Flucht in die Stadt, Flucht aus dem Land: Indigene Migration
P. Bernd Hagenkord – Manaus/Vatikanstadt
Sie sprechen Spanisch, nicht Portugiesisch, und schon allein deshalb klingen sie fremd hier in Brasilien: Das Volk der Warao lebt am Stadtrand und in einem fremden Land. „In der Fremde“, würde die Bibel das nennen.
Ein schmaler Gang zwischen Betonblöcken, rechts und links gehen türlose Eingänge in kleine schmuck- und einrichtungslose Wohnungen ab, die Balkone darüber nehmen fast alles Licht weg: So stellt man sich nicht wirklich die Unterkunft eines indigenen Volks vor. Sie selber wohl auch nicht: Das indigene Volk der Warao, das so in Manaus lebt, hat sich die Lebensumstände nicht ausgesucht.
„Im Augenblick träumen wir noch nicht einmal von der Rückkehr, denn die Situation in Venezuela ist einfach nur schlimm.“ Neves, gewählter Kazike der Warao-Gemeinschaft in dem Block, den wir besuchen, berichtet von ihrer doppelten Migration. Auf ihrem Land im Nordosten Venezuelas sei Öl vermutet worden, damals seien sie das erste Mal geflohen, in die Städte. „Aber auch da war die Situation so entsetzlich, dass wir entschieden haben, nach Brasilien zu gehen und erst einmal hier zu bleiben." Arbeit hätten sie keine, auch nach Jahren noch nicht.
Ihre Normalität ist durcheinander
Die Warao erhalten zwar ihre Sozialstruktur, etwa die Leitung durch einen gewählten Kaziken, von Normalität kann aber keine Rede sein. In der Stadt, ohne Arbeit, ohne geregelten Alltag, ohne sich selbst versorgen zu können, abhängig sein. Das geht an die Würde. Unter Vorurteilen würden sie obendrein noch leiden, Indigene würden doch nur saufen und ihre Kinder zum Betteln schicken, so in etwa.
421 Menschen lebten zur Zeit in diesen Betonunterkünften, berichtet Alfredo Nascimento, Pastor und einer der Koordinatoren der Hilfe für die Warao. Er führt uns durch die beiden Stockwerke, in denen die Menschen leben. darunter fast 200 Kinder. Diese lichtlosen Betonwohnungen seien nur ein Provisorium, er schaue sich mit den Kaziken immer wieder Möglichkeiten an, dass sie an den Stadtrand von Manaus ziehen können, um mehr so leben zu können wie sie es gewohnt seien. Das Ziel ist, dass die Warao wieder heimisch werden und nicht nur einfach untergebracht würden.
„Wir sprechen viel mit ihnen und sie sagen uns, dass sie nicht zurück nach Venezuela wollen, dazu haben sie keine Pläne. Sie wollen erst einmal in Brasilien bleiben. Wenn sie zum Beispiel eine Landwirtschaft übernehmen, dann werden sie dort auch erst einmal nur für ein Jahr bleiben, die Frage, was dann mit ihnen geschieht stellt sich im Augenblick noch nicht."
„Die Kirche in Brasilien ist sehr sensibel für soziale Fragen", erklärt uns José Alcimar, Vizepräsident der Caritas im Bistum Manaus. „Das hat man schon damals gemerkt, als die Haitianer kamen, da gab es eine große Hilfsbereitschaft. Für uns ist das Ausdruck des Glaubens, auch wenn es nicht immer einfach ist. Pfarreien nehmen Familien auf, während wir bei der Caritas uns eher der organisatorischen Seite widmen. Wir versuchen hier auch die Ängste abzubauen, die bei den Brasilianern entstehen, die glauben, dass nun die Brasilianer zu kurz kämen. Aber es ist noch einmal etwas anders, im eigenen Land arm zu sein, als arm zu sein in einem fremden Land.“
(vatican news)
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