Haiti: „Es herrscht einfach nur Unordnung“
Mario Galgano und Cécile Mérieux – Vatikanstadt
Für Bischof Quesnel erlebt Haiti derzeit „einen tragischen Moment in der Geschichte seines Volkes“. „Man könnte sogar sagen, dass es in diesem Land eine Art Apartheid gibt“, fährt er fort, „wo ein großer Teil der Bevölkerung unter allem erdenklichen Übel leidet: kein Wasser, kein Strom, keine Straßen, keine Gesundheitsdienste“. Alle Dienste in der haitianischen Gesellschaft seien gelähmt. Der Müll in den Städten drohe Epidemien auszulösen. Laut einer UN-Erklärung vom Mittwoch litten fast 2,6 Millionen Haitianer unter Hunger.
Die Bevölkerung ginge auf die Straßen, doch dort komme es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. Geschäfte in wohlhabenderen Stadtteilen, aber auch NGO-Posten wie die Caritas in der Stadt Les Cayes wurden geplündert. An diesem Freitag ist ein weiterer Protest-Tag der nationalen Opposition vorgesehen.
Korruptionsvorwürfe
Neben der Anprangerung schlechter Lebensbedingungen wirft die Bevölkerung der Regierung vor, das Geld des Landes zu verschwenden und sich der Korruption schuldig zu machen. Laut Bischof Quesnel sei der Auslöser für die Protestbewegung die Enthüllung eines Skandals über die Verschwendung von Geldern im Zusammenhang mit dem sogenannten Petrocaribe-Fonds. Dieser Fall kam zu der „Unfähigkeit des derzeitigen Präsidenten, Jovenel Moïse, die Grundbedürfnisse zu decken“, hinzu, erläutert der Bischof.
„Derzeit herrscht einfach nur Unordnung. Seit sechs Monaten gibt es keine Regierung, seit zwei Jahren keinen Wirtschaftshaushalt und keine internationale Hilfe mehr. Die Staatskassen sind praktisch leer und es gibt staatliche Fachleute, die seit 18 Monaten kein Gehalt mehr erhalten haben. Dazu kommt die galoppierende Inflation, die Kaufkraft der Menschen sinkt deutlich. Mit einem Wort, es ist ein totales Chaos.“
Behörden hören nicht auf Menschen
Bischof Quesnel bedauert, dass die Behörden nicht auf die Beschwerden und Forderungen der Menschen hören und dass sie weiterhin ihre Politik der leeren Versprechungen verfolgen. „Es gibt keinen Respekt vor der Bevölkerung“, sagt er. „Die Menschen gehen auf die Straße, weil sie sich in ihrem inneren Selbst verletzt fühlen und um Gerechtigkeit und Wiedergutmachung bitten“.
In einer Fernsehansprache wandte sich nun Präsident Jovenel Moïse an die Bevölkerung und bat sie um einen „Waffenstillstand“, damit sie „die für die Entwicklung des Landes wesentlichen sozialen und wirtschaftlichen institutionellen Reformen in Angriff nehmen können“. Der Präsident schlug vor, „auf politische Gewalt durch Dialog zu reagieren“, bisher weigerten sich die Demonstranten, mit der Regierung zu verhandeln.
(vatican news)
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