„Afrikas Jugend will arbeiten“: ein Ordensmann erzählt
Vatican News: Zum bevorstehenden Internationalen Tag der Jugend erinnern die Salesianer an das Potential der vielen jungen Menschen Afrikas für die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents. Wie erleben Sie die Lage junger Menschen in einem Land wie Ghana, das in Afrika zu den eher wohlhabenden Ländern zählt?
Mayer: „Ich habe erlebt, dass es viele junge Menschen dort gibt, die nach einem Ausbildungsplatz suchen, aber oft nicht die richtigen Möglichkeiten haben. Vor allem in der Berufsausbildung. Es gibt da nur einige Missionsschulen. Dabei wollen junge Leute ja arbeiten! Sie müssen gefördert werden, sodass sie die Möglichkeit haben, später einen Beruf zu ergreifen und ihr Leben in die Hand zu nehmen. Die jungen Leute wollen nicht irgendwo herumsitzen. Sie sagen: ,Gebt uns Arbeit, wir wollen ein Einkommen schaffen. Wir wollen für uns selber sorgen können.‘“
Vatican News: Sie sagen, es braucht mehr Investitionen z.B. europäischer Unternehmen, um die meistens hoch motivierten Jugendlichen Afrikas in den Arbeitsmarkt ihrer Heimatländer zu integrieren. Was könnte für solche Investitionen österreichischer oder deutscher Firmen ein Anreiz sein?
Mayer: „Ghana zum Beispiel ist ein Land mit Rohstoffen, in dem man produzieren kann und in dem es genug Arbeitskräfte gibt. Wenn ein westliches Unternehmen in ein Land wie Ghana oder überhaupt in Westafrika investiert und ein Budget erstellt, wie man eine Fabrik dort aufbauen kann, dann könnten zwei oder drei Prozent davon in die Ausbildung investiert werden. Denn wenn es dann losgeht mit der Produktion und mit der Arbeit, sind zugleich ausgebildete Leute da. Das war oft das Problem bei Firmen, die mich kontaktiert und mir gesagt haben, dass sie keine qualifizierten Leute finden. Klar: wenn man nicht in die Qualifikation investiert, kann man keine qualifizierten Leute bekommen. Denken wir an die großen Unternehmen in Deutschland oder Österreich, die jahrelang eine Lehrwerkstatt hatten. Die haben ja auch in die jungen Leute investiert, damit sie später qualifizierte Leute haben. Dasselbe könnte auch in Afrika geschehen.“
Vatican News: Es wäre ja im Interesse des Landes, dass die jungen Leute eine Ausbildung erhalten. Warum funktioniert das in einem Land wie Ghana noch nicht hinreichend?
Mayer: „Ausbildung ist immer eine halbherzige Sache, das hat auch mit der Politik zu tun. Jede Regierung versucht einfach, ihre Interessen durchzusetzen. Meistens sagt man, wir bilden die Leute für Jobs in der Administration auf, in Buchhaltung, für das Studium, die sogenannten ,White- Collar-Jobs‘. Aber eigentlich brauchen die Menschen dort Handwerk. Es kann ja nicht jeder einen akademischen Beruf ausüben oder in der Verwaltung arbeiten, mit dem Gedanken, das als Sprungbrett zu verwenden und bei einer internationalen Firma im Ausland einen Job zu bekommen. Wir brauchen die Leute vor Ort, die Fachleute, die Häuser bauen und Installationen vornehmen und in den Fabriken arbeiten können.“
Vatican News: Genau an diesem Punkt setzt ein wichtiges afrikanisches Projekt der Salesianer an: das Berufsbildungsnetzwerk „Don Bosco Tech Africa“. Welche Erfolge hat dieses Netzwerk in den ersten fünf Jahren seines Bestehens verzeichnet?
