Südafrika: Angst vor „Infektions-Tsunami“
Der südafrikanische Gesundheitsminister zeichnet mit Blick auf das Coronavirus eine düsteres Bild: Er geht davon aus, dass 60-70 Prozent der südafrikanischen Bevölkerung mit dem Virus infiziert werden. Ein epidemiologisches Modell sagt allein für Südafrika zwischen 88.000 und 351.000 Todesfälle voraus.
Wir fragten Pater Lagleder nach der aktuellen Situation: „In ganz Südafrika – so die Statistik - gibt es 3.158 Infektionen. In unserem Bezirk sind es 617 und im Landkreis Ilembe gibt es 26 Infektionen. 54 Patienten sind verstorben. Das mag Ihnen wenig vorkommen im Vergleich zu Amerika – oder Europa – aber bei uns in Südafrika geht man davon aus, dass uns die Spitze der Infektionswelle erst im September erreicht.“ Mittlerweile sind die Fallzahlen weiter gestiegen und auch in Südafrika sind die Regale halb leer.
...noch spürt man nichts von der Katastrophe
Dies, so der Pater, aber nicht wegen Hamsterkäufen, sondern weil viele Lieferanten aufgrund des Lockdowns bankrott seien. Besonders problematisch für Afrika seien die Elendsviertel, weiß der Malteser: „Unser Problem ist, dass das ganze momentan so klingt wie eine Katastrophenwarnung, wo man aber von der Katastrophe noch sehr wenig oder gar nichts spürt. Wir haben besonders Angst, weil es in Südafrika und auch in anderen afrikanischen Ländern, vielleicht noch schlimmer als bei uns, sehr viele Menschen gibt, die in Elendsvierteln ganz eng aufeinander leben. Da leben dann 10-15 Leute in einem Raum in einer Hütte zusammen. Und denen zu erzählen, sie sollen sich voneinander fern halten, oder sich regelmäßig die Hände waschen mit Wasser und Seife, wenn sie kein Wasser haben und erst zum nächsten Fluss müssen, um Wasser zu holen, dann ist das unheimlich schwierig mit den Vorbeugemaßnahmen.“
Angst vor Ausbreitung in den Elendsvierteln
Die Gefahr sei also, dass die Infektion die Slums erreiche, so wie es in Kapstadt und Durban schon der Fall sei. Außerdem habe man Sorge, dass diese auch nach Mandeni herüberschwappe, so Lagleder. Überhaupt sei es schwer, den einfachen Menschen die präventiven Maßnahmen beizubringen, da man so etwas noch nicht erlebt habe. Der Pater vergleicht die Situation mit der Ansteckung durch HIV: „Das war mit der Aids – Welle ganz genauso: den Leuten zu erzählen von einem Virus, das man nicht sieht, vor dem man sich zu schützen hätte, wo man seine Lebensgewohnheiten ändern müsste, damit man ihm nicht zum Opfer fällt. Erst als die Leute reihenweise gestorben sind, hat man es eingesehen und hat heutzutage Aids ziemlich in den Griff bekommen.“ Das hofft der Geistliche auch für die Corona-Pandemie.
Die südafrikanischen Malteser sind sehr aktiv in der Aids-Behandlug – über 700 Patienten haben jetzt schon ihre Medizin für die nächsten zwei Monate im Voraus bekommen, damit sie nicht losgehen müssen, um die Medikamente zu holen. Große Angst habe man allerdings um das stationäre Hospiz, erläutert Pater Gerhard. Denn dort behandele man Patienten mit geschwächtem Immunsystem, aber eben auch geriatrische Patienten, die alt und schwach seien und daher zur Hochrisikogruppe gehörten.
Auch ein großes Kinderheim gehört zum Komplex – viele der kleinen Bewohner haben Vorerkrankungen. Pater Lageleder erläutert hier die Maßnahmen zur Vorbeugung: „Keine Besuche. Der Wachtmann lässt keinen rein. Unser Personal, das natürlich rein muss, ist strikten Desinfektionsmaßnahmen unterworfen. Sie tragen auch Schutzmasken.“
Das Personal verrichte loyal und mit großer Opferbereitschaft den Dienst – das bewundere er sehr, so Lagleder. Die Erzieherinnen kümmerten sich zudem rührend um die Kinder, die nicht zur Schule könnten und nicht nach draußen dürften: Sie lernen mit den Kindern und halten sie bei guter Laune.
Dann erzählt er von einer netten Freizeitaktivität: „Einige unserer Erzieherinnen nähen Atemschutzmasken mit den Kindern. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch eine Schutzmaßnahme. Noch bekommen wir Desinfektionsmittel und Handschuhe – aber es wird immer schwieriger.“
Eigentlich hatte Pater Gerhard geplant, in diesen Tagen durch Europa zu reisen, auch um Gelder für seine Projekte einzuwerben, doch: sein Flug wurde storniert. Nun hofft er, dass die Menschen auch auf Distanz ihre Herzen öffnen und helfen: „Hier können die Leute für ihre Behandlung nicht bezahlen, weil die Menschen um die wir uns kümmern, Habenichtse sind. Das sind Menschen, die oft gar nicht wissen, wie man Krankenversicherung schreibt.“ In Südafrika, so erläutert Bruder Gerhard, gebe es keine Pflicht, sich zu versichern - und leisten könnten es sich ohnehin nur die Wohlhabenden.
Pater Gerhard Lagleder ist Priester der Diözese Regensburg, Missionsbenediktiner der Erzabtei St. Ottilien und Ehrenkonventualkaplan des Malteserordens. Seit 1987 ist er als Missionar in Südafrika tätig.
(radio vatikan - ck)
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