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Sie sind von der Corona-Krise besonders betroffen: Obdachlose in Indien Sie sind von der Corona-Krise besonders betroffen: Obdachlose in Indien 

Indien: „Liebe in Aktion“ während der Pandemie

In Indien ruht aufgrund der Corona-Pandemie das gesamte öffentliche Leben. Dennoch herrscht eine noch nie dagewesene Völkerwanderung im Land: Millionen Wanderarbeiter sind durch den Ende März verhängten „Shutdown“ des Landes nun arbeitslos und wollen so schnell wie möglich nach Hause.

Gegenüber dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“ schildert die indische Ordensschwester Christin Joseph die Situation: „Es ist ein nicht enden wollender Strom von Zehntausenden von Menschen, die zu Fuß in ihre teilweise mehr als tausend Kilometer entfernten Heimatdörfer zurückkehren.“ Der Verkehr sei weitgehend eingestellt, Pensionen und viele Läden geschlossen. So könnten sich die Menschen nur mit wenig Lebensmitteln eindecken. Einen Platz zum Rasten oder Schlafen gebe es nicht. Hinzu kämen Temperaturen von an die 40 Grad.

In Indien zwingen Arbeitsmangel und Armut vor allem viele Einwohner aus den nördlichen Bundesstaaten zur Abwanderung in die großen Städte im Süden. „Tausende von ihnen sind einfache Tagelöhner, die viele Stunden täglich für ein paar Dollar am Tag arbeiten, ohne soziale Absicherung. Nun wollen sie wegen der Schließungen in ihre Heimat zurück“, erklärt Schwester Christin, die der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz angehört.

Abgeschnitten von Lebenswerk, aber geistig verbunden

Sie leitet die „Kleinen christlichen Gemeinschaften“, eine indische Laienbewegung. Die Gemeinschaften bilden sich in Regionen, die sehr abgelegen sind, wo selten ein Priester hinkommt oder wo es nur sehr wenige Christen gibt. Gläubige treffen sich mit einem Katecheten zu Wortgottesdiensten, Gebet und Austausch. In ganz Indien gibt es etwa 85 000 „Kleine christliche Gemeinschaften“.

Indische Katholiken, besonders im Norden des Landes, gehören oft zu den unteren Gesellschaftsschichten. Sie sind mit einer zunehmend gewalttätigen Diskriminierung konfrontiert. Unter normalen Umständen reist Schwester Christin monatlich tausende Kilometer, um diese benachteiligte Minderheit zu unterrichten und zu ermutigen.

Durch Corona hat sich jedoch die Lage geändert. Schwester Christins Schmerz ist spürbar, als sie „Kirche in Not“ erzählt: „Ich bin über 65 Jahre alt und mein Gesundheitszustand ist schlecht. Deshalb darf ich nicht raus, ich darf nichts tun. Wenn ich höre, was mit unseren armen Menschen geschieht, fühle ich mich hilflos und unfähig, ihnen zu helfen. Ich kann nichts Anderes tun, als auf das Kreuz zu schauen und alles dem Herrn anzuvertrauen, der den menschlichen Schmerz am besten versteht.“

Hohes karitatives und geistliches Engagement in der Krise

Neben diesem Schmerz erreichen Schwester Christin aber auch hoffnungsvolle Nachrichten: „Zu meinem Trost reagieren unsere Gemeinschaften mit vielen kleinen Initiativen auf die aktuelle Lage. Immer unter Berücksichtigung der angeordneten Vorschriften helfen sie notleidenden Menschen und verteilen Lebensmittel, und zwar an alle, ob Katholiken, Protestanten, Hindus oder Muslime, ohne Unterschied.“ Im Bundesstaat Sikkim im äußersten Norden Indiens, an der nepalesischen Grenze, helfen Mitglieder der „Kleinen christlichen Gemeinschaften“ in Zusammenarbeit mit staatlichen Helfern bei der Verteilung von Desinfektionsmitteln und Schutzmasken.

Darüber hinaus unterstützen sich die Gläubigen gegenseitig durch digitale Nachrichten, sie veröffentlichen Gebete und Leitfäden, um besonders für ein Ende der Pandemie und ihre Folgen zu beten, berichtet Schwester Christin: „Wir müssen uns mit dieser neuen Art des Kirche-Seins arrangieren und zeigen, wie wir in dieser Zeit der Ausgangssperre ,Liebe in Aktion‛ sein können“.

Trost in der Ausgangssperre: Das Familiengebet

In der Hauptstadt Neu-Delhi seien die von der Regierungsbehörde auferlegten Beschränkungen sehr streng, berichtet Emmanuel Johnson, Leiter einer „Kleinen christlichen Gemeinschaft“. Dennoch helfen er und die Mitglieder seiner Gemeinschaft bei der Verteilung von Lebensmittelrationen an Tagelöhner und Familien in Not. „Außerdem haben wir während der Ausgangssperre das Familiengebet eingeführt“, erklärt Johnson. Täglich um 19.00 Uhr versammelt sich die Familie und betet den Rosenkranz in Solidarität mit den an Corona erkrankten Menschen.
 
Auch Schwester Christin betet viel und hält via WhatsApp Kontakt mit den ihr liebgewordenen Gemeinschaften, die sie nun nicht mehr besuchen kann. Sie dankt „Kirche in Not“ für die Unterstützung über all die Jahre, so dass die „Kleinen christlichen Gemeinschaften“ jetzt in der Zeit der Krise eine Quelle des Trostes für ihre Mitmenschen sein könnten. „Aber die Tragödie ist groß“, richtet Schwester Christin das Wort direkt an die Wohltäter. „Indien braucht Ihr Gebet. Vergessen Sie uns nicht!“
 

(kirche in not -skr)

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07. April 2020, 11:38