Amazonas: Wie schaut’s aus mit Laien in Gemeindeleitung?
P. Bernd Hagenkord – Manaus/Vatikanstadt
„Wir beide waren schon vor unserer Hochzeit in der Kirche aktiv, und ich wusste, dass ich, wenn ich ihn heirate, eine ganze Geschichte mit heirate.“ Maria-Clara Araújo Pereira hat Oseas geheiratet, und der wurde Gemeindeleiter im Amazonasgebiet. Ganze sieben Gemeinden hat das Bistum Itaituba, für eine Fläche, die halb so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland. Priester gibt es kaum, also bildet das Bistum Laien aus.
Oseas war vier Jahre in Morais Almeida tätig, für einen Teil der Gemeinde. Aber wie seine Frau erzählt, ist es nicht nur ihr Mann, der tätig war. „Wir haben hier eine intensive Zeit gehabt, seit unsere Tochter vier Jahre alt ist, hat sich Oseas bemüht, uns alle bei den Gemeindebesuchen mitzunehmen. Und wenn es dann doch mal Zeiten gab, in denen wir zu Hause bleiben mussten, habe ich mir immer gesagt, dass da gerade Menschen sind, die ihn vielleicht dringender brauchen als die eigene Familie.“ Dringender als die Familie: da kann man heraushören, was das für eine Familie bedeuten kann.
„Für mich und für meine Familie war die Zeit in der Gemeindeleitung eine sehr dankbare Erfahrung“, sagt Oseas.“ Nahe bei den Gemeinden zu sein, bei den Goldsuchern, bei den Indigenen, bei allen. Zu sehen, wie wichtig das ist, dass die etwas vom Evangelium hören, das war sehr erfüllend“.
In jeden indigenen Dorf einen indigenen Priester
Das Bistum setzt auf diese Form von Gemeindeleitung, wie uns Bischof Wilmar Santin erklärt. Papst Franziskus habe den Traum, in jedem indigenen Dorf einen indigenen Priester zu haben. Das sei wegen des Zölibates aber schwierig. Also geht Dom Wilmar den Weg über die Diakone, und zwar gestuft. „Die Stufen verlaufen durch die Errichtung der verschiedenen Dienste. Das erste ist der Dienst am Wort Gottes, den gibt es bereits und der wird erweitert. Der zweite Dienst wird der Taufdienst sein, Taufen direkt nach der Geburt sind wichtig für die indigene Kultur. Der dritte Dienst wird der der Eheschließung sein. Und dann die beiden Dienste, die für die Diakonatsordination notwendig sind, nämlich der Lektorendienst und der des Akolythen. Und dann werden wir auch ständige indigene Diakone haben.“
Kommt man in die Dörfer, dann stellt man schnell fest, dass Heiligenfeste wichtiger seien als Hochfeste wie Weihnachten und Ostern, berichtet Dom Wilmar von seinen vielen Reisen im Regenwald, in seinem Bistum. Das liege daran, dass zu den Patronatsfesten die Priester in die Dörfer kämen, zu den Hochfesten aber in den Städten blieben.
In der katholischen Kirche spielen Priester die zentrale Rolle, ohne die geht kaum etwas in Sachen Gemeinde und Leitung, Laien seien gar nicht gewohnt, sich selber zu engagieren. Eine Erfahrung, die auch Oseas teilt.
„Gerade hier in der Stadt ist die Barriere spürbar zwischen einem Priester und einem Laien, da merke ich schon, dass ich kein Priester bin. Die Leute haben mich das auch spüren lassen. Aber draußen, etwa bei den Goldsuchern, ist das schon anders, die sind froh, wenn da jemand kommt und mit ihnen über das Wort Gottes spricht. Da gab es diese Barriere nicht.“
Klerikalisierung der Kirche hat Spuren hinterlassen
Die Klerikalisierung der Kirche hat ihre Spuren hinterlassen, auch im Regenwald. Als Priester oder Ersatzpriester hat er sich nie gefühlt. „Es war für mich nie das Ziel, an die Stelle des Priesters zu treten, sondern meine Rolle hatte ich da klar. Ich arbeite mit Priestern, nicht an deren Stelle.“ Und selber Priester werden? Die innerkirchlichen Debatten gehen ja auch an Urwaldstädten wie Morais Almeida nicht vorbei. „Die Frage von verheirateten Priestern hat für mich nie eine Rolle gespielt, darüber habe ich auch immer mit meiner Frau gesprochen. Für mich war klar, dass ich Laie bleiben möchte und als solcher meinen Beitrag leiste.“
Dom Wilmar unterstützt Oseas, auch wenn er sich als Bischof viele ständige und damit verheiratete Diakone wünscht, vor allem Indigene, dürfe es keinen Automatismus geben. „Nein, das bedeutet nicht, dass Diener des Wortes, Diener der Taufe dann automatisch auf dem Weg sind, zu Diakonen geweiht zu werden. Aber der Diakonat ist eine Möglichkeit. Mein Interesse ist es, dass die Menschen besser unterstützt werden und dass sie mehr Zugang zu den Sakramenten haben, nicht nur wenn der Priester kommt.“
Beide – Maria-Clara und Oseas – sprechen in der Vergangenheitsform. Denn Oseas ist nicht mehr Gemeindeleiter. Zum einen müsse er seine Familie ernähren und arbeiten. Und wenn er unter der Woche drei, vier Tage unterwegs sei, sei das nicht zu machen. Und die besuchten Gemeinden seien gewohnt, dass die Priester Unterstützung mitbrächten, nicht dass die Seelsorger welche bräuchten. Auch das eine Folge der Priesterzentriertheit.
Barriere zwischen Laien und Priestern
Aber auch die Barriere zwischen Laien und Priestern spielt für Oseas Entscheidung, den Dienst nicht mehr weiter zu machen, eine Rolle, wie er erzählt. „Es stimmt, erst wird man angeregt, sich zu engagieren, aber dann spannt die Kirche die Zügel an und hält einen zurück. Die Kirche zentralisiert, und da gibt es Angst, Macht zu verlieren.“
Trotz allem ist beiden wichtig, noch einmal zu betonen, wie wichtig diese Zeit für ihren Glauben war. „Diese vier Jahre waren eine einzigartige Erfahrung. Das waren tiefe religiöse Erfahrungen. Wir sind als Familie und ich als Ehefrau und Mutter immer in den Gemeinden sehr willkommen geheißen worden. Das wird mich weiterhin prägen.“
(vatican news)
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