Jungendpastoral in Japan: „Wie Zugvögel, die hier auftanken“
Anne Preckel und Adriana Masotti - Vatikanstadt / Tokio
„Eines der großen Probleme der japanischen Gesellschaft und der neuen Generationen ist die hohe Zahl der Selbstmorde unter jungen Menschen, die in dieser Altersgruppe die erste Todesursache sind. Im aktuellen Schulsystem gibt es keinen Religionsunterricht, und eine der Grundfragen, die sich junge Menschen stellen, ist die nach dem Sinn: Warum lebe ich? Und diese Frage findet keine Antworten. In den Familien gibt es wenig Gelegenheiten für Austausch und Begegnung: Die Eltern arbeiten viel für den Lebensunterhalt, zu viel, und die Kinder gehen in die Schule, es gibt dort immer Programm und keine Sommerferien – man sieht sich kaum.“
Menschliches Wachstum kommt zu kurz
Nicht einmal beim Essen bekämen die Kinder ihre Eltern zu Gesicht, berichtet der Japaner und verweist auf eine Umfrage: So äßen 60 Prozent der Studenten in der Mittelschule alleine, in den höheren Klassen seien es sogar 80 Prozent. Wenn die Väter abends nach Hause kämen, lägen die Kinder schon im Bett – von gemeinsamem Familienleben könne da kaum die Rede sein. Die Erziehung der Kinder werde in Japan überhaupt zu großem Teil der Schule übertragen, erzählt er weiter. Dies hinterlasse Spuren bei den jungen Leuten:
„Das bedeutet, dass es in diesen Familien kein menschliches Wachstum gibt. Und wenn die jungen Leute groß werden und sich in der Gesellschaft beweisen müssen, in der Arbeitswelt und mit Schwierigkeiten umgehen müssen, haben sie nicht die psychische Kraft für solche Herausforderungen. Die jungen Leute in Japan scheinen sich zu amüsieren, spielen, scheinen sehr aktiv zu sein, aber im Grunde ihres Herzens fehlt ihnen diese grundlegende Basis der menschlichen Beziehungen und sie behalten ihre Probleme für sich.“
Das wahre Leben: Gemeinsam Zeit verbringen
Die Jugendarbeit der katholischen Kirche in Tokio konzentriere sich vor diesem Hintergrund auf gemeinsame Aktivitäten, Austausch und Vernetzung. Katsuhiro Mori unterstützt das katholische Jugendzentrum „Shinsei Kaikan“, übersetzt „Das wahre Leben“, das seit 80 Jahren existiert.
„Hauptanliegen des Zentrums ist es, gemeinsam Zeit zu verbringen, um menschliche Beziehungen zu pflegen. Die jungen Katholikinnen und Katholiken sind sehr austauschbedürftig. Fünf Angestellte kümmern sich um die Aktionen: Am Montag gibt es ein Englisch-Treffen für ausländische Studenten, am Dienstag wird gemeinsam gekocht und gegessen, am Mittwoch gibt es eine Medienstunde mit Filmen und Zeitungen, am Donnerstag Katechese, am Freitag Diskussionen über Politik und internationale Fragen. Am Samstag geht jeder verschiedenen Diensten in den eigenen Gemeinden nach. Es gibt im Zentrum eine große Fluktuation, denn viele junge Leute müssen neben der Schule oder Uni auch arbeiten, um die Gebühren für ihre Ausbildung bezahlen zu können. Wenn sie hier herkommen ist dann ein bisschen so wie bei den Zugvögeln: sie kommen her und tanken spirituell auf, um danach wieder in die Gesellschaft auszufliegen.“
Kirche auch in sozialen Netzwerekn aktiv
Neben solchen Zentren versuche die katholische Kirche die Jugend in Japan auch über die sozialen Netzwerke zu erreichen, berichtet Katsuhiro Mori weiter. So gebe es in der Diözese Tokio das „Network Meeting“, das junge Katholikinnen und Katholiken über das Internet vernetzt, um sie dann bei unterschiedlichen Treffen „im echten Leben“ zusammenzuführen.
(vatican news)
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