Mayer: „Wir haben vor vielen Jahren entdeckt, dass wir in den einzelnen Ländern viele Berufsausbildungsstätten haben mit verschiedenen Niveaus, von der einfachsten Berufsausbildung bis zum technischen Institut. Wir sind haben in 35 Ländern in Afrika fast 100 Berufsausbildungsstätten, wo wir fast 30.000 Jugendliche ausgebildet haben. Da sind wir erst draufgekommen, als wir das Netzwerk gegründet haben. Damit können wir vor der Wirtschaft und der Politik besser auftreten. Wir können sagen, dass wir hier die Schulen in über 30 Ländern vor Ort haben. Einer der Erfolge, die wir haben: Wir haben in jeder dieser Berufsausbildungsstätten auch eine Arbeitsvermittlung geschaffen. Wir versuchen, von da aus einheimische und internationale Firmen zu kontaktieren, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir ausgebildete Leute haben. Wir versuchen, eine Verbindung zwischen Wirtschaft, Regierungen und Ausbildungsstätten herzustellen. Ein Netzwerk, afrikaweit, und damit versuchen wir, mehr Leute in den Markt zu bekommen.“
Vatican News: Die jungen, ausgebildeten Leute werden Ihnen aus der Hand gerissen?
Mayer: „Das Problem ist, dass internationale Firmen sich oft noch scheuen zu investieren, es ist nämlich auch eine Kostenfrage. Berufsschulen müssen unterstützt werden. Wo kommt das Geld her? Viele Jugendliche sind arm, sie können das Schulgeld nicht bezahlen. Also brauchen wir Unterstützung von auswärts. Da wären die Unternehmen die richtigen Partner für uns. Auch die Berufsausbildungsstätten wären die richtigen Partner für die Unternehmen. Das wäre ein Dualsystem, das wir auch im deutschsprachigen Raum kennen: Jugendliche werden ausgebildet, sind aber gleichzeitig auch in den Wirtschaftsprozess eingegliedert. Unternehmen könnten vor Ort Berufsausbildungsstätten mitfinanzieren und fragen: ,Was braucht ihr an Ausrüstung; könnt ihr mir jährlich 20 Maurer, 20 Tischler, 20 Installateure ausbilden? Die würde ich in meinem Unternehmen brauchen.‘ Dann geben wir den Firmen auch die Versicherung, dass sie wirklich gut ausgebildete Leute bekommen.“
Vatican News: Armut ist der häufigste Grund, warum junge Menschen aus Afrika emigrieren. Andererseits sagen die Erhebungen, dass nicht die Allerärmsten weggehen, sondern eher die Angehörigen der jungen Mittelschicht. Wie ist dazu Ihre Erfahrung als Missionar?
Mayer: „Die Erfahrung der Migration haben wir schon vor der großen Emigrations- und Fluchtwelle gemacht, dass vereinzelt Leute geflüchtet sind. Ich würde nicht sagen, dass sie aus der Mittelschicht kommen, die haben eher Interesse, im Land zu bleiben. Und wenn Leute aus der Mittelschicht reisen, dann können sie es sich leisten, Europa oder andere Staaten auf anderen Wegen zu besuchen. Das sind eher doch die Ärmeren [die emigrieren]. Als letzten Ausweg tun die Familien das Geld zusammen und investieren, dass das junge Familienmitglied es nach Europa schafft, dort eine Arbeit bekommt und dann das Geld zurückschickt, um die Familie zu unterstützen. Das ist ein Geschäftsmodell, das aber leider nicht aufgeht. Nach Libyen zu kommen und dann überzusetzen, kostet oft 5.000 Dollar oder mehr. Und die jungen Menschen emigrieren nach Europa und sehen, dass es dort auch keine Möglichkeit für sie gibt. Das ist eine Falle, in die sich der junge Mensch hineinbegibt. Darum ist unser Standpunkt, vor Ort zu helfen und die jungen Leute auszubilden, damit sie nicht für notwendig empfinden, nach Europa zu immigrieren und dort zu versuchen, ein besseres Leben zu führen. Das bessere Leben sollte in Afrika sein.”
Das Gespräch führte Gudrun Sailer.
(vaticannews)
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