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800 Jahre Begegnung heiliger Franziskus und Sultan al-Malik al-Kamil 800 Jahre Begegnung heiliger Franziskus und Sultan al-Malik al-Kamil  

Franz von Assisi und der Sultan: „Die Logik des Konflikts überwinden“

Es gilt als die vielleicht bis heute wichtigste interreligiöse Begegnung überhaupt: Das Treffen zwischen dem heiligen Franz von Assisi und Sultan al-Malik al-Kamil, vor genau 800 Jahren in Damiette. An das wichtige Jubiläum erinnern die Franziskaner im Heiligen Land mit einer eigenen Gedenkwoche, die Initiativen und Konferenzen bereithält. Von Vatikanseite aus nimmt Kurienkardinal Leonardo Sandri teil.

Christine Seuss und Silvonei Protz - Vatikanstadt/Jerusalem

An diesem Mittwoch sprach der Präfekt der Ostkirchenkongragation in Jerusalem auch mit Blick auf die jüngsten Dialoginitiativen des Papstes darüber, wie man das historische Treffen zwischen Franz von Assisi und dem mächtigen muslimischen Herrscher in den aktuellen Kontext übertragen kann. Als weiterer Höhepunkt der Konferenz ist für Donnerstag eine Begegnung mit dem Großmufti von Jerusalem, Muhammad Ahmad Hussein, im Inneren der Al-Aksa-Moschee geplant. 

Zum Nachhören

Der für die Organisation des Kongresses verantwortliche Franziskaner Narcyz Klimas zeigte sich im Gespräch mit unserem Korrespondenten vor Ort überrascht und erfreut über die große Teilnehmerzahl bei den Veranstaltungen: „Wir denken bereits seit dem letzten Jahr über diese Konferenz nach, mit der Organisation haben wir dann im Mai angefangen. Wir haben diese große Teilnahmerzahl nicht erwartet, sie ist Zeichen sowohl für das große öffentliche Interesse als auch die Aktualität der ausgewählten Themen.“

Eine respektvolle Begegnung

Wie in verschiedenen Beiträgen auf der Konferenz deutlich wurde, sprachen schon historische Quellen davon, dass die Begegnung der beiden Glaubensmänner zwar keine „Bekehrung“ in einem wie auch immer gearteten Sinn hervorgerufen habe, sie aber dennoch von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen sei. Insbesondere der Sultan habe den Christen aus Assisi „in allen Ehren empfangen und ihm gerne zugehört", hieß es beispielsweise bei Tommaso da Celano. Er hatte im Vorfeld der Heiligsprechung des Franziskus (1228/1229) seine „Vita beati Francisci” verfasst. Der Sultan „war beeindruckt durch seine (Franziskus') Persönlichkeit, aber jeder blieb seiner Position treu,“ hieß es dort. Andere Quellen wie Bonaventura wiederum sprachen von einem spannungsgeladenen Zusammentreffen - das jedoch gestern wie heute zum Nachdenken anregt.

Und genau dies ist der Zweck, den die Franziskaner mit ihrer mehrtägigen Konferenz verfolgen, betont gegenüber Radio Vatikan auch Bruder Francesco Patton, der Kustos im Heiligen Land: 

„Dieses Treffen zwischen dem Sultan und Franziskus bedeutet sehr viel, denn damals wie heute gab es Stimmen, die einen Zusammenprall der Zivilisationen beschworen haben. Diese Begegnung erinnert daran, dass es eine Möglichkeit gibt, über den Konflikt hinauszugehen“, meint der Kustos. Der heilige Franziskus und der Sultan hätten mit ihrem Treffen gezeigt, „dass es möglich ist, sich brüderlich zu begegnen. Und auf dieselbe Weise schlägt Papst Franziskus heute dieses Paradigma der Begegnung und des Dialogs vor.“ 

Über den Konflikt hinausgehen

Das sei auch die einzige Möglichkeit für die immerhin seit 800 Jahre präsenten Franziskaner, in einem Umfeld zu bestehen, in dem sie – erst unter Muslimen und seit dem vergangenen Jahrhundert verstärkt unter Juden - stets eine Minderheit waren, meint der Kustos: „Für uns ist es fundamental, die Kultur der Begegnung zu pflegen statt diejenige des Konflikts, und ich würde sagen, dass das auch auf globaler Ebene grundlegend wird, denn entweder übersetzt sich unsere Erfahrung als Gläubige in einen Beitrag zu einer Friedenskultur, oder wir kehren aufs Neue zurück zu Formen schrecklicher und blutiger Konflikte, vielleicht sogar schlimmer als die, die wir bisher gesehen haben.“

Franziskus sei sowohl in seiner Zeit als auch danach wiederholt als „Träumer“ abgestempelt worden, unterstreicht Patton, doch letztlich habe ihm die Geschichte Recht gegeben: 

„In der Tat, alle, die vor 800 Jahren, aber auch vorher oder nachher, mit einem Heer hier einrückten, konnten keine Wurzeln fassen. Während der arme Träumer Franziskus, der keinerlei Waffen mitbrachte, durch seinen Orden Wurzeln schlagen konnte und praktisch seit 800 Jahren ständig präsent ist.“ Und bereits das sei aussagekräftig, betont der Franziskaner-Kustos. Denn das, was für einige nur eine „fromme Illusion“ sei, stelle für andere den Weg zum Erfolg dar: „Der friedliche Dialog ist nicht das Werkzeug derjenigen, die ,schwach‘ sind, sondern der Dialog ist das Werkzeug derjenigen, die die Kraft der Demut haben, die Kraft des Glaubens und für uns Christen sicher die Kraft des Evangeliums, Gott mehr zu vertrauen als unseren menschlichen Mitteln.“

