Kardinal George Pell verlässt das Gefängnis Barwon in Geelong (Australien) Kardinal George Pell verlässt das Gefängnis Barwon in Geelong (Australien) 

Australien: Freispruch für Kardinal Pell

Australiens oberstes Gericht hat entschieden: Kardinal Pell kommt auf freien Fuss. Die Missbrauchsdebatte geht in Australien aber weiter: Mit Spannung wird ein Abschlussbericht erwartet.

Das Gericht in Brisbane hat am Dienstag die Haftstrafe des 78-jährigen früheren vatikanischen Wirtschaftsministers wegen sexuellen Missbrauchs in allen fünf Fällen aufgehoben. Die Jury hätte auf Grund der Beweislage Zweifel an der Schuld des Angeklagten haben müssen, hieß es in der via Twitter veröffentlichten einstimmigen Entscheidung der sieben Richter.

Pell betont Unschuld

Der Anfang 2019 zu sechs Jahren Haft verurteilte Pell wurde noch an diesem Dienstag aus seinem Gefängnis in der Nähe von Melbourne entlassen. Pell selbst nahm das Urteil mit großer Erleichterung auf. „Ich habe stets meine Unschuld betont, während ich unter einer schweren Ungerechtigkeit gelitten habe“, so Pell in einer Erklärung per E-Mail.

Kein Groll gegen den Ankläger

Gegen seinen Ankläger hege er keinen Groll, erklärte Pell. Das Oberste Gericht befand, dass es begründete Zweifel an der Aussage des heute 30jährigen ehemaligen Chorknaben gab, der Pell beschuldigte, ihn und einen anderen 13-jährigen Chorknaben Ende der 1990er Jahre in der St. Patrick's Cathedral in Melbourne missbraucht zu haben. Nach Aussagen von Entlastungszeugen soll der Missbrauch weder zeitlich noch örtlich möglich gewesen sein.

„Das Verfahren gegen mich war kein Referendum über die katholische Kirche und auch kein Referendum über den Umgang der australischen Kirche mit sexuellem Missbrauch in der Kirche“, stellte Pell klar. Es sei darum gegangen, ob er diese abscheulichen Verbrechen begangen habe oder nicht. Schon 2018 hatten ein Richter und mehrere Rechtsanwälte zwei Jurys gedrängt, Pell aufgrund von Beweisen und nicht wegen des fehlerhaften Umgangs der Kirche mit dem Missbrauchsskandal vor Gericht zu stellen.

Das erste Verfahren war ohne Mehrheitsvotum der Geschworenen geendet, das Wiederaufnahmeverfahren hatte ihn einstimmig in allen Anklagepunkten verurteilt.

Australien: Erleichterung auch in Kirchenkreisen

Der Erzbischof von Sydney, Anthony Fisher, forderte, dass mit dem Urteil nun auch die Verfolgung Pells ein Ende haben müsse und lud zu einer Reflexion über das Justizsystem und die Unschuldsvermutung ein. Auch der Erzbischof von Melbourne, Peter Comensoli, betonte, das er nie an Pells Unschuld gezweifelt habe.

Ob Pell nach Rom zurückkehren wird, ist nicht bekannt. Er ist nicht länger Mitglied des Kardinalsrats und wird an seinem 80. Geburtstag im Juni nächsten Jahres auch sein Stimmrecht bei der nächsten Papstwahl verlieren.

Im Laufe der Jahre wurden alle Anklagen fallen gelassen

Der ehemalige Finanzchef Pell war die Nummer drei im Vatikan. als er 2017 freiwillig nach Melbourne zurückkehrte, um seinen Namen von Dutzenden jahrzehntealter Kindesmissbrauchsvorwürfe reinzuwaschen. Im Laufe der Jahre wurden alle Anklagen gegen ihn fallen gelassen oder abgewiesen – mit Ausnahme des Übergriffs, der vor mehr als 20 Jahren in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne stattgefunden haben soll.

„Da die Schuld nicht mit ausreichender Beweislast erwiesen werden konnte, besteht die erhebliche Möglichkeit, dass eine unschuldige Person verurteilt wurde,” heißt es im Urteilsspruch des Obersten Gerichts, das wegen der Coronakrise für die Urteilsverkündung nach Brisbane auswich, von diesem Dienstag.

(kna/vatican news - skr/mg)

 

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07. April 2020, 08:02