Frankreich: Prozess gegen Missbrauchstäter Preynat beginnt
Ursprünglich für Montag angesetzt, wurde der Prozessbeginn aufgrund der anhaltenden Streiks gegen die Rentenreform auf Dienstag verschoben. Die ganze Woche ist für die Verhandlungen am Strafgericht von Lyon vorgesehen.
An dem Prozess nehmen 15 Zivilkläger teil, darunter zehn Missbrauchsüberlebende, die vor Gericht aussagen wollen. Zahlreiche weitere werden in den Prozessakten geführt. Alle Opfer des ehemaligen Priesters waren Jungen im Alter von sieben bis zehn Jahren. Nach eigener Darstellung war Preynat im Jugendseminar selbst Missbrauch ausgesetzt. Beobachter erwarten, dass die Verteidigung ein privates psychiatrisches Gutachten zu diesem Sachverhalt vorlegen wird, um Preynats Verhalten zu erklären.
Die Verantwortlichkeiten der kirchlichen Hierarchie
Im Laufe des Prozesses wird es aber vor allem die Frage gehen, wie der ehemalige Priester, dessen pädophile Tendenzen bekannt waren, ungestraft weiter vergewaltigen und in der Pfarrei in Kontakt mit den Jugendlichen bleiben konnte. Die Frage nach der Verantwortung der kirchlichen Hierarchie war auch im Prozess gegen Kardinal Philippe Barbarin zentral. Im März 2019 wurde der Erzbischof von Lyon wegen Nichtmeldung des Falls zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Berufungsgericht will seine Entscheidung in der Sache am 30. Januar bekannt geben. Barbarin ließ sein Amt ruhen, aktuell leitet der Apostolischen Administrator Michel Dubost das Erzbistum Lyon.
Schwerwiegender Vorwürfe für schuldig befunden
Ein Kirchengericht befand Bernard Preynat im Juli 2019 „wegen Sexualverbrechen an Kindern unter 16 Jahren“ für schuldig. „In Anbetracht der Tatsachen und ihrer Wiederholung, der großen Zahl von Opfern, der Tatsache, dass Bernard Preynat die Autorität missbraucht hat, die ihm durch seine Position innerhalb der Pfadfindergruppe verliehen wurde, die er gegründet und seitdem geleitet hat, und damit die doppelte Verantwortung als Leiter und Kaplan übernommen hatte“, entschied sich das Kirchengericht dazu, die vom kanonischen Recht in einem solchen Fall vorgesehene Höchststrafe anzuwenden, „nämlich die Entlassung aus dem Klerikerstand“, so die Urteilsbegründung am Ende des damaligen Prozesses. Das Gericht prüft derzeit die finanziellen Entschädigungsansprüche von rund 20 Opfern.
Die französische Kirche und ihre Nähe zu den Opfern
Der Fall Preynat hat Frankreich tief erschüttert. In dem Wunsch, sich auf die Seite der Überlebenden zu stellen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, hat die Erzdiözese Lyon im Oktober letzten Jahres die Website „Agir ensemble contre les abus“ (Gemeinsam gegen den Missbrauch handeln) eingerichtet, die eine Reihe von zwölf gefilmten Interviews mit verschiedenen Personen präsentiert: darunter sind Opfer, Psychiater, Polizisten, Richter, Journalisten, Theologen und Pfarrer.
Diese Videos wurden auch den französischen Bischöfen vorgespielt, die im November letzten Jahres in ihrer Vollversammlung zusammen kamen. Bei dem Treffen hat der französische Episkopat erneut seinen Wunsch bekräftigt, „seine Nähe zu den Opfern sexuellen Missbrauchs zu erneuern“.
Mediale Verarbeitung
Medial hat der Regisseur François Ozon die Vorwürfe gegen den Geistlichen in dem Film „Grace a Dieu“ verarbeitet. Gegen die Ausstrahlung versuchte der Priester gerichtlich vorzugehen, blieb aber erfolglos. Ende Dezember hatte zudem ein für vergangenen Freitag angekündigtes Buch des Vereins „La Parole Libérée“ (Das befreite Wort) der Missbrauchsbetroffenen für Schlagzeilen gesorgt. Auf 170 Seiten sollten 23 Zeugnisse mutmaßlicher Opfer von Priestern erscheinen. Darunter seien demnach auch einige Betroffene, um die es im Prozess gegen den früheren Priester nun gehen wird. Der Verlag „Temps Présent Éditions“ sagte die Veröffentlichung des Buchs jedoch ab, da einige Betroffene dagegen gerichtlich vorgegangen waren.
(vatican news/kna - cs)
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