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Vor malerischer Kulisse: die EU-Innenminister auf Malta Vor malerischer Kulisse: die EU-Innenminister auf Malta 

Bootsflüchtlinge: „Das ist der Beginn einer Lösung“

Die Innenminister der EU haben sich bei einer Konferenz auf Malta am Montag nicht auf ein Quotensytem zur Verteilung von geretteten Bootsflüchtlingen einigen können. Jetzt soll ein weiteres Treffen am 8. Oktober in Luxemburg klären, welche EU-Staaten künftig wie viele Migranten und Flüchtlinge von den Seenot-Rettungsschiffen übernehmen.

Einen Durchbruch gab es in Malta also nicht; trotzdem ist Christopher Hein, einst Gründer und jetzt Berater des Italienischen Flüchtlingsrates, erleichtert. Im Interview mit Vatican News sagte er am Dienstag:

Hein: Ich bin optimistisch und froh, dass nach so vielen Monaten von Diskussion und konkreten Vorschlägen, die keine politische Anwendung gefunden haben, endlich der Beginn einer Lösung gefunden ist – so sieht es nach der Konferenz von Malta jedenfalls aus. In erster Linie denke ich dabei an die Flüchtlinge und Migranten, die in den vergangenen Monaten manchmal wochenlang auf hoher See bleiben mussten, weil kein Land sich bereiterklärte, sie aufzunehmen, weil kein sicherer Hafen zur Verfügung stand. Das wird mit einiger Sicherheit ein Ende haben! Und das ist eine gute Nachricht.

Zum Nachhören

Vatican News: Das ist die gute Nachricht – doch die schlechte lautet: So richtig ist die Lösung noch nicht da. Die EU-Mitgliedsländer schieben sich ja weiterhin den Schwarzen Peter zu…

„Eine neue Politik der Übernahme europäischer Solidarität“

Hein: Wissen Sie, man muss immer optimistisch sein. Ein erstes Resultat ist, dass die ‚Ocean Viking‘ im Hafen von Messina in Sizilien legal einlaufen konnte und über 180 Flüchtlinge und Migranten von Bord gingen. Das wäre vor ein paar Wochen einfach undenkbar gewesen, auch in dieser Schnelligkeit – und das ist bereits ein Vor-Effekt von diesem Beginn einer Übereinstimmung mit Deutschland, Frankreich und der Europäischen Kommission und vermutlich etwa zehn weiteren Ländern in dieser neuen Politik der Übernahme europäischer Solidarität.

Vatican News: Aber was ist denn so eine Lösung wert (vorausgesetzt, sie kommt tatsächlich noch im Oktober zustande), wenn immer noch nicht der klare Quotenschlüssel daliegt, wenn Frankreich immer noch sagt ‚Wir wollen aber keine Wirtschaftsflüchtlinge‘, wenn sich viele EU-Länder (vor allem aus dem Osten) voraussichtlich wieder nicht beteiligen, wenn auch das Dublin-System weiter umschifft wird?

Hein: Ja sicherlich werden nicht alle nun noch 28 EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, das ist klar. Die Visegrad-Staatengruppe mit Polen und Ungarn an der Spitze werden sicher dagegen Sturm laufen. Die Haltung Frankreichs aber und von Präsident Macron persönlich scheint sich geändert zu haben, sonst wäre es gar nicht zu dieser Konferenz in Malta gekommen – er scheint darauf zu verzichten, nur noch anerkannte Flüchtlinge zu übernehmen; das würde ja überhaupt keine Lösung für die Erstaufnahme-Länder, also Italien und Malta, bedeuten. Natürlich sind eine Menge Details zu klären, vor allem in Bezug auf die Quoten, aber das Wichtige ist meiner Ansicht nach das politische Signal, das hier gegeben worden ist. Es wird Auswirkungen haben – egal, wie jetzt im Einzelnen die Regelungen hinterher aussehen.

„Ob Flüchtlingszahlen steigen oder runtergehen, hängt von so vielen Faktoren ab...“

Vatican News: Ein Matteo Salvini (bis vor kurzem italienischer Innenminister) wird ja dann nur noch darauf warten, dass irgendwann die Flüchtlings- und Migrantenzahlen wieder steigen, um dann zu sagen: Seht ihr? Ich hab’s euch ja gesagt…

Hein: Ob Flüchtlingszahlen steigen oder runtergehen, hängt von so vielen Faktoren ab, vor allem der Lage in den Herkunftsländern, aber auch der Lage in den Durchgangs- oder Erstaufnahmeländern in Afrika oder dem Vorderen Orient – diese Verbindung zwischen einer verstärkten Seenotrettung im Mittelmeer und den Zahlen der Menschen, die ankommen, ist in keiner Weise nachgewiesen. Im Gegenteil: Das Einzige, was nachgewiesen ist, ist, dass sich durch den Mangel an effektiver Seenotrettung das Verhältnis zwischen den Toten im Mittelmeer und denen, die tatsächlich ankamen, in diesen letzten zwei Jahren verfünffacht hat!

Das Gespräch führte Stefan von Kempis.

(vatican news)
 

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24. September 2019, 14:38