Was macht ein Bischof den ganzen Tag in Quarantäne?
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Erzbischof Pizzaballa hat vor kurzem in der italienischen Hafenstadt Bari an einem Friedenstreffen von Bischöfen aus dem ganzen Mittelmeerraum teilgenommen. Das rächt sich jetzt – kaum zurück im Heiligen Land, mussten er und viele andere katholische Kirchenführer der Region in die 14-tägige Quarantäne.
Eine eigentlich für diesen Dienstag vorgesehene Vollversammlung der katholischen Verantwortlichen des Heiligen Landes ist verschoben worden. Dabei sollte über die Zulassung von Nicht-Katholiken zu den Sakramenten beraten werden.
Fast die ganze Kirchenführung der Region muss zuhause bleiben
„Das Thema ist sehr sensibel hier“, erzählt uns Pizzaballa aus seiner Quarantäne heraus. „Katholiken und Orthodoxe sind gemischt, über 90 Prozent der christlichen Familien sind gemischt. Der Zugang zu den Sakramenten ist keine theoretische, sondern eine sehr praktische Frage. In unseren Kirchen gehen alle zur Kommunion; das eigentliche Problem besteht eher im Zugang zu Sakramenten wie der Eheschließung. Wie geht man bei gemischt-konfessionellen Ehen vor, was bedeutet das für die Erziehung der Kinder? Das sind Aspekte, die bisher immer jeder für sich anging. Aber jetzt, wo die Familien immer stärker gemischt sind, brauchen wir eine gemeinsame Linie. Darüber werden wir sprechen, sobald wir unsere Vollversammlung abhalten können.“
Doch wann das sein wird, das steht in den Sternen. Fast die ganze Kirchenführung des Heiligen Landes – und das sind in diesem Fall Israel, Palästina, Jordanien und Zypern – muss im Moment zuhause bleiben. Es gibt schon mehrere Dutzend Corona-Fälle allein in Israel, darum sind die Behörden zu Strenge entschlossen. Betlehem, die Geburtsstadt Jesu, ist sogar vollkommen von der Außenwelt abgeriegelt.
„Die Lage im Bistum ist ein bisschen schizophren“, sagt uns Erzbischof Pizzaballa. „In Jordanien geht das Leben ganz normal weiter; die Fastenzeit hat dort eine Woche später angefangen, weil sie dort dem julianischen Kalender folgen wie die Orthodoxen. Alles läuft dort regulär: Kreuzwege, Bußmessen, Bußfeiern in den einzelnen Pfarreien. Palästina dagegen ist wegen des Coronavirus komplett blockiert: Kirchen sind nur für Einzelbeter offen, Messen sind nur für Gruppen von nicht mehr als zwanzig Personen erlaubt, oder wenn sie im Freien stattfinden. In Israel wählt man den Mittelweg, wir warten da auf Regelungen.“
Aus der Sicht des Franziskaners, der das Lateinische Patriarchat als sogenannter Apostolischer Administrator verwaltet, ist diese Quarantäne-Fastenzeit eine gute Gelegenheit, Fasten und Gebet wiederzuentdecken.
Fasten wird im Orient sehr ernst genommen
„Fasten wird hier sehr ernst genommen, in dieser Hinsicht gibt es auch viel Kritik am Westen: Der Westen macht Diät, aber er fastet nicht… Bei uns hatte das Fasten wegen der orientalischen Tradition und wegen des muslimischen Ramadan immer einen hohen Stellenwert, das ist ein wichtiger Moment des christlichen Lebens. Dasselbe gilt für das liturgische Gebet. Wir ermuntern die Priester sehr dazu, mit den Familien zusammen zu beten – wir wollen diesen Aspekt wieder stärken.“
Fasten und Gebet – nicht nur wegen der Corona-Stimmung, oder weil sowieso gerade Fastenzeit ist. Pizzaballa rät, die traditionellen Werkzeuge der Fastenzeit all denen zu widmen, die im Nahen Osten leiden.
Endlich mal lauter Sachen gemacht, zu denen man sonst nie kommt
„Bei uns hat die Politik immer schon gute Gründe geliefert, um zu beten und umzukehren! Sie führt leider schon seit langer Zeit zu vielen Situationen des Leids: Ich denke da vor allem an das palästinensische Volk. Das ist nichts Neues, sondern eine Fastenzeit, die schon seit Jahren andauert. Jedenfalls ist die derzeitige Phase eine gute Gelegenheit, um uns mal wichtige Fragen zu stellen.“
Der Erzbischof muss noch bis Freitag in Quarantäne bleiben, dann ist er frei. „Ich kann sagen: Für mich war das eine sehr schöne Gelegenheit, um mehr zu beten. Ich habe auch endlich mal all die Dinge gemacht, die man sonst wegen zu vielen anderweitigen Verpflichtungen immer aufschiebt. Es tut gut, den Rhythmus mal zu verlangsamen! Ich konnte viel nachdenken, und ich habe jetzt auch ein stärkeres Gefühl der Solidarität mit allen Opfern dieses furchtbaren Virus.“
(vatican news)
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