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Thailand ohne Touristen? Ein Tourismusseelsorger erzählt

Die Corona-Pandemie hat ganze Länder in einen kompletten Lockdown versetzt. Auch solche, die weitgehend vom Tourismus leben. Eines davon ist Thailand. Die Opferzahlen in dem südostasiatischen Land blieben dank der drastischen Maßnahmen gering, aber die Zahl der Selbstmorde ist gestiegen, viele Menschen sorgen sich um die Zukunft. Das sagte im Gespräch mit uns Jörg Dunsbach, der deutsche katholische Tourismusseelsorger in Bangkok.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Zwei Monate war in Thailand das öffentliche Leben radikal heruntergefahren, mit Ausgangssperre und geschlossenen Geschäften. Seit Montag sind erste Lockerungen in Kraft. „Allerdings sind die Flughäfen weiterhin für den internationalen Flugverkehr geschlossen, die letzte Nachricht war, dass Flüge nach und von Bangkok erst wieder ab 30. Juni zugelassen sind“, berichtet der deutsche Priester Jörg Dunsbach. „Im Moment ist es nur möglich, das Land mit dem Flugzeug zu verlassen. Aber eine Einreise hier ist nach wie vor nicht möglich, zumindest unter touristischen Gesichtspunkten.“

Hier zum Hören:

Dunsbach hat zu Beginn des Lockdowns tatkräftig mitgeholfen, Gäste aus Deutschland gesund und sicher wieder nach Hause zu bringen. Seither ist er als Seelsorger für deutschsprachige Expats, also sesshaft gewordene Auswanderer, in Thailand gefragt wie nie. Gottesdienste sind vorerst noch verboten, aber Dunsbach ist kreativ geworden. Nicht nur Telefonseelsorge bietet er an.

Jesus on demand

„Unter Berücksichtigun der Hygienevorschriften hab ich mir überlegt, analog zum Lieferservice für Dienstleistungen und Nahrungsmittel so etwas wie ,Jesus on demand' anzubieten. Hier gibt es ein Taxiunternehmen namens ,grab a taxi' [übersetzt: Schnapp dir ein Taxi], bei dem man sich Fahrrad- und Motorrad-Taxis bestellen kann, sie liefern auch Nahrungsmittel aus – ich habe mir überlegt, ich könnte ,grab Jesus' anbieten. Für Menschen, denen es wichtig ist, die Kommunion zu empfangen, und ich bin bereit, diese Menschen zu besuchen. Wir tragen Masken und halten Abstand, ich feiere Gottesdienst und reiche die Kommunion. Ich werde zu Pfingsten das nochmal anbieten. Auch wenn die Wege weit sind, nehme ich das gerne auf mich, es ist eine Möglichkeit, Präsenz und Entgegenkommen zu zeigen und auch, miteinander verbunden zu bleiben, wenn der unmittelbare Kontakt bei der Feier des Gottesdienstes so wie jetzt nicht möglich ist.“

Jörg Dunsbach
Jörg Dunsbach

Was Jörg Dunsbach in Zeiten wie diesen öfter hört: Viele Deutsche in Thailand plagen auch Geldsorgen. „Einige haben Angst, viele machen sich Sorgen um die Geschäftsbeziehugen, die sie hier pflegen, weil das normale Leben und das wirtschaftliche Leben sehr stark unter dem Lockdown leidet. Das betrifft nicht nur die Einheimische, sondern auch die Expats. Ich stehe zur Verfügung, um über diese Situationen zu sprechen und Mut zu machen für und den Blick zu weiten auf eine Situation, die sich irgendwann auch wieder ändern wird, so dass die Menschen die Hoffnung nicht verlieren.“

„Die Auswirkungen sind schon extrem“

Und die Thais selbst? Das Ausbleiben von Gästen führt das ganze Land in eine absehbare Krise. „Die Auswirkungen sind schon extrem“, sagt Dunsbach. Hotels seien noch geschlossen, Dienstleistungen finden einfach nicht mehr statt. Papst Franziskus hat in der Coronakrise auf die Menschen im informellen Bereich verwiesen, solche, die als Straßenverkäufer, Haushaltshilfen oder Tagelöhner arbeiten. Der Papst dachte in erster Linie an Lateinamerika, aber dieser informellen Bereich der Arbeit ist auch in Südostasien riesig.

„Viele Thailänder arbeiten in kleinsten Jobs, Dienstleistungen, Servicebereich, die müssen auf ihr Einkommen verzichten, weil es hier die Sozialstysteme nicht gibt wie in Europa. Der Staat bemüht sich darum, eine monatliche Hilfe von 5000 Bath zu gewähren, 140 Euro, doch das reicht nicht aus. Deshalb haben viele Menschen, die in Bangkog arbeiten, die Stadt verlassen und sind zurück aufs Land zu ihren Familien gefahren. Die Familie ist das eigentliche Sozialsystem hier.“ Dunsbach weiß auch von Menschen, die morgens die verwaisten Strände nach essbaren Muscheln absuchen, um über die Runden zu kommen.

Viele werden ihren Job verlieren

Die vielen Ein-Mann-Firmen, aber auch kleine und mittlere Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht – und das steht ihnen klar vor Augen, beobachtet der Priester. „Das macht vielen Angst. Die Regierung spricht davon, dass die Auswirkung dieser Krise noch 18 Monate anhalten, bis sich das Leben normalisiert hat. Inzwischen werden viele ihren Job verlieren, sie geraten in Lebenskrisen.“ Im Allgemeinen neigen die Menschen in Thailand nicht dazu, lauthals zu protestieren, hält Dunsbach fest: „Das Gute ist, dass die Thais an sich von ihrer Mentalität und ihrer religiösen Erziehung gelassen damit umgehen. Es gibt keine aggressive Stimmung. Man beschwert sich auch nicht öffentlich gegen die Maßnahmen der Regierung.“

Die thailändischen „Coronavirus Suicides“

Die Sorgen äußern sich anders – und noch dramatischer. Etwa in einer deutlichen Zunahme der Selbsttötungen in den vergangenen Wochen. Die internationale Zeitschrift „The Diplomat“ nannte sie die thailändischen „Coronavirus Suicides“. „Viele Probleme kommen zusammen“, erklärt Dunsbach. „Familiäre Dinge, der Verlust des Arbeitsplatzes, die Unsicherheit in der finanziellen Absicherung und die Verantwortung, die sie nicht mehr tragen können. Besonders tragisch war der Fall einer jungen Frau, die sich mit ihrem Kind von einer Brücke stürzen wollte. Der Fall hat für viel Aufsehen gesorgt. Man konnte sie zwar retten, aber das ist beispielhaft für viele Menschen, die nicht wissen, wie sie diese schwierigen Zeiten überleben sollen.“

Vergangenen November noch, auch wenn es viel länger her zu sein scheint, war Papst Franziskus zu Gast in Thailand. Seine bisher letzte Reise. Das war für viele Menschen vor Ort ein richtiges Fest, sagt Jörg Dunsbach. „Noch immer sprechen Leute mich auf dieses Ereignis an. Viele Gemeindemitglieder sagen immer noch, wie schön es war und wie glücklich sie waren, daran teilnehmen zu können. Gut, dass es im letzten November war, wäre es jetzt im Frühjahr angesetzt, hätte das ausfallen müssen.“

(vatican news) 

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19. Mai 2020, 16:52