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Ein Bild der Zerstörung nach dem Dammbruch von Brumadinho Ein Bild der Zerstörung nach dem Dammbruch von Brumadinho 

Dammbruch in Brasilien: MISEREOR unterstützt Klage gegen TÜV SÜD

In Zusammenhang mit dem verheerenden Dammbruch von Brumadinho in Brasilien Anfang des Jahres unterstützt das katholische Hilfswerk MISEREOR eine Klage gegen das deutsche Zertifizierungsunternehmen TÜV SÜD. Dabei geht es vor allem um Transparenz den Betroffenen gegenüber, aber auch um eine Offenlegung der Mechanismen, die solchen Unglücken zugrunde liegen, erläutert MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel gegenüber Radio Vatikan.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Mehr als 270 Menschen wurden getötet, das Trinkwasser Tausender verseucht und die Umwelt zerstört, als am 25. Januar 2019 der Damm B1 bei Brumadinho in Brasilien brach. Nur vier Monate zuvor hatte TÜV SÜD die Sicherheit des Damms bestätigt. Am 15. Oktober 2019 haben deswegen fünf Betroffene aus Brasilien gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und MISEREOR Anzeige gegen das deutsche Zertifizierungsunternehmen und einen seiner Mitarbeiter eingereicht. Die Vorwürfe: fahrlässige Tötung, Privatbestechung, fahrlässiges Herbeiführen einer Überschwemmung sowie Verletzung der Aufsichtspflichten.

Zum Nachhören

„Wir haben diese Anzeige unterstützt, in erster Linie, weil unsere Partner uns darum gebeten haben und weil wir von MISEREOR mit über 60 anderen Organisationen in Deutschland für ein Gesetz zur Transparenz der gesamten Lieferkette eintreten“, erklärte Pirmin Spiegel uns am Rand der Amazonien-Synode. Man wolle sich dafür einsetzen, dass die Betroffenen diese Transparenz einfordern könnten, aber auch, „dass sie dort, wo sie betroffen sind, wo Menschleben bedroht werden und wo die Natur zerstört wird, Anklage erheben können.“

Nach Erkenntnissen des ECCHR wiesen Ingenieure des brasilianischen Tochterunternehmens von TÜV SÜD, Bureau de Projetos e Consultoria Ltda, bereits im März 2018 auf Probleme bei der Entwässerung des Dammes B1 hin. Der zu hohe Wasserdruck führte schließlich zum Dammbruch im Januar 2019.

Anwaltschaft für die Schöpfung

„TÜV-Süd war mitverantwortlich für die Zertifizierung, dass der Damm in Brumadinho den Sicherheitsanforderungen entspricht“, ruft uns Pirmin Spiegel in Erinnerung. Mittlerweile sei jedoch festgestellt worden, dass Manipulation und Druck im Spiel waren, so dass TÜV Süd nach momentanem Erkenntnisstand sein Zertifikat wohl gegen besseres Wissen ausgestellt habe: „Das muss geprüft werden und deshalb unterstützen wir mit unseren Partnern diese Anzeige gegen TÜV Süd,“ bekräftigt der MISEREOR -Vertreter. Von der Anzeige verspreche man sich nicht nur Transparenz, was die Hintergründe des Dammbruchs betreffe, sondern auch eine „Anwaltschaft für die Schöpfung“ selbst. Es müsse „transparent und deutlich“ werden, was offensichtlich im Vordergrund zu stehen scheine: nämlich „wirtschaftliche kurzfristige Interessen“, die die Menschenrechte und Sorge für die Schöpfung hintanstellten, so Spiegel.

Vale S.A., der weltweit größte Eisenerz-Exporteur und Betreiber der Mine, zu der der geborstene Damm gehört, weist trotz einer Verurteilung auf Schadensersatzzahlungen nach wie vor jede Verantwortung für das Desaster von sich - und beruft sich dabei auf TÜV SÜD und die Prüfergebnisse seiner brasilianischen Tochter. Die Arbeit von Zertifizierungsunternehmen in der globalen Wirtschaft wirft jedoch Probleme auf. Unternehmen, wie in diesem Fall Vale, bezahlen Zertifizierer für Sicherheitsprüfungen – was zwingend zu einem Interessenkonflikt führt. Doch die Verantwortung verortet Pirmin Spiegel vor allem im Geschäftsgebaren der Unternehmen, die ihre Produktion (und damit auch die damit verbundenen Risiken) billig auslagern.

Ein koloniales Modell, das hinterfragt werden muss

„Die Ereignisse in Brumadinho zu Beginn dieses Jahres sind beispielhaft. Wir kennen sehr viele Fälle in Pakistan, in Bangladesch, in Ländern, in denen Produktion billig ausgelagert wird. Das ist ein grundsätzliches Problem und eine Herausforderung für uns bei MISEREOR, nämlich die Frage, die wir als imperiale Lebensweise bezeichnen. Imperiale Lebensweise meint, dass die Konsequenzen von kurzfristigen Gewinnen und wirtschaftlichen Interessen ausgelagert werden in andere Länder. Und dies ist ein koloniales Modell, das hinterfragt werden muss, um der Menschen willen, um der Schöpfung willen und um einer größeren Gerechtigkeit willen.“ 

(vatican news/pm)

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17. Oktober 2019, 14:23