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Schiff im  Hafen von Lesbos Schiff im Hafen von Lesbos 

Griechenlands Migrationskrise: „Europa kann sich nicht mit Geld freikaufen"

Europa kann sich nicht mit Geld von der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen in Griechenland freikaufen. Das sagt im Gespräch mit uns der französische Priester Maurice Joyeux, der dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS angehört und sich auf Lesbos aufhält.

Auf der Insel unweit der Türkei ist die Lage in und um die überfüllten Flüchtlingslager extrem angespannt, erzählt der Ordensmann. „Die Armee ist sehr präsent am Hafen und überall, die Straßen sind blockiert, vor allem in Richtung des Lagers von Moria. Dort gibt es 19,000 Geflüchtete. Einige haben versucht, per Boot nach Athen zu gelangen, und wir wissen hier noch nicht, wie damit umgegangen werden soll. Es gibt auch das Problem, dass Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisationen attackiert wurden und die Organisationen in diesen Stunden überlegen, das Camp zu verlassen, weil man es nicht mehr riskieren kann.“

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Unmenschliche Zustände

Moria ist das größte Lager auf Lesbos. Papst Franziskus hatte es 2015 besucht. „Lager“ klingt noch relativ zivil für die Zustände, in denen die Menschen dort ausharren. „Das sind Elendsviertel mit schrecklichen Situationen. Schrecklich für die jungen Menschen, die Familien, für alle“, schildert der Priester. Er verteidigt aber auch die griechische Bevölkerung vor dem Generalverdacht, in ihrer Wut auf Migranten und Helfer loszugehen. „Das sind Militante der extremen Rechten, die von der Lage profitieren wollen, die von einem Krieg gegen die Türkei sprechen und sozusagen alle Ausländer hinauswerfen wollen“, schildert Joyeux seine Eindrücke. „Und gleichzeitig verlangen sie Hilfe von Europa. Es handelt sich um Extremisten, die manchmal vernetzt sind mit Leuten bei der Polizei, bei der Küstenwache oder in der Armee. Das ist nicht wirklich kontrolliert, noch kontrollierbar. Das kann ausarten. Ich hoffe, die griechische Regierung schreitet ein. Denn da ist etwas zutiefst Ungerechtes und Gefährliches – nicht nur für die Geflüchteten, sondern für das allgemeine Klima in Griechenland.”

„Da ist etwas zutiefst Ungerechtes und Gefährliches – nicht nur für die Geflüchteten“

Extremisten nutzen Situation aus

Mit deutlichen Worten wendet sich der Angehörige des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes gegen das Ansinnen Europas, einfach Geld zu schicken, um die Situation mit den Geflüchteten in Griechenland zu bereinigen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich ein Bild von der Lage gemacht und der griechischen Regierung bis zu 700 Millionen Euro Finanzhilfe versprochen, um die angespannte Lage an der Grenze zur Türkei mit hereinströmenden Geflüchteten zu bewältigen. Sie sei entschlossen, den griechischen Behörden jede nötige operative Unterstützung zukommen zu lassen, sagte von der Leyen.

„Kann man sich mit Geld aus dieser Lage manövrieren?“

„Ich sage: danke, gnädige Frau, und danke, Europa, aber frage mich gleichzeitig: Ist das die Lösung? Kann man sich mit Geld aus dieser Lage manövrieren?“, fragt sich Pater Joyeux. Wirklich hilfreich wäre aus seiner Sicht eine Hilfe Europas in Zusammenarbeit mit der griechischen Polizei und der Armee, oder den Juristen, die den Geflüchteten beistehen und sie über ihre Perspektiven orientieren. „Ich hoffe, das ist nicht nur eine leere Ankündigung eines Europa, das wie ein Helikopter über Griechenland kreist. Nur Geld? Ich finde das störend, und es beunruhigt mich, denn so verliert sich die Beziehung zur Wirklichkeit, zum Terrain, zur humanitären Hilfe. Mensch für Mensch, Familie für Familie. Das Fehlen einer geeinten europäischen Kraft, die humanitäre Fragen angeht, zeigt das Fehlen von Mut, auch von spirituellem Mut, von praktischem Mut. Ich fürchte, man will es einfach mit Geld richten.”

Humanitäre Korridore nach Europa 

Humanitäre Korridore wären ein gangbarer Weg, betont Joyeux. Dafür hatte sich auch zuletzt Frankreichs Präsident Emmanuelle Macron offen gezeigt. „Ich bin dafür“, so der Mitarbeiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes. „Die humanitären Korridore sind aber nur mit einer internationalen europäischen Kraftanstrengung realisierbar. So müsste man den Balkanländern, Mazedonien, Bulgarien und anderen wie Ungarn, Polen, Österreich, auferlegen, sich zu öffnen und aus ihrem stupiden Nationalismus auszusteigen.“

(vatican news – gs)

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04. März 2020, 13:15