Das Haus, das von den Engeln getragen wurde
Teresa Roelcke - Vatikanstadt
Mehrere hundert Meter zieht sich der rote Teppich durch die Gasse des mittelalterlichen Städtchens, das auf einem Hügel an der Adriaküste thront. Der rote Teppich führt auf eine kreuzgangumrahmte Piazza, an deren Kopfende eine Kirche steht. Wir treten ein: durch die linke Pforte neben dem Hauptportal, und hören die Schlussklänge der Messe vom Samstagsabend.
Vollständiger Ablass
„Madonna, Madonna nera“ singt die Frauenstimme. Sie besingt die Madonna von Loreto, in deren Kirche wir uns befinden. Loreto ist der zweitwichtigste Wallfahrtsort in Italien. Die kleine Pforte, durch die wir die Kirche betreten haben, ist normalerweise geschlossen. Aber jetzt ist „Heiliges Jahr“: Vor 100 Jahren, kurz nach dem ersten Weltkrieg, erklärte Papst Benedikt XV. die Madonna von Loreto zur Schutzheiligen der Flugreisenden. Wer nun, während des Jubiläumsjahrs, durch die Heilige Pforte geht, erhält den vollständigen Ablass. Und weltweit sind auch die Flughafenkapellen in dieses Jubiläum einbezogen: Wer in der Kapelle eines Flughafens beten geht, kann ebenfalls den vollständigen Ablass erhalten.
In der Basilika von Loreto erklärt uns eine Messbesucherin, was den besonderen Schatz der Kirche ausmacht: Es ist ein kleines Haus - die „Santa Casa“ -, das hinter dem Altar steht: „Für uns ist dieser Ort sehr wichtig, denn es ist das Haus, in dem Maria geboren wurde. Die Tradition erzählt uns, dass das Haus von den Engeln hierher getragen wurde. Und tatsächlich hat das Haus kein eigenes Fundament. Das beweist, dass die Geschichte wahr ist."
Patronin der Flugreisenden
Der Legende nach wollten die Engel das Haus im 13. Jahrhundert aus Nazareth „evakuieren“, damit es nicht in die Hände der Muslime fiel. Und so transportierten sie es, über ein paar Zwischenstationen, durch die Lüfte nach Loreto – was die Madonna von Loreto im ersten Weltkrieg anscheinend qualifizierte, von Fliegern als Schutzheilige angerufen zu werden. Im 15. Jahrhundert begann man, eine Basilika über das Heilige Haus zu bauen, und im Laufe der Zeit entwickelte sich das Wallfahrtsstädtchen um die Kirche herum.
Von außen erinnert das Heilige Haus im Altarraum an eine Art Tempel: Ein Quader aus reliefbehauenem Stein, auf dem zum Beispiel der Transport der Hütte durch die Engel abgebildet ist. Geht man hinein, befindet man sich zwischen Ziegelwänden. Dicht gedrängt stehen hier Menschen, schweigsam und andächtig. Sie beten vor einer schwarz-goldenen Marienfigur, die von einem weiteren Altar herabstrahlt. Zum Teil sind die Wände kunstvoll bemalt.
Neben dem Ausgang aus der Santa Casa sitzt ein Ordensbruder an einem Tisch. Er segnet die Besucher der Basilika und nimmt Bitten von Menschen entgegen, Messen für ihre Angehörigen lesen zu lassen. Es sieht so aus, als wären gar keine Pilger nötig, um die Basilika zu füllen: Auch die Lokalbevölkerung ist jedenfalls sehr präsent unter den sternhimmelbemalten Gewölben und neben den Bilderszenen, die die zahlreichen Seitenkapellen zieren.
Zu einer dieser Kapellen führt uns die Frau, mit der wir am Anfang schon geredet haben. „Das da ist mein Großvater!", erzählt sie uns stolz. „Er hat Modell gestanden für die Wandmalerei dort. Er ist ein Mann aus dem Volk, ein Bauer."
(vaticannews)
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