„Der friedliche Dialog ist nicht das Werkzeug derjenigen, die ,schwach‘ sind“

Der Dialog wird im Heiligen Land sehr konkret gelebt, betont Patton auch mit Blick auf die von den Franziskanern betriebenen und sehr geschätzten Schulen, in denen Muslime und Christen gemeinsam die Schulbank drücken. Schüler, Lehrer und Familien kommen auf diese Weise zusammen und tauschen sich auf sehr konkrete und praktische Weise miteinander aus. Doch auch die Heiligen Stätten, die von den Franziskanern betreut werden, werden durch zahlreiche Nichtchristen besucht, was Gelegenheit zu Gespräch und Austausch gibt - ganz abgesehen von den verschiedene Initiativen der Begegnung im Rahmen christlicher, jüdischer und muslimischer Feste. Doch eines steht bei den Dialogbemühungen sowieso immer im Vordergrund: „Wir begegnen nicht in erster Linie Gläubigen anderer Religionen, sondern Menschen“, bringt es Bruder Francesco Patton auf den Punkt. 

Pizzaballa: Dialog heute „dringlicher denn je“

Ähnlich sieht das Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Administrator des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem. Er betont, dass das historische Treffen zwischen Franziskus und dem Sultan, dessen in dieser Woche verstärkt gedacht wird, als Ausgangspunkt gelten kann für eine Art des Dialogs, der heute „dringlicher ist denn je“: 

„Wenn man heute eine neue Initiative ergreifen will, braucht es auch Bilder und Referenzpunkte, auch historischer Art, um einen Inhalt und einen Kontext zu liefern. Und es ist das Bild von Franziskus und dem Sultan, das wir heute brauchen, um einen Dialog wiederaufzunehmen, der immer sehr gelitten hat, heute aber wichtiger denn je ist. Das ist der Dialog zwischen der Kirche, der christlichen Welt, und der islamischen Welt.“

Emigrationsbewegungen, große weltpolitische Veränderungen und die aktuellen sozialen Probleme führten die Notwendigkeit dieses Dialogs immer deutlicher vor Augen, betont Pizzaballa, gibt aber gleichzeitig zu bedenken: „Dieser Dialog kann nicht nur politischer, sozialer oder wirtschaftlicher Art sein, sondern er muss vor allem religiös und kulturell sein. Deshalb ist das Bild von Franziskus und dem Sultan so stark, und in diesem Jahr dann auch flankiert durch die Reise von Papst Franziskus nach Abu Dhabi.“

Eine gebräuchliche, aber doch bedeutsame Geste

Und der Papst, der sich nach dem Heiligen benannt hat, wird in diesen Tagen auch ein weiteres Zeichen setzen: Am Freitag will er die Amazonassynode dem heiligen Franz von Assis weihen und bei diesem Anlass auch eine Eiche in den vatikanischen Gärten pflanzen. Durchaus gewollt ist die Erinnerung an einen ähnlichen Moment, als Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und der mittlerweile verstorbene ehemalige Präsident von Israel, Shimon Peres, im Jahr 2014 gemeinsam mit dem Papst ein Friedensgebet in den Gärten gesprochen und dabei ebenfalls ein Bäumchen gepflanzt hatten. Eine Geste, die zwar heutzutage recht „gebräuchlich“ sei, schmunzelt der Erzbischof, aber doch bedeutungsreich: 

„Es bedeutet, werfen wir einen Samen aus. Bäume wachsen langsam, aber sie schlagen Wurzeln und werden stark und unzerstörbar. Das ist das Zeichen, wir werfen einen Samen aus und schaffen eine neue Perspektive, die Zeit nötig hat und wachsen muss. Aber ein Baum muss versorgt werden, damit er wachsen kann, er braucht Wasser und Pflege. Das heißt, wir müssen diesen Weg einschlagen und die Beziehungen untereinander pflegen, damit dieser Baum immer stärker wachsen kann.“

„Die Samen sind gepflanzt worden, aber jetzt ist es an uns, sie wachsen zu lassen.“

Ähnliches sei bei dem Besuch des Papstes im Heiligen Land - nur wenige Tage vor dem Friedensgebet in den vatikanischen Gärten - geschehen, erinnert sich Pizzaballa, der damals selbst als Kustos im Heiligen Land wirkte. Franziskus habe bei dieser Reise viele „Samen hinterlassen“, meint der Erzbischof: „Die Begegnung zwischen Bartholomaios und dem Papst, dann die Zusammenkunft der christlichen Kirchen und das Treffen mit den nicht-christlichen Glaubensführern, Juden und Muslimen. Die Samen sind gepflanzt worden, aber jetzt ist es an uns, sie wachsen zu lassen.“

Zum Abschluss der einwöchigen Konferenz wird Bruder Francesco Patton am Sonntag in der franziskanischen Salvatorkirche eine Heilige Messe zelebrieren. 

(vatican news)

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02. Oktober 2019, 13:58