
Vor diesem Hintergrund hat die Abtreibungsdebatte an Schärfe hinzugewonnen, seit der demokratische Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, ein umstrittenes neues Gesetz in Kraft setzte. Es erlaubt Abtreibungen - unter bestimmten Voraussetzungen - bis zur Geburt. Virginia strebt ein ähnliches Gesetz an. Die katholischen Bischöfe in den Vereinigten Staaten sind strikt dagegen und sprechen von einem Schritt in die falsche Richtung. US-Präsident Donald Trump will daraus ein Wahlkampfthema machen und nennt Spätabtreibungen eine „Hinrichtung von Babys".
Die Kontroverse über die Bedeutung der Wissenschaft in der Abtreibungsfrage bringt auch die Rechtsprechung in Erklärungsnot. Im Verfahren „Gonzales v. Carhart" entschied der Supreme Court 2007, der Gesetzgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, solange sich Experten nicht über wissenschaftliche und medizinische Sachverhalte einigen könnten. Im Verfahren „Whole Woman's Health v. Hellerstedt" rückten die Richter 2016 den Streit über die „besseren" wissenschaftlichen Argumente noch weiter in den Vordergrund: Nutzen und Belastungen eines Abtreibungsgesetzes müssten nachweisbar und verhältnismäßig sein.
Die Präsidentin der Lebensschutzkampagne „March for Life", Jeanne Mancini, sieht Forschung und Medizin als Kronzeugen an der Seite ihrer Bewegung. Die Abtreibungsdebatte sei nicht beigelegt, schrieb sie vor kurzem, aber die zugrundeliegenden wissenschaftlichen Fakten seien eindeutig. Der republikanische Gouverneur des US-Bundesstaates Mississippi, Phil Bryant, hat derweil bereits gehandelt: Am Donnerstag unterzeichnete er ein Gesetz, das Abtreibungen ab dem Moment verbietet, wenn ein Herzton des Fötus feststellbar ist.
(kna – gs)
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