Rom: Wenn bei alternativen Kirchenführungen Leben in alte Mauern kommt
Ines Schaberger - Rom
Weder verschlossene Kirchentüren noch kalte Steinmauern: Wer an diesem strahlenden Samstagvormittag die Kirche Santo Stefano Rotondo unweit des Kolosseums betritt, erlebt etwas anderes als sonst. Eine Hand voll junger Menschen wartet schon in roten Pullovern mit dem Logo der Jesuiten und der Aufschrift „Volonteer“, Freiwilliger. Sie bieten den ganzen Tag kostenlose Kirchenführungen an – für Touristen und Einheimische, auf Italienisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch.
„Die Idee ist, dass die toten Steine einer Kirche lebendig werden, wenn die christliche Gemeinde, die in dieser Kirche betet, dich willkommen heißt“, erklärt Valentina, die eine der beiden Gruppen in Rom leitet. Darum heißt das Projekt auch „Pietre Vive", lebendige Steine.
Jede Kirchenführung ist anders. Die deutschsprachige Führung übernimmt Johannes aus Köln. Er erklärt die Entstehungsgeschichte und anhand der Architektur die Spiritualität der mehr als 1.500 Jahre alten Kirche. „Das Schöne an der Kirche ist, dass man hier Theologiegeschichte sieht, von der Reichsideologie des römischen Imperiums bis hin zur Gegenreformation der katholischen Theologie“, sagt er.
In der Reformationszeit, als man im reformierten Deutschland keine katholischen Priester ausbilden durfte, wurde Santo Stefano Rotondo zur Seminarkirche für das neu gegründete Priesterseminar „Collegium Germanicum et Hungaricum“. Johannes ist selbst Priesterseminarist am Collegium.
Er zeigt, wo sich seine Heimatstadt Köln auf einem der Bilderzyklen im Rundschiff versteckt hat und erklärt, wofür die Kirche heute noch genutzt wird: vor allem für Hochzeiten.
Von Musik und Gebet begleitet
Die Führung endet neben einer Seitenkapelle der Kirche. Vor einem goldenen Mosaik, das zwei Märtyrer im Paradies darstellt, sitzen drei Frauen und singen. Davor steht ein Tisch mit Kerze und Buch. In das Buch schreiben die Gäste, die möchten, ihre Gedanken und Gebete. Das Gebet scheint überhaupt eine wichtige Rolle zu spielen – als Hilfsmittel benutzen die Mitglieder von Pietre Vive dazu die Kunstwerke und Gemälde, die sie in den Kirchen finden. Ein kleines Büchlein, ein spiritueller Reiseführer, führt in 24 Stationen „Von der Kunst zum Glauben“ quer durch Rom – für alle, die mehr als Zahlen, Daten und Fakten über die römischen Kirchen mitnehmen wollen.
Auch außerhalb der ehrenamtlichen Kirchenführungen treffen sich die „lebendigen Steine“ zum Beispiel zu Exerzitien, Gemeinschaftswochenenden und Fortbildungen, erklärt der 24-jährige Francesco aus Rom.
„Ich habe nach einer Gemeinschaft gesucht, in der verschiedene Lebensbereiche zusammenkommen: Gemeinschaft, Gebet, Zeit miteinander zu verbringen, und ein Dienst an anderen Menschen. Mir gefällt die künstlerische und spirituelle Prägung, die Pietre Vive von den Jesuiten erhält. Hier habe ich meinen Platz gefunden", sagt Francesco.
Pietre Vive auch im deutschsprachigen Raum
Diese Art der Kirchenführung mit spirituellen Impulsen bieten Pietre Vive rund einmal im Monat in fünf verschiedenen Kirchen an: in Santo Stefano Rotondo, Sant’Ignazio di Loyola, Chiesa del Gesù, San Pietro in Vincoli, Santa Prassede.
Aktuelle Termine für Kirchenführungen in Rom, aber auch in anderen Städten wie München oder Zürich gibt es auf der Website von Pietre Vive.
(vatican news)
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