Suche

1562349738146.jpg

Venezuela: Lässt sich die Krise überhaupt lösen?

Foltervorwürfe gegen Sicherheitskräfte des Regimes. Eine von der wirtschaftlichen und humanitären Misere völlig ausgelaugte Bevölkerung. Ein sturer Präsident, der nicht von der Macht lassen will, und ein Gegenpräsident, der keine Truppen hinter sich hat.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Immer verfahrener wirkt die Lage in Venezuela. Einziger Hoffnungsschimmer derzeit ist, dass die zwei konkurrierenden Präsidenten – Nicolás Maduro und der Oppositionelle Juan Guaidò – über Mittelsmänner außerhalb der Landesgrenzen einen Dialog aufgenommen haben. Aber lässt sich die schwere soziale, politische, humanitäre Krise in Venezuela irgendwie lösen?

Ja, glaubt der Jesuitenpater Luis Ovando Hernández, Rektor des „Colegio Loyola Gumilla“. Als wir vor ein paar Tagen mit ihm sprachen, betonte er vor allem die fast aussichtslose Situation. Jetzt aber will er doch herausstreichen, dass es durchaus Lösungsmöglichkeiten gäbe.

„Ich habe starke Hoffnungen, dass wir wirklich aus dieser Krise herauskommen werden“

„Ich habe starke Hoffnungen, dass wir wirklich aus dieser Krise herauskommen werden. Diese Hoffnung gründet auf der demokratischen Reife der venezolanischen Bevölkerung: Mehr als achtzig Prozent der Menschen hier wünschen sich laut Umfragen einen demokratischen Ausweg aus der Krise. Und dieser Ausweg bestünde in Parlamentswahlen – allerdings unter anderen Bedingungen, als wir sie gegenwärtig haben. Dafür müssten sich die verschiedenen sozialen Akteure darauf verständigen, dass das der Weg ist, den sie einschlagen wollen, und internationale Hilfe zulassen, damit man ihn zu Ende geht.“

Zum Nachhören

Die Kirche, die nicht ohne Grund vermieden hat, sich allzu deutlich auf die Seite der Opposition zu stellen, wirkt nach Angaben des Jesuiten hinter den Kulissen auf das Regime wie auf die Opposition ein, auf Neuwahlen hinzusteuern. Mit gutem Willen sei da einiges möglich.

Der Ball liegt im Feld der Regierung

„Der erste Schritt hin zu einem demokratischen Ausweg (aus der Krise) hat mit der Regierung zu tun. Um es mit einem fußballerischen Ausdruck zu sagen: Der Ball liegt im Feld der Regierung. Die Frage ist ganz einfach: Die Regierung muss einfach das, was sie proklamiert, jetzt auch mal ernstnehmen. Wenn wir wirklich, wie sie immer wieder beteuert, in einem demokratischen System leben, naja – dann müssen sich diese Worte in konkrete Taten übersetzen.“

Aber ist es nicht blauäugig, einfach auf eine allmählich wachsende Einsicht im Regime Maduro zu hoffen? Die Foltervorwürfe, die der UNO-Menschenrechtsrat gegen das Regime vorgebracht hat, könnten darauf hindeuten, dass einige rund um Maduro nervös werden. Jedenfalls ist, wie der Jesuit betont, Venezuela ohnehin nach vielen Statistiken „das gewalttätigste Land des Planeten“.

Das Problem der Gewalt an der Wurzel lösen - und die heißt: Straflosigkeit

„Hier sterben jedes Jahr zwischen 24 und 25.000 Menschen eines gewaltsamen Todes. Caracas ist unter den drei gewalttätigsten Städten der Welt, zusammen mit je einer Stadt aus Honduras und aus El Salvador. Wir leben – auch schon ganz abgesehen von der derzeitigen Krise – in einer Art Lotterie, wo wir uns ständig fragen: Wer zieht heute das Los? Und dazu kommt dann noch die politische Gewalt… Noch einmal: Die Krise ist lösbar. In diesem Fall der Gewalt ist es entscheidend, das Problem an der Wurzel zu lösen – und diese Wurzel ist das Thema der Straflosigkeit.“

In der venezolanischen Gesellschaft sei die Straflosigkeit inzwischen „tief verwurzelt“, und oft werde ihr sogar aus der Justiz selbst Vorschub geleistet. Auch dieses Thema der Straflosigkeit müsste ein ehrlicher Dialog zwischen Regime und Opposition „auf Augenhöhe“ ansprechen.

„Die Hoffnung hat zwei Töchter, die beide sehr schön sind...“

Also, Pater Ovando Hernández – Sie haben wirklich noch Hoffnung für Ihr Land? Der Jesuit bejaht und zitiert den heiligen Augustinus: „Die Hoffnung hat zwei Töchter, die beide sehr schön sind – die Empörung und den Mut. Empörung, dass unsere Lage nicht mehr auszuhalten ist. Und Mut, dass man darangeht, sie zu ändern. Das ist es, was ich mir selbst jeden Tag sage und was ich mit Ihnen teilen will: Wir müssen eben die Hoffnung jeden Tag neu zur Welt bringen. Nein sagen zu allem, was dem Plan Gottes widerspricht. Und sein Reich auch in Venezuela aufbauen.“

(vatican news)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

10. Juli 2019, 12